[29.10.]

Mit meinem semi-defekten Netbook zurück zu Saturn gegangen. Feierabend, der Saturn am Alex. Die Helfer in den blauen Saturnhemden, sind nicht wirklich helfbedürftig. Dieses Gefühl man hätte etwas verbrochen, es zwingt einem zu überfreundlichem Vokabular und zu […]. Aber ich larmoyiere natürlich nur rum, sie haben mir das Teil natürlich ersetzt.
Danach, am Abend mit Casino über ein paar Gläser Wein im Liebling am Helmholtzplatz gesessen, geredet, über alles, ich glaube wirklich über alles.
Auch meine Ex-Nachbarin getroffen. Ich sehe sie nicht oft, aber ich sehe sie immer wenn ich ins Liebling gehe. Das ist so eine eigenartige Konstante. Wir sagen dann immer, achmensch, wir müssen uns mal treffen, lass uns mal etwas trinken!, dabei ist es so todsicher, dass ich sie treffe wenn ich ins Liebling gehe, dass dass dass. Nunja, dass es eben todsicher ist. Für mich natürlich nur, sie ist ja öfter da. Aber das ist quatsch.

[28.10.]

Heute Homeoffice gemacht, weil der Mensch von den Wasserwerken die Wasseruhren austauschen kommen musste. Homeoffice ist die Pest, zu viel persönliche Dinge die mich umgeben, als könnte ich privates und berufliches nicht auseinanderhalten. Never fuck your Hauspantoffeln, oderso.
Da der Mensch ziemlich früh kam, habe ich noch am Vormittag die Hauspantoffeln für die Schuhe eingetauscht und bin ins Büro gefahren. Und Seelenfrieden kam herein. Woher auch immer.

Abends pensiert.
Doch war ich leicht unruhig. K kam später aus Bremen zurück und wir beschlossen diese unsäglich ätzende Serie zu schauen, die wir aus einem unerklärlichen Grund einmal angefangen hatten zu schauen und trotz der Erkenntnis, dass die Serie wirklich schlecht ist, und in den USA nicht grundlos abgesetzt wurde, haben wir immer wieder den Fernseher dafür eingeschaltet. Harpers Island. Charaktere die uns nicht interessieren, ein Plot der uns nicht interessiert, die Suche nach einem Mörder der uns nicht interessiert. Aber wir haben schon in Wikipedia nachgeschlagen und wissen wer der Mörder ist. Was das Desinteresse nur noch uneträglicher macht.

Nachher habe ich tagebuchgebloggd.

[27.10.]

OK, Tagebuchbloggen wieder, losgehts: ein typischer praktischer Tag. Mit der einzigen Abweichung, dass er sich im Nachhinein sehr unpraktisch anfühlt. Anfühlt_wie_unpraktisch_gewesen.
Was ist also passiert: neben den vielen Stunden im Büro, die ich tagebuchbloggend immer erfolgreich zu umgehen weiß, wollte heute vornehmlich der Haushalt angegriffen werden. In den paar Abendstunden die noch blieben. Haushalt hieß vor allem alle Wäsche aus dem Urlaub irgendwie zu sortieren (in die Waschmaschine) und die Koffer zu leeren, damit sie in den Keller gebracht werden und nicht unnötig Platz einnehmen. Hat so einigermaßen geklappt.

OK, das war jetzt superlangweilig.

Vielleicht ist das spannender: Kalbssteaks gemacht. Nicht ich, sondern K. Ich bin ja nur der Typ der den Salat schleudert und das Feuer macht. Gut, ich habe auch den Rosenkohl geputzt und in Hälften geschnitten. Ich könnte jetzt beschreiben wie wir die Steaks zubereitet haben, aber das ist auch superlangweilig.
Wir haben dann auf dem Sofa gegessen und dabei diese Doku zum Mauerfall im ZDF geschaut. War aber nicht besonders erhellend.

Nunja.
> Das eigenartige am Tagebuchbloggen ist ja, dass ich mir die Regel gemacht habe, auch einen solchen Textfetzen, der nun gründlich missglückt ist, nicht in die Tonne zu treten. Das Eigenartige ist die Regel. Nicht die Tonne.


Es gibt diese sonderbaren Tage, an denen jeglicher Output, sei es der Umgang mit Freunden, der Umgang mit Kollegen, genau so abgehakt und unforschend ist wie der Output den man nachher auf Papier setzt, ich meine, mein ganzer Tag hat sich schon so angefühlt wie der Beat dieses Textes: nichts mehr suchen, nicht mehr buddeln, sondern erledigen, abhaken, aber nicht schleifen lassen oder verschieben, sondern erledigen, strikt den Code folgend, Häkchen setzen. Und gerade während ich versuche das hier zu erklären, merke ich, wie ich es gar nicht erklären, sondern abhaken will.

[26.10.]

Wieder zurück in Berlin und beschlossen, erneut einen Monat lang Tagebuch zu bloggen. Ohne besonderen Grund, nur weil ich gerade Lust dazu habe, wenn es übermorgen wieder anders ist, dann ist es übermorgen eben wieder anders, dann gehe ich vielleicht twittern, was jetzt klingt wie: dann gehe ich halt auf die Bahamas!, aber das ist ja Quatsch, so etwas so klingen zu lassen, doch ist mein Problem mit Twitter jenes, dass ich genau weiß, warum ich bald wieder damit aufhören werde, es ist das Rauschen das ich nicht mag, es ist der ungefilterte Fluß an Information der überspült, es nimmt mir die Konzentration, ich werde schon so einfach abgelenkt, der nervöse Blick über den eingegangenen Status, die Wulst die es zu filtern gilt, ich käme mir vor wie ein menschlicher Spamfilter.
Zu wissen, dass ich bald wieder aufhören werde, und dann noch mit diesem Urteil das ich mir gebildet habe, macht es mir wirklich schwer.

Vorhin jedenfalls auf dieser Jour-Fitz-Lesung in der Stargarder Straße gewesen, eine neue Lesereihe die sich, wenn ich es richtig verstanden habe, Twitterern widmet, die auch mal längere Texte schreiben, aber es fehlt in dieser meiner Beschreibung eine Information, die ich jetzt auch nicht mehr nachzutragen weiß. Jedenfalls ist alles sehr Twitterig, und das ist witzig. Vor mir sitzt eine art Saschalobo, aber dann in schlank und mit schwarzem Iro, er hält ein iPhone in der Hand, dreht sich lachend zu mir um und fragt: Wo ist der Hashtag? und ich antworte: ja. Weil ich auf diesen Witz auch nur ein globales, weltumfassendes “ja” zu antworten weiß. Er schaut mich an und fragt: ja? Ich antworte: nein.
Ich habe noch kein Twitteraccount, ich muss mich vermutlich nicht schämen.
Ich kannte nur wenige Menschen. Es war eine Bloggerin dort, die ich rothaarig in Erinnerung habe, doch schien sie mir diesmal viel blonder, aber ich kenne sie nicht weiter und das war es dann auch schon.
Lisa war da als Lesende, und sie war ja der Grund, warum ich überhaupt da war, und auch Andre vom Boschblog, den ich noch aus Hamburg kenne. Zu Lisa will ich nicht viel sagen, sie ist super, sie weiß um die Stimmung des Publikums das ein wenig hibbelig wird bei ihren leisen Texten, und sie liest gnadenlos leise weiter. Und feixt dabei in die Menge. Ihr Buch ist vielversprechend und erscheint im Mai bei Suhrkamp. Auch Andre ist super. Mit seinem geschriebenen Wort wurde ich nie gänzlich warm, aber vorgetragen sind seine Texte überraschend gut, sehr pointiert, sehr witzig, sehr klug auch, ich weiß nicht warum mir diese Attribute beim Lesen verlorengangen sind. Ich werde mich der Sache nochmal annehmen.
In der Pause bin ich dann gegangen. Es war mir zu heiß in dem Raum und zu eng und mein rechtes Bein war eingeschlafen. So, und ein weniger abruptes Ende wäre auch nicht schlecht, aber den eigenartigen Regen will ich jetzt nicht mehr beschreiben.

[brennerobrennt]

Ungefähr eine halbe Stunde nach meinem letzten willenlosen Eintrag über meine soeben entdeckte Webzwonulligkeit hat es dann Klack gemacht und mein Bildschirm ist ziemlich schwarz geworden. Mein Webzwonull-Netbook wollte auch nicht mehr starten (dies sei nur erwähnt um die Sache auszuformulieren). Ich werte sowas immer als Zeichen von oben. Ich war zu ausgesprochen geworden, ich kam mir vor wie eine Mischung aus Donalphonso und Saschalobo, es hatte dann Klack gemacht und die schwarzen Wolken da oben haben mich wieder ausgespuckt über dieses verregnete Land voller Ungnade und Schwefelpech.
Es hat dann vier oder fünf Tage gedauert bis alles wieder zwonull war auf meinem Netbook, aber nach vier oder fünf Tagen in den südtiroler Bergen, vergeht einem auch ziemlich der unbedingte Wille zur Teilnahme, weil es dann ja doch die Teilnahme ist, die einen zwingt, Sachen aus dem Netz zu fischen, Sachen in das Netz zu kippen, dieser Brei dem man etwas nimmt und wieder hinzugibt um letztendlich Klöse zu machen, so richtig teigige, immer ein bisschen zu klebrige Klöse, Klöse der Art wie man sie zu dieser braunen Sauce bekommt, Klöse, die immer so schmecken, als würde man lieber zu Brot greifen, um die braune Sauce aufzuschlecken.
Ich war dann auch ziemlich benommen von dem vorletzen Eintrag, dieser eigenartig wulstige Text, dem ich immer wieder Anstöße geben musste um ihn weiterzubringen, weil er von selbst so gar nicht wollte, was nicht an den Anstößen lag, sondern schlichtweg an mir und meiner eigenartigen Stimmung an jenem Abend, mit diesem total verwulsteten Geist, mit dem ich da im Zug saß und keine Gedanken auszusprechen vermochte, weil auf Papier (webzwonull-zehnzoll-screen) dann der Ton verloren gegangen war, beinahe so als wäre das Papier auf einmal nicht mehr geduldig gewesen und hätte statt die Adjektive auszudingsen, plötzlich den Ton des Textes abgedreht. Oh, ich habe ganz vieler solcher tauben Texte (Stummtexte muss man eigentlich sagen, aber taub ist irgendwie dusseliger, weil ein stummer Text noch wie eine gewisse zurückgezogene Gottheit [coolheit] im Raum steht, oder schwebt, je nach Religion), und was wollte ich nach der geschlossenen Klammer jetzt eigentlich sagen, ahja, dass es ganz leicht ist den Ton abzudrehen. Undsoweiter.

[…]

Sicherlich ist es noch niemandem aufgefallen, dass sich der Lesungsbanner unten ein bisschen verändert hat. Die Location ist etwas zu klein geworden und wurde daher in die Staatsoper Kaschemme auf St.Pauli verlegt. Eine nicht ganz so kleine Kneipe wie die vorige. Zudem haben wir einen Eisenbieger für die Moderation angeheuert.

Ah und dann nochwas, heute Radio. Nachdem Merlix letzte Woche den Telefonhörer weitergereicht hat, habe ich für heute Abend ein paar Fragen zu Blogger privat bei Trackback beantwortet. Ich weiß aber keine Uhrzeit und niks, das ganze kann man sich später jedenfalls herunterladen undso, andernseits ist es total unspannend was ich sage.


Bin soeben über den Brenner gefahren und fühle mich so unglaublich webzwonullig mit meinem Netbook und UMTS, dass ich es nicht mehr ausschalten mag. Um das ganze zu unterstreichen habe ich soeben ein Foto fürs Blog gemacht:

Dahinter liegt Schnee, aber das erkennt man nicht gut.

[…]

Gezwungenermaßen schonwieder in der ersten Klasse fahren wegen diesen Sonderspezialpreisen, die die erste Klasse billiger machen als die Zweite. Und natürlich kaufe ich die billigeren Tickets. […]


Ich setze mich in die zweite Klasse, der Gesinnung wegen, in der ersten Klasse bin ich fremd, in der ersten Klasse gibt es diese Attitüde des Abgeschottetseins, in der ersten Klasse würdigt man sich beiläufig mit einem wissenden Blick, Teil einer Privilegienmaschinerie zu sein, und schweigt, und schweigt, und ignoriert sich nach Kräften, weil man sich diese Abgeschottenmheit so teuer erkauft hat, dass […]


Ich stehe im Bordbistro mit einer 37cl Flasche Rotwein. Die Bahnwirtin hat mir zwei Flaschen zur Auswahl gegeben: eine Kleinere und eine Größere. Ich wählte die Größere und sagte “Ach, da ist ja mehr drin”. Ich erntete einen eigenartigen Blick. Dabei trage ich Krawatte, herrje, Krawatte, eines Kaisers neues Kleid. der Berliner Krawattendurchschnitt mirnichts dirnichts um eins zu dreikommavier Millionen, im Städteränking nach oben gedingst.


Die Angst vor dem Schaffner, der mir vor versammelter zweiter Klasse die Leviten lesen wird: Gehen Sie zurück in die erste Klasse, was fällt Ihnen ein, sich herabzulassen? Gesicht verlieren, böse Blicke ernten.


Ich stehe nur Im Bordbistreaux. Ich habe noch die kleinere Flasche dazugekauft. Der Wein in der großen Flasche hatte eine leichte Note von Altpapier, von nassgeregnetem Karton, irgendwo roch ich da noch Schuhe darin, alte ausgelatschte Schuhe, Schuhe mit Plastikanteil, Schuhe die man im Ofen nicht trocknen kann weil sie schmelzen.


Der Kleine ist ein spanischer Tempranillo und hat einen Schraubverschluß. Ich will nicht vorbeurteilt sein und nehme ihn, Schraubverschluß ist bloß ein Ruf. Ein Ruf, der unbegründet ist, unökologisch noch dazu. Und schnöselig. Schlimmer als Noten von nassem Karton wird mir die Bahnwirtin wohl nicht servieren — doch tut sie.

–> und ich bin schon zu betrunken um noch Noten in dieserm Traubenpunkrock zu erkennen. Erkennen zu wollen.


Die Stimmung immer hier im Bordbistro. Die üppige Frau mit ihrem Bier liest ein Buch, der Anzugträger mit seinem Weizen, er schaut nervös in die Runde, er kommt nicht zur Ruhe. Wir sind eine eigenartige Gesinnungsgenossenschaft. Unter rythmisch Gleichgesinnten.


Sie legt Schleifen aus Papierservietten um den Flaschenhals der kleinen Altpapierfuselöle. Die schnöselige Art mit der wir Weintrinker seit einiger Zeit stigmatisiert werden. Aber ich sehe schon, ich habe gerade eine unterschwellige Neigung, die Dinge tragisch zu benennen. Morgen kehren wir zum Drama zurück.


Himmel, soll man sowas posten? Ja, wie soll ich den sonst damit angeben, dass ich ein neues Netbook habe und mit UMTS-Karte das ganze irgendwo in Mitteldeutschland poste.

[…]

Die Blogbibliothek ist ein Blog, das Texte aus dem Internet sammelt und sie verlinkt. Sie will als eine Art Anlaufstelle für Texte fungieren, die man sich mal ansehen sollte bevor man sich im wüsten Blogjungel verheddert.
Heute von mir, ein schon etwas älterer kurzer Text: [maria].

[gleitung]

Sie stiegen die Treppen im Ostbahnhof hoch zu den Gleisen.
Sie: hat zwei unterschiedlich lange Beine, das Linke etwa fünfzehn Zentimeter kürzer, ihr Gang ist aus dem Gleichgewicht, ihre Arme fehlen völlig. Beide. Es fehlen auch die Stummel. Sie hat erhebliche Mühe die Treppen hochzusteigen. Sie trägt ihre Haare lang, bis zur Mitte des Rückens. Sie ist eigentlich hübsch, man kann es erkennen, doch die eine Gesichtshälfte wirkt verrutscht, die Oberfläche ist vernarbt.
Er: hat seinen Arm liebevoll um sie gelegt, er scheint sie zu führen, ihr Halt zu geben. Er hält seinen Arm so, dass er beiläufig ihre fehlenden Arme kaschiert. Er redet, scheint ihr etwas zu erzählen, während sie sich mit den Treppen müht. Die Nähe der beiden, offensichtlich ein Liebespaar.

Die S-Bahn kommt, wir quetschen uns in den Wagen, ich stehe neben dem Liebespaar, versuche mein Gewicht bei mir zu halten, neben mir eine ältere Tante die keinen Griff zum Festhalten findet, ich ziehe meinen Bauch ein und sage: Hier greifen Sie zu. Und zeige ihr den Griff neben mir. Sie lächelt, sagt Danke, und dann zu ihrer Freundin lautstark, wie sehr sie sich doch schäme, sie komme sich vor wie eine Landpommeranze, so viel Gewusel immer, daran sei sie noch nicht gewöhnt, dabei sei sie ja in einer Großstatdt geboren, aber lange sei es her, und zudem fände sie es ganz nett in ihrem Dorf, aber schön sei es hier schon, das ganze Leben undso.

Das Liebespaar steht eng umschlungen, er hält den Griff, und hält dabei auch sie. Sie kann sich natürlich nicht festhalten, weder am Griff noch an ihm. Er redet immer noch. Von seiner Arbeit. Es erschließt mir nicht was er genau macht. Ich schaue ihm ins Gesicht. Er ist hübsch. Und er ist blind.
Wir steigen Jannowitzbrücke aus.
Er stützt sie. Sie weist ihm den Weg.