[1.9.]

Sonntag. Auf dem Flohmarkt am Mauerpark eine Lampe gekauft die einem umgedrehten japanischen Schirm ähnelt. Bei näherem Hinsehen ist nichts davon japanisch, es sind Pflanzen abgebildet, auf einem cremefarbenen Kunststoff, der auf einem schirmähnlichen Gerüst gespannt ist, aber bei näherem Wegsehen denkt man dabei an Japan, Menschen in Kimonos vielleicht, die durch eine Landschaft von umherwehenden Kirschblüten spazieren, oder diese papierne Wände in Holzrahmen wie man sie von Bildern eines traditionellen Japans kennt, oder zu kennen meint, und hier oute ich mich als totaler Banause.
Der Schirm ist jedenfalls nicht japanisch, er ist auch ein bisschen versifft, und verrostet, den Kunststoff musste ich von kleinen, dunklen Flecken, vermutlich Nikotin bzw. Teer, befreien. In dieser schirmartigen Lampe befinden sich jedenfalls drei Glühbirnen und wenn man die Lampe umgekehrt an die Decke hängt, werden die Birnen die Decke erleuchten und durch den Kunststoff nach unten, als cremig-gedämpfter Lichtschirm, ein bisschen Japan vorgaukeln.

Später die Lampe geputzt und mir viel vorgenommen (Spiegel aufhängen, Lampe aufhängen, den Türabsatz im Bad schleifen, usw.), doch dann Tillmann Rammstedts Buch von den Erledigungen vor der Party gelesen (das Buch heißt so ähnlich, und vielleicht sogar genauso, aber ich bin jetzt zu müde um danach zu sehen, es liegt schon auf meinem Kissen) und ziemlich eingedudelt worden. Ich verstehe nie was Menschen an ihn so lustig finden, der Typ ist so durch und durch traurig, dass es eine wahre Freude ist.

[31.10.]

Gestern mit K in den Hackeschen Höfen Hanekes Weißes Band geschaut. So lala gefunden. Also schon gut, diese beklemmende Stimmung war sehr mitreißend, auch die Bilder waren schön, die Gesichter, und das was man Charakteraufnahmen nennt, durchaus ein sehenswerter Film. Doch verließen wir das Kino mit einer gewissen Gleichgültigkeit, nichts war besonders gut, nichts wollte haften bleiben, nichts woran man sich stieß, woran man sich erfreute, worin man die Zähne hätte setzen wollen. Es blieb das Gefühl vorherrschend, Zeit verschwendet zu haben. Aber das ist sicherlich subjektiv.

Als wir das Kino verließen las ich von vier Anrufen in Abwesenheit auf meinem Handy. Sowas mag ich nicht, ich sehe dann sterbende Menschen vor mir, wie sie blutend am Straßenrand liegen und in den letzten Atemzügen versuchen mich zu erreichen. Die Nummer war unterdrückt, aber der Anrufer hatte in seinen letzten Atemzügen auf mein Band gesprochen.

Es war meine Schwester. Meine Schwester sollte erst am heutigen Samstag in Berlin ankommen, aber meiner Schwester Stimme auf dem Band, sagte, sie sei jetzt _da_, sie säße in der Brunnenstraße in einem Cafe und würde Ingwertee trinken, und ich kenne meiner Schwester Lebensraum zwar nicht in Detail, aber zur Genüge, um zu wissen: wenn sie von der Brunnenstraße redet, und dabei das _dasein_ betone, sie auch die Brunnenstraße in Berlin meinte, woraufhin wir in die u8 stiegen und ins Akikaurismäki gingen, dieses Cafe das eigentlich ganz anders heißt, wir aber immer so nennen, weil wir uns den richtigen Namen, etwas Finnisches, nie merken können, aber Aki Kaurismäki ohnehin das beste ist, das Finnland je hervorgebracht hat, ausser den finnischen Clubs natürlich, weil die ja ohnehin immer das Beste sind, und wir das jedenfalls immer als legitime und versnobte Bezeichnung verwenden, weil Akikaurismäki ja cool genug ist um hineinzugehen.
Meine Schwester saß sort jedenfalls beim Ingerwetee und alles war irgendwie supergut.


Samstag. Der Samstag begann etwas mühsam. Um die Ankunft meiner Schwester zu feiern hatte ich am Vorabend ein paar Whiskys zu viel getrunken. Zuviel zuviel zuviel. Das war es gar nicht. Doch habe ich Rufbereitschaft in dieser Woche und das Rufbereitschaftstelefon hatte mich die halbe Nacht lang wach gehalten, und das ist dann zuviel wenn man ein paar Whiskys zuviel hat.
Den Rest des Tages haben wir verspaziert. Schwester, K und ich. Durch die Stadt gelaufen, Architektur besichtigt und am Alexanderplatz Zutaten für die Kürbissuppe gekauft, weil heute, tataaa!, Halloween!, und der Wunsch mitzumachen ist dann doch ein großer Wunsch, synchron mit dem Rest irgendwelcher Hemispheren im Nordatlantik, sowas wie Kultur pflegen. Sowas wie Teil einer Sippe zu sein und zu wissen, alles ist gut.
Während dem Kochen rief C an, er sei in der Gegend, ob jemand noch Gesellschaft wolle.
Gesellschaft war gut.