Die neue Playlist in Katastrophenmusik umbenannt, damit ich mich leichter davon wegklicken kann wenn der Atem wieder zu schwer wird, damit ich mich daran erinnere, die Leichtigkeit nicht mit der Schwere auszutauschen, wo doch die großen Dinge nicht notwendigerweise schwer sein müssen, sondern oftmals leicht wie rote Ballons da oben schweben, denen man so gerne nachschaut wenn man unten liegt und sich von den Tagen erzählt, von den Tagen die man auseinandernehmen will, auseinandernehmen und alle einzelnen Stücke umdrehen, und daran riechen meinetwegen, am liebsten gar fressen oder mit aufgerolltem Falschgeld in die Nase ziehen, suchtgefährdet wie ich bin.

Und weil ich dann wieder weiß was ich damals auch schon wußte, die Dinge vergehen, vergehen immer, und dann denke ich ein bisschen darüber nach, denke wieder an die Leichtigkeit, die Leichtigkeit der großen Dinge, die Dinge man nicht versuchen soll aufzuschreiben, oder schlimmer noch, sie auszusprechen. Nur die richtigen Dinge sagen, und dabei gar nicht merken wie sehr man beschenkt wird.

Und danach denke ich, dass ich gar nicht weiß wovon ich rede.

Katastrophenmucke 1 | 2 | 3

(achja, und dann ist ja noch die Sache mit dem neuen Jahr)

Da leert sich dann die Stadt. Und es leeren sich die Straßen. Die Lichter gehen aus hier im Hinterhof, jeden Abend ein Lichtlein weniger, mein ganz persönlicher Adventskalender. Gegenüber brennt noch das letzte Licht, daher weiß ich es: morgen ist Weihnacht.
Keine Sorge, ich bleibe immer gerne zurück. Ich passe auf, auf die abkühlenden Häuser, auf die leergekauften Läden. Ich mag Weihnachten wirklich gerne, es rieselt leise, das Fest der Liebe, und Liebe ist immer gut.

Und gerade die Liebe ist es. Als würde es sich zu zweit zu schwerlich lieben. Gomisch das.

Machts gut, ich paß schon auf alles auf.

[Notiz für unter die Krawatte]

Ein Brautführer hat drei Aufgaben:

1) Ein Auge auf den Brautstrauß werfen. Das heißt, Dein ganzes Herz und Deinen ganzen Einsatz dem Brautstrauß widmen, nämlich dafür zu sorgen, dass die Braut den ganzen Tag den Brautstrauß bei sich behält. Verlöre sie diesen, dann geräte er womöglich auf Abwegen und abends beim Straußwurf nicht in die Hände der dafür prädestinierten, heiratswilligen Jungfer.
Das muss so sein. (Hat man Dir gesagt)
Und verliert die Braut ihren Strauß, verliert der Führer seinen Kopf. (Man hat es Dir dreimal gesagt)

2) Die Braut bewachen. Weitaus wertvoller als der Strauß, ist natürlich die Braut selbst. Auch die kann auf Abwege geraten. Vor allem wenn die Braut Deine Schwester ist. Als ihr klein wart und Du auf sie aufpassen musstest, dann hast Du sie manchmal in ihr Zimmer eingesperrt. Das geht am Samstag natürlich nicht. Erstens tun Dir die Einsperraktionen von damals leid, zweitens stehen auf dem Terminplan aber wirklich spannende Sachen wie: Drei Stunden bei der Frisörin Irene, drei Stunden im Schminksalon von Nanna, und wegschauen beim Umziehen.
Du weißt schon was dem Brautführer passiert wenn der Strauß flöten geht. Sie (das Organisationskomittee) wissen aber noch nicht was sie Dir bei Abhandenkommen der Braut abhacken werden. (Sie haben dabei gelacht, sei auf der Hut!)
  2a) Falls Dir die Braut abhanden kommt: Sabine anrufen. Du hast keinen Führerschein und in Südtirol gibt es keine Ubahnen. Sabine magst Du, zudem kann sie schnell bergauf und bergunter fahren.

3) Die Braut dem Bräutigam übergeben. Komm Mek, das kannst Du.

Eine Ära geht zu ende, die Blätter fallen von den Bäumen, und plötzlich wird mir mulmig zumute, aber man kann nicht ewig jung bleiben: Nebst Brautführer, werde ich Onkel und Schwager werden.
Heimat, ich komme.

oh.

Ich war kurz Schuhe kaufen. Bin aber immer noch hier.

Nächsten Dienstag lese ich übrigens auf der Lesebühne Die Lautmalerei, in der Christinenstrasse. Das wird sicherlich nett, auch wenn ich mich ein wenig unwohl fühle dabei, so war ich doch froh, endlich einmal von einer Lesebühne gehört zu haben, bei der die Frauenquote weit über dem Durchschnitt der ziemlich männerlastigen Berliner Bühnen liegt. Ich senke diese Quote ungerne, auch wenn ich vielleicht die Ausländerquote erhöhe, aber diese Bühne klingt toll, zudem bin ich Gast und ich nehme selbstredend dankend an.

Und sonst mache ich gerade etwas mit Geschichten, zwölf Geschichten über Regen und neun Geschichten über Staub. Mir scheint als gäbe es etwas wegzuspülen. Eine dieser Regengeschichten passt auf die Bühne. Und später vielleicht ins Blog. Wenn ich sie bis Dienstag fertig geschrieben habe, dann lese ich diese vor. Sollte ich es nicht schaffen, dann mache ich Staub, und lese etwas älteres.

ver punkt di

Sie sehen aus wie die Spielkartenarmee der Herzkönigin. Nicht nur weil sie ein wenig verwirrt wirken, weil ihnen vielleicht ein fähiger Caporal entbehrt, sondern weil sie in diesen übergestülpten eckigen Ver.di-Tüten watscheln. Watschelwatschel, wie eine riesige, schnatternde Entenkolonie. Dass sie auf Trillerpfeifen ohne Triller pfeifen macht das Entenbild nur vollständiger.
Wie ich es hasse was ich gerade tue, hätte ich doch niemals gedacht jemals ein böses Wort über Streikende fallenzulassen. Ist mir doch jedes Streikmittel recht, finde ich doch jammern über Zugausfälle kleinlich, engstirnig, medikamentös behandelbar. Die Bosse haben gelernt und warten. Warten auf verärgerte Kundschaft, und der Ärger läßt sich in Zeiten der Globalisierung, in Zeiten in denen wir alle ein bisschen teilen sollen, nett sein müssen zueinander, schlichtweg weiterleiten an die faulen Schweine die immer mehr wollen und irgendwann die Firma ruinieren anstatt sich ans Fließband zu setzen. Und da bleibt der Ärger dann hängen. An übergestülpten Plastiktüten womöglich weniger, wer weiß.
Und dem schwitzenden, um seine Firma und persönlichen Ruin bangenden Capo, der sich in den Tagesmeldungen den Fragen stellt, bringt man dann ein bisschen Mitleid entgegen. Ist ja schlecht für den Magen, wenn man so ungesund aussieht, weil die Leute immer alles wollen.

Und dann Streikende in Deutschland. Ich bin wirklich der letzte der ein schlechtes Wort über dieses Land verlieren will, zumal es die Deutschen selbst schon bis zur Peinlichkeit hin tun, und ich bin gerade dabei dieses Land als Land richtig gerne zu mögen, so gerne wie man ein Land eben mögen kann, Aber Streikende in Deutschland – das geht so nicht.
Eine trillerlos pfeifende Spielkartenarmee im Watschelwatschel-Schritt, bei der ich vergeblich nach Inhalten (jaja) suche. Alles was lesbar ist sind Ver-Punkt-Di-Schriftzüge auf Fahnen, Ver-Punkt-Di auf Tshirts und Ver-Punkt-Di auf den Uniformen der Spielkartenarmee. Man wird den Eindruck einer Marketingaktion nicht los. Mit Werbemitteln finanziert. Der folgende Umzug wird Ihnen präsentiert. Von.
Und dabei nervt es mich natürlich nicht, dass ich mich nicht zwischen den Termen Spielkartenarmee und Entenkolonie entscheiden mag, sondern dass ich ein wenig Mitleid bekomme, und mir denke, Himmel, nehmt sie von der Straße, gebt ihnen alles was sie fragen.
Aber vielleicht ist das die neue Arbeitskampfstrategie.

moby

Es war wieder wie damals, als wäre ich ein kleiner Junge gewesen. Slalom. In weiten Kurven den Berg hinunter. Nur ging es diesmal nicht ganz so schnell vonstatten, schließlich führte der Weg bergaufwärts, und ich auf zwei Rädern, und Berlin schaukelte um mich herum wie ein stürmischer Atlantik voller Mobydicks, im Dreivierteltakt, weil es das war, diese Melodie, dieses Lied das ich komponierte, nachdem ich mich auf das rettende Fahrrad gesetzt hatte und darüber so froh war, weil ich gehen nicht mehr konnte, aber auf das Fahrrad, wie immer, Verlass war, und so war ich dermaßen glücklich darüber, dass die schwankende Stadt direkt in meinen Kopf überschwappte und ich von dem Augenblick an diese Melodie summte und mich darüber freute, welch schöne Melodien ich auf dem Fahrrad immer wieder komponiere, und weil das Lied so ging: Damm, da-daaa, dadadammm, dam-daaa, und dann ein Zwirbel und dann wieder damm, dam-daa, und bald summte ich nicht nur, sondern sang es erst leise, dann lauter, damm, dam-daa, im Slalom, Slalom Super-G, und die Autos hupten im Takt, einzweidrei-
Nur den Prenzlauer Berg hoch, am Anfang der Prenzlauer Allee, dort ist es ein wenig steil, die Luft blieb mir weg. Ich musste improvisieren, dichten zum Beispiel, sodann schlug es, mein dichterisches Herz:

Tropf zweidrei
auf unergründeten Wogen
Kopf entzwei
doch Herz hängt hoch droben im Bogen

Eine halbe Weltumsegelung später erreichte ich meine Haustür, doch die Musik schwankte in mir, und ich war noch nicht einmal bei der zweiten Strophe angelangt, da mir die erste dermaßen gut gefiel, dass ich sie wiederholte und wiederholte, so winkte ich, schönes Haus bist Du, und fuhr daran vorbei, doch tat es mir fast ein wenig leid, es in diesem Zustand zu hinterlassen, darum hing ich dieser Trauer unmittelbar eine zweifelnde Frage an: welchen Zustand?, so dachte ich, steht es doch tageintagaus seit nunmehr hundert Jahren so desolat herum, und ich sah auch gleich ein, dass es bedeutend schlimmere Zeiten hinter sich hatte, Zeiten von Kälte, oder als die Russen sich durch die Straße bombten, doch sieht mein Haus immer ein bisschen traurig aus, womöglich liegt es an der Nase, oder den hängenden Lidern der obersten Fenster, oder diesem immer ein wenig nach Hilfeschrei geöffneten Mund, ich weiß es nicht genau, ich dachte mir Mekmek, Du mußt jetzt Deinen Weg gehen, stark sein nennt man das manchmal, und ich tat es, war stark, fuhr weiter, Slalom Aleikhum nach Weißensee, bis ich dann einen Walzer und eine Ballade später arg verfahren zwischen all den Mobydicks im schwankenden Berlin den Notruf betätigte. Maydaymayday, ze ship is zinking. Man will nicht wissen was es dachte.

Lieber Merlix,

allererstens danke für Deine Mail, sie hat mich sehr gefreut, ist es doch lange her, dass wir voneinander gehört haben. Zudem muß ich wirklich sagen, die letzten drei Monate fühlen sich an, als wäre eine ganze Ewigkeit an mir vorübergezogen. Und da siehst Du mal wie mir die Zeit davonläuft: es waren nicht drei Monate, sondern gleich ganze vier.
Du und die anderen, wie Du sie nennst selection of fine Hamburg Bloggers, standen also an der Alster und fragten sich wie es mir so geht, was ich so tue. Das freut mich natürlich. Damit will ich sagen, es freut mich, dass ihr an mich gedacht hat, nicht, dass ihr mich vermisst, weil vermissen ist schlecht für den Magen, und wenn es nicht gerade notwendig ist, spart man sich das Vermissen besser auf, es kommen noch genug Momente an denen das Vermissen richtig böse wird.
Also will ich Dir ein bisschen erzählen.

Das Einleben in Berlin war bisher ganz OK, einige Berliner kannte ich schließlich schon, meist die Leute aus dem Internet, und mit einigen wenigen verbindet mich sogar eine Art Freundschaft. Mit diesen verabrede ich mich ab und zu, zum Trinken, zum Essen oder gar zum Feiern. Es ist noch alles ein wenig, wie soll ich sagen, lauwarm vielleicht, weil man sich zum Wärmen erstmal ein bisschen reiben muss, und damit meine ich jetzt nicht notwendigerweise Streitereien oder Auseinandersetzungen, sondern das Schunkeln im Bierzelt. Oderso. Aber das ist ja immer so. Das mit dem Wärmen. Ich glaube ich mag das schon, es ist ja wie wenn man morgens in der Kälte das Auto wärmen muss, das hat auch etwas anregendes. Vermutlich ziehe ich deshalb so häufig um. Ich besitze ja kein Auto.

Mit der Wohnung habe ich Glück gehabt. Ein bisschen jedenfalls. Ich wohne etwas abseits. Auf dem Prenzlauer Berg zwar, aber da oben rechts, bei der S-Bahn Prenzlauer Allee, eine schöne und billige Altbauwohnung im Hinterhof, ich kann auf die Gleise schauen und nachts beim Einschlafen höre ich das erotische flirren (?) von Metallrädern auf Metallschienen. Und ich schlafe dabei wie ein Engel. Das klingt jetzt nicht so als sei das wirklich abseits, aber doch, ist es schon, dort wo ich wohne läuft die Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Russland. Und ich wohne auf der russischen Seite. Hier an der Grenze kleiden sich die Menschen schlecht, sitzen morgens mit einem Bier vor dem Asiaimbiss und wenn ich abends nachhause komme, sitzen sie immer
noch da. Und Du weißt wie sehr mir schlechtgekleidete Menschen ein Gräuel sind. Mit dem Bier kann ich sympathisieren, aber diese Joggingshosen den ganzen Tag, ich weiß nicht, das macht doch das ganze Leben irgendwie Gummi.
Ich glaube wir hätten eine wahre Freude daran zusammen Menschen nachzugucken. Um ehrlich zu sein habe ich schon daran gedacht darauf zu warten bis wir beide ein bisschen älter sind, sagen wir 90, und uns dann auf eine Holzbank hier an die Straße zu setzen und den ganzen lieben langen Tag den Menschen nachschauen und von den alten Zeiten reden. Mit einer Flasche Rotwein meinetwegen und dann können wir ein bisschen staunen, wie jung die jungen Frauen doch geblieben sind.
Julietta wohnt ganz nahe. Ihre Wohnung ist etwa vier Minuten von meiner entfernt. Das erleichtert die Dinge. Wenn ich ihr beispielsweise den Bohrer vorbeibringen muss und dann in ihrer Wohnung merke, dass ich den Bohrer vergessen habe, ist der Weg zurück zu mir nur ein kurzer Weg. Wenn ich dann noch genau weiß wo in meiner Wohnung der Bohrer liegt, dann brauche ich genau 8 Minuten dafür. Hin und zurück.

Und wie sehr mich die Arbeit wieder freut. Du kannst Dich vielleicht daran erinnern in welchem Zwiespalt ich mich befand, wie es beruflich mit mir nun weitergehen solle, aber diese Bedenken sind vorbei, in meiner neuen Firma zu arbeiten macht wirklich Spaß. Wir haben dort einen Kicker stehen und ich habe anfangs immer gewonnen. Doch Du ahnst es, nicht umsonst benutze ich das wort anfangs. Aus unerklärlichen Gründen gelingen mir die Tore nicht mehr. Und mein Chef freut sich einen Ast ab. Jetzt gewinnt immer er. Schon acht spiele unbesiegt. Ich glaube das ist gut für das Arbeitsklima.
Mein Zwiespalt beruhte also nicht auf der Materie meiner Arbeit, sondern es lag vermutlich an meiner ehemaligen Fabrik. Kein Kicker dort. Ah ich hätte die eine oder andere Geschichte zu erzählen, aber das mache ich womöglich in meinem Blog, dann kommt da auch mal wieder etwas rein, ich vernachlässige es gerade ein wenig, wie Du sicherlich schon bemerkt hast.
Nicht, dass es nichts zu erzählen gäbe, es ist vielmehr, dass ich gerade all das nicht erzählen will, oder kann. Am liebsten sage ich immer ich hätte keine Zeit, das versteht jeder, Umzug undso, schwere Sache das, aber das sage ich nur weil es schön klingt, weil ich mir selbst dabei ein bisschen gefalle, ich bin ja so dick geworden, ich muss das kompensieren. Schon toll, bei Nachfrage immer erschöpft ausatmen und sich über die Stirn streifend sagen: puh, so wenig Zeit gerade. Und dabei ein bisschen tragisch gucken. In Wirklichkeit sitze ich jeden Abend am Rechner und tippe von zwanzig Uhr bis Mitternacht.
Im November kommt ein Freund aus Wien zu mir, bleibt einen Monat hier wohnen und dann schreiben wir ein Drehbuch. Ein Filmemacher aus Paris will einen südtiroler Heimatfilm drehen und wir sollen die Geschichte und die Dialoge dazu verfassen. Merkwürdig wird das werden, denke ich. Ich weiß nicht wie das gehen soll, nebeneinander am Rechner sitzen und tippen? Ich meine, man muss sich ja auch unterhalten, aber man kann sich doch nicht über etwas unterhalten, eine Geschichte ausspinnen und parallel dazu alles niederschreiben. Das sind ja zwei verschiedene Dimensionen, das Reden und das Schreiben. Drei Dimensionen eigentlich: das Ausspinnen noch dazu. Aber ich freue mich auf jeden Fall, mein Wiener Freund ist ein großartiger Koch, der besitzt sogar eine Küchenmaschine. Aber nicht, dass Du jetzt denkst, wow der Mek, Autoren und Regisseure aus Wien und Paris, fehlt nur noch die Hintertür zum Kulturministerium. Nein, mein Lieber, die beiden Burschen leben zwar in Wien und Paris, aber der eine kommt aus einem Kaff am Ende der Gaulschlucht und der andere ist unterm Haselberg aufgewachsen. Ich weiß, beide Orte sagen Dir nichts, aber das ist halt Südtirol.

Berlin ist übrigens toll. Für mich fühlt es sich so an als würde ich zu einer alten Liebe zurückkehren. Und Wenn Du mich einmal besuchen kommst, dann zeige ich Dir die traurigsten Ecken der Stadt. Ich beende diese Absatz jetzt, weil ich sonst ein bisschen schwärmerisch werde. Deshalb springe ich gleich ungekünstelt zum nächsten Thema und tue so, als sei das ein ganz neuer Absatz:

Dabei fällt mir ein, dass ich mich nach der spektakulären, oder sagen wir: tragischen Geburt Deines Sohnes gar nicht mehr bei Dir gemeldet habe. Was ein
Glück. Die Geburt meine ich damit. Dass letztendlich doch alles gut ausgegangen ist. Ich wurde ein wenig unruhig als nach der Ankündigung der Geburt erstmal lange keine Neuigkeiten kamen. In jenen Tagen hatte ich Isa hier in Berlin getroffen, und Isa klang sehr besorgt, aber Du weißt ja wie Isa ist, die sorgt sich immer um alles. Deshalb habe ich es erstmal nicht als tragisch angesehen, ich muss ja meine Nerven schonen, da laß ich mich nicht von so einer Übersetzerin die Nerven aufrauhen. Auch wenn es die liebste Übersetzerin der Welt ist. Als dann jedoch die Neuigkeiten immer noch ausblieben, wurde ich schon unruhig, aber dann wollte ich Dich auch nicht mit meinen Sorgen nerven, weil ich bei Nachfragemails immer das Gefühl habe ich würde eine Antwort einfordern, wobei ich glaube, dass man (Du eben) in solchen Momenten am allerwenigsten daran denkt sich an den Rechner zu setzen und lauter Antworten zu tippen. Und Telefon! In solchen Momenten ist das Telefonieren noch schlimmer als jede liebste Übersetzerin der Welt. Das wollte ich erst recht nicht.

Letztens hatte ich übrigens Heimweh nach Hamburg. Julietta hatte eine CD von Studio Braun aufgelegt. Du kennst die vielleicht, das sind die Jungs aus dem Radio die immer so Anrufe tun. Ich höre mir das gerne an, weil ich mir dann immer denke, dass die Welt eigentlich schon OK ist. Aber einer dieser Anrufe hat mich mit Heimweh versorgt. Das war der Anruf bei dem sie bekiffte (jetzt hatte ich befikkte geschrieben) Hamburger Jungs nachgespielt haben und es war dieser eine Satz, als sie am Telefon erklärten was sie gerade machten, der so Hamburg war. Als sie sagten, sie säßen gerade an der Elbe, büschn Schiffe kukken. Das war schön. Das war Heimweh.

Aber jetzt habe ich schon viel geschrieben, habe mich ein bisschen verheddert, in vielen belanglose Kleinigkeiten. Dabei will ich ja wissen wie es Dir so geht, wie es Hamburg so geht. Vieles erfahre ich ja aus dem Blog, praktisch ist das.
Ich weiß noch nicht genau wann ich nach Hamburg komme, bestimmt noch dieses Jahr, ich werde mich melden, wir könnten einen Flammkuchen essen und Bier aus Flensburg trinken und uns zu den neuesten Büchern austauschen.

So, mein Lieber. Ich schließe jetzt ab. Grüß mir auch Deine Frau, die ich übrigens auch wiedermal sehen möchte, auch um mein Erinnerungsbild von ihr zu korrigieren. Ich habe sie immer noch mit diesem großen, kugelrunden Bauch im Gedächtnis, das dürfte sich jetzt ja verändert haben.
Grüß mir auch den Paulsen, den Großblogbaumeister, den Alexander und wenn Du sie siehst, die Lyssa. Die anderen, die mir jetzt gerade einfallen werde ich vermutlich selbst irgendwann zu Gesicht bekommen.

Sei gegrüßt,
allerherzlichstlich,

Dein Mek

recitativo nr.82

Das Blog ist aus dem Urlaub zurück. Darüber war ich so froh, dass ich mich gleich an den Schreibtisch setzte, seit langem wieder einmal das Mikrophon zur Hand nahm und Kid37’s Tango Mortale vorlas. Dazu spiele ich ein wenig auf der Ziehharmonika als wäre ich ein barfüßiger Junge der in einem Hauseingang der Boca sitzt und das Instrument seines Großvaters erlernt. Um diese Stimmung zu verstärken habe ich es in Unterhosen gespielt.

Drüben im Vorleseblog.

M

ein russischer Freund, der Punk, als wir gesternfrüh auf Stufen in der Danziger saßen und in die Morgensonne blinzelten und ich ihn fragte womit er nun seine Brötchen verdiene, erwiderte, er hätte sich jetzt verkauft. Er würde Kritiken aus Finnland ins Russische übersetzen, er habe Urlaub nehmen müssen um mit seiner Band in Deutschland zu spielen. Ah, sagte ich, Ausverkauf, weil sich für die Arbeiten die wir erledigen niemand finden läßt der es umsonst tut. Sonst wäre sie ja schön, die Arbeit. Und so gäbe es jemand der es erledigt haben wolle und jemanden dafür entlohne. Korrekt, sagte er, er wolle ja auch, dass das alles da draußen funktioniere. Die Geldautomaten, jemand der das Bier zapfe, gar jemand der es braue, und nicht zu vergessen: die Ubahnen! Fuck the System, erinnerte ich ihn. Fuck the system, erinnerte er mich. Aber, eröffnete ich ihm, ich hätte ohnehin immer die Welt im Kopf gehabt, und legte nach: dass es Aufgaben zu erfüllen gebe. Das ganze Ding am Drehen zu halten. Er schaute mich an und sagte, ich hätte zuviel Nietzsche gelesen. Wie er darauf käme, fragte ich, ich mochte nur Zarathustra, und davon lediglich Richard Strauß’ Ouvertüre. Das wäre ihm zu pompös, ihm läge mehr an Bach, kleine Ameisen, eifrig am Bauen, unbemerkt, das ganze Ding am Drehen halten. Mit System. Er vergäße die großen Gesten, warf ich ihm vor. Mit Pomp die Schlucker zu Königen. Und wer dann wohl die Ubahnen baue, fragte […]