[exilpost 3]

Exilpost 3

[posting 3 Fr 12:38]

17:55
Sigrid, Mutter und ich spazieren zur Winterpromenade, laufen hoch zum Ponte Romano und spazieren die Sommerpromenade wieder hinunter, bis zum Cafe Darling. Wir schieben die kleine Maria im Kinderwagen vor uns her. Sie ist jetzt vier Monate alt, sie schläft friedlich. Ich weiß, dass Haimo sich mindestens um eine Stunde verspäten wird, daher nehme ich mir die Zeit. Wir spazieren weiter über die Postbrücke und gehen zur Casa della Cultura, dem vereinbarten Treffpunkt. Doch langsam drängt es mich, ins Haus zu gehen, und Haimo zu treffen, ich bin immerhin eine Stunde zu spät, in jenem Moment kommt er um die Ecke gelaufen, er entschuldigt sich, dass er so spät sei. Es freut mich, sein Zeitempfinden richtig eingeschätzt zu haben, das ist fast wie Heimat. Kurz darauf kommt auch Olivia, die Mitorganisatorin und wir sind komplett.

Dann gehen wir ins Haus. Drinnen ist ein Raum für Piet reserviert. Piet sitzt am Tisch und rezitiert Gedichte. Piet heißt natürlich nicht Piet, sondern Peter. Peter Oberdörfer. Ich weiß nicht ob Piet sich Piet schreibt oder Pete, aber da ich holländisch sozialisiert bin, schreibe ich es defaultmäßig Piet. Außerdem fühlt sich Piet südtirolerischer an. Piet sitzt also am Tisch und rezitiert Gedichte. Er betreibt im Zuge des Festivals das sogenannte Literaturbüro/ufficio letterario. Zwischen 16 und 18 Uhr fungiert es als Laboratorium, in dem die Begriffe Literatur und Büro aufeinanderprallen/reiben/verlieben sollen. Wie erwartet, handelt es sich hier nicht um eine Massenveranstaltung. Faktisch sitzt Piet um dieser Uhrzeit nur noch alleine an einem großen Tisch mitten im Raum und rezitiert Gedichte. Ich bin zu verklemmt, um Begriffe im Kollektiv aneinanderreiben zu lassen, aber Piet ist ein Theatermensch und ein blendender Rhetoriker. Wir sitzen am Tisch und unterhalten uns über südtiroler Dichter. Gerhard Kofler und NC Kaser. Alles aufgeriebene Südtiroler. Das steht so dramatisch im Raum. Stand es aber immer schon.

Ich weiß nicht, ob ich morgen hingehen werde, um dem Literaturbüro beizuwohnen, ich würde das gerne beobachten, aber als Dichter ist man zwangsläufig mehr ein Teilnehmer, als nur Beobachter, was üblicherweise von Vorteil ist, doch für solche Theatralien bin ich, wie gesagt, zu verklemmt. Es würde sich empfehlen Kameramann zu sein, oder mindestens Fotograf. Da wird man als Hintergrund verstanden.

18:20
Da das Literaturbüro zu ende ist, beschließen wir, ins Schloß Pienzenau zu fahren, die Abendveranstaltung anzugehen. In zwei Stunden beginnt das Konzert, man müsse die Band delegieren, schauen ob mit dem Bühnenaufbau alles klappe. Piet geht zuerst nach hause, da er noch etwas für das Sonntagsprogramm vorbereiten muss. Olivia will ein Bier trinken, Haimo und ich finden die Idee absolut richtig. Also gehen wir in die Pizzeria Relax und bestellen drei große Forstbier. Wir besprechen das Design des Sprachspieleblogs und sind uns einig, dass im Layout ein Menü an die Seite muss, damit man die letzten Kommentare und das Facebook-Widget besser im Blick hat. Ich ziehe den Laptop hervor, aber Internet klappt wieder nicht, also lassen wir es sein.

19:40
Schloß Pienzenau. Ein mittelalterliches Anwesen oberhalb Meran. Restaurant, Konzertraum. Es gibt noch nichts zu organisieren. Wir bestellen Bier. Sie haben kein Forstbier, nur Wahrsteiner. Meinetwegen, trinke ich auch. Früher gab es in Südtirol nur Forstbier, man sollte die neue Vielfalt schätzen. Früher haben wir uns ja immer über die Eintönigkeit im Bierangebot beklagt, heute glauben wir, dass die Welt von damals, als es nur Forstbier gab, echter war. Wir machen es uns auch nie recht.
Es gibt WLan. Ich klappe den Laptop auf, wir suchen ein neues Theme für das Blog und aktivieren es.

20:30
Die Band ist bereit. Das Publikum fehlt.

20:35
Die Band ist bereit. Der kleine Saal ist voll. ~50 Leute.

Fortsetzung später, ich muss jetzt Kastanien essen.