[das Licht ist okay]

Dieses Jahr hatte ich in einem abenteuerlichen Moment daran gedacht, einen Weihnachtsbaum anzuschaffen. Vielleicht nur um K zu erschrecken, vielleicht einfach um mal etwas wildes zu tun. Ich habe es dann nicht getan. Dafür hat uns die Putzfrau eine wächserne Tanne mit Docht auf den Tisch gestellt. Die hat uns beim Essen die Weihnacht geleuchtet. So ein Kitsch ist wunderbar, wenn man nicht selbst dafür verantwortlich ist. Ich habe mich sehr aufgehoben gefühlt.

Am letzten Arbeitstag vor Heiligabend kam die junge Russin in unser Büro. Sie ist nicht das, woran man denkt, wenn man eine junge Russin typisiert, sie ist eher der herzliche, strahlende Typ. Sie wollte sich persönlich bei uns bedanken, für das schöne Jahr, das wir ihr beschert hatten, für die gute Zusammenarbeit und sie würde sich sehr auf das nächste Jahr mit uns freuen. Es sei ihr sehr wichtig, das zu sagen. Das sagte sie so, strahlend, als sie in der Tür stand, in unser IT-Büro hinein. Wir wussten nicht so recht, wie wir damit umgehen sollten, es nahm uns ein bisschen mit.
Später, als A und ich die Firma verließen sagte ich zu ihm, Mist, wir sollten das auch so machen, herumgehen von Büro zu Büro, und den Menschen aus ganzem Herzen danken, für alles einfach, rundum ausholen und so einen erweichenden Dank über die Leute gießen.
Ja sollte man, aber wir waren uns schnell einig, dass das schlechtes Licht auf uns werfen würde.

“Ich möchte nicht deine Browserhistory sein”

[…]

Sie stieg aus einem großen Wagen aus und hatte etwas eigentümlich Konservatives an sich. Etwas, das in meiner Vorstellung nur ganz Reiche Menschen, die ungemein weit von der Welt entfernt leben, an sich haben müssen. Es war so unwirklich, wie sie aus diesem Auto stieg, sie war vielleicht Ende fünfzig, sie sah edel aus und wirkte unnahbar, ihr Blick bestimmt, sie trug ihr gelbfarben blondiertes Haar zwiebelförmig aufgetürmt.

Ich fuhr auf dem Fahrrad an ihr vorbei, sie sagte: Hey Sie, Sie haben kein Licht!
Ich habe mir oft vorgestellt, was man Menschen entgegnen könne, die sich genötigt sehen, fremde Menschen auf der Straße zu belehren. Ich wusste nie, was ich sagen soll. Heute fiel mir auch nichts ein, sie hatte mich nur etwas aus der Wirklichkeit geholt, also bremste ich erschrocken. Nach einer Pause der Besinnung sagte ich: Sie haben eine komische Frisur.

(So standen wir noch eine Weile, aber dann wurde es merkwürdig).

[…]

Seit wann ist Leonardo di Caprio eigentlich so unattraktiv geworden? Damals galt er ja als Schönling, eine Rolle, die ihm im Nachhinein betrachtet, nie besonders gut gestanden hat. Es war keineswegs Neid, ich bin ja nicht so, ich befinde mich mit schönen Männern nicht in Konkurrenz. Doch mittlerweile finde ich ihn richtig klasse, spätestens seit Shutter Island, und ab Inception wurde es nur noch besser. Die Rolle des nervösen Emporkömmlings mit den angespannten Stirnfalten, steht ihm ungemein, aber gleichzeitig wird sein Kopf stets breiter. Nicht das Kopffleisch, sondern die Kopfform an sich, sie ähnelt immer mehr einem Nachttischkasten, und sein Gesicht verrutscht seitlich nach oben hin weg in seine zurückgehenden Haarecken hinein. Es scheint eine Verbindung zwischen seiner Hässlichkeit und meinem wachsenden Gutfinden zu geben. Ich sollte es vielleicht sein lassen.

[…]

I.

  Eigentlich wollte ich vorschlagen, zur Pause die Vorstellung zu verlassen. Ich saß mit K und B im Babylon Mitte, wir besuchten eine Vorführung von Miron Zownirs “Parasiten der Ohnmacht”. Birol Ünel las den Text und FM Einheit hämmerte dazu auf Metallfedern. Das liest sich super, ich mag FM Einheit, und K mag Birol Ünel und wenn die beiden etwas zusammen machen, dann kann es sich nur um Gutes handeln.
Ich war an jenem Abend vielleicht schlecht gelaunt, ich konnte mit den Klangperformances von FM Einheit nichts anfangen, fand es ganz schlimm zu empfinden, dass sich jemand seit zwanzig Jahren künstlerisch nicht weiterentwickelt hat, ich saß im Sessel und fand das ganz schlimm, konnte kaum zusehen, wie er Klänge machte. Und Birol Ünel las, mit zwar angenehmer Stimme, aber diesen fürchterlich aufgesetzten Text von Miron Zownir. Das fand ich noch viel schlimmer. Ein eitler Text, über eitle Kaputtheit, der Text ergötzte sich an Wörtern wie FICKEN, und nochmal FICKEN und alles so KAPUTT, und roadmoviemäßig plakativ, ICH FICKTE SIE NOCHMAL usw. Und noch schlimmer als den Text, fand ich dieses demonstrative Trinken auf der Bühne, dieses eitle Besaufen, ich fand das früher bei Shane MacGowan gut, aber da war ich achtzehn, aber Männer ab dem mittleren Alter sich heldenhaft einen Runtersaufen zu sehen, finde ich wahlweise peinlich oder traurig, oder beides gleichzeitig, Alkoholismus ist keine Heldentat, ich finde das dann nicht mal kaputt traurig, sondern so dumm eitel, so dumm traurig. Aber an anderen Tagen hätte es mich vielleicht nicht so sehr gestört, vielleicht war ich einfach schlecht gelaunt, vielleicht tue ich ihnen unrecht, ich hätte vielleicht ein Bier trinken sollen.
Ich wollte zu K und B zur Pause sagen, ich fände es grottenschlecht, ich möchte die Vorstellung verlassen, keinen Bock auf den Scheiß usw.

II.

  Kurz vor der Pause kam der Autor ins Spiel. In der ersten Reihe saß ein Mann mit blanker Glatze und einem schwarzem Nadelstreifen-Anzug. Er war mitte vierzig, vielleicht mitte fünfzig. Er scheuchte dauernd die Fotografen herum und gab ihnen Anweisungen. Regelmäßig schlug er sich die Hände über den Kopf zusammen. Manchmal hob er den rechten Finger und schien den Text mitzurezitieren. Zehn Minuten vor der Pause platzte ihm der Kragen und er bestieg seitlich die Bühne. FM Einheit spielte gerade ein Solo auf seinem Laptop und Birol Ünel trank von seinem Wein, während er gelangweilt im Manuskript blätterte. Der Mann aus dem Publikum (nennen wir ihn: Autor Miron Zownir) ging gebückt zu Birol und wollte ihm etwas ins Ohr flüstern. Er hielt das Manuskript in der Hand und schien ihn auf eine Stelle hinweisen zu wollen. Birol hatte sich schon in Stellung gebracht, offensichtlich wusste er, um was es gehen würde und schnauzte (für das Publikum hörbar): das ist meine Bühne, ich bin der Interpret. Er stand auf, und der Autor machte kehrtum, zurück in den Saal. Vor mir, hinter mir, neben mir, überall Tuscheln. Nur FM Einheit musizierte unbeirrt.
Zehn Minuten später, Birol las längst wieder, wurde der Autor vorne wieder unruhig, zappelte, dann stand er wieder auf und lief zur Bühne, schlich sich seitlich heran und wollte Birol ins Ohr flüstern. Während Birol las, wohlgemerkt. Diesmal platzte Birol der Kragen und es wurde bei laufendem Mikro eine ziemlich laut geführte Grundsatzdiskussion ausgetragen. FM Einheit ließ die Musik sein, brachte ja nichts, es wurde geschubst und Schlichter gingen zur Bühne, die beiden Protagonisten stiegen herunter und verhandelten weiter über Grundsätze, die Schlichter gingen ans Mikrophon und kündigten eine Pause an, während Birol laut maulend, sich seitlich ins Publikum saß. Das Publikum beklatschte Birol.
Jetzt war Pause. Ich sagte den Satz ganz oben, ich sagte: Eigentlich wollte ich vorschlagen, zur Pause die Vorstellung zu verlassen.
Man stimmte mir zu, grottenschlechte Vorstellung, grottenschlechter Text. Aber — wir waren uns auch ganz schnell einig: man konnte, gerade jetzt, doch nicht so einfach gehen (Ausrufezeichen). Würde es ein Happy End geben, würde es eskalieren? Wir waren vermutlich sensationsgeil, wir holten uns Drinks und gingen gespannt in die zweite Halbzeit.

III.

  In der zweiten Halbzeit gab es natürlich weder Versöhnung noch eine Eskalation, dafür war die Vorstellung aber noch viel schlechter als davor, nicht nur schlecht, sondern Langweilig außerdem. Solche Sensationsgeilheit gehört aber bestraft, das war also schon okay.

[das mit dem Ballbesitz]

Übrigens: der junge Mann, der bei Fußballübertragungen den Ballbesitz der Mannschaften zählt, sitzt üblicherweise still in einer Ecke in der VIP-Lounge und hält eine hölzerne Schachtel mit einem kleinen Hebel, den er mit den Fingern bedienen kann, zwischen seinen Knien. Er schaut konzentriert dem Spiel zu, schaltet den Hebel nach links, wenn der Ball beispielsweise bei Dortmund liegt, und schaltet den Hebel nach rechts, wenn Arsenal am Ball ist. Dieser Hebel ist mit dem zentralen Computer der jeweils rechtehabenden Fernsehgesellschaft verbunden, der wiederum die Zeit mitzählt, die der Ball beim jeweiligen Team verbleibt und per Knopfdruck, in Echtzeit, die Prozentanteile des Ballbesitzes auf die dafür vorgesehene Fläche des Fernsehbildschirmes darstellen kann. Die beim Schalten auftretenden Ungenauigkeiten werden von der Fifa, der UEFA oder dem DFB in Kauf genommen. Es lässt sich nicht vermeiden, dass der junge Mann in seiner stillen Ecke, beim konzentrierten Zusehen den Emotionen verfällt, wenn er möglicherweise den Ball bei Mannschaft A erwartet, dieser aber von der Mannschaft B überraschenderweise abgenommen wurde, bevor der junge Mann dies auch emotional verinnerlicht hat. Zudem lässt sich nur schwer vorher feststellen, wenn beispielsweise ein langer Pass, den angespielten Mannschaftskollegen verfehlt und in Besitz der gegnerischen Mannschaft gelangt. Es wurde von den offiziellen Fußballorganen auch noch nicht festgelegt wem der Ball in dieser luftleeren Zwischenzeit tatsächlich gehört. Man vertraut hier sozusagen dem korrektiven Verhalten des Mannes mit der hölzernen Schachtel, wenn er seinen Emotionen folgt.

[vorgestern also]

Die Popkultur auch, als vorgestern Rambo II im Fernsehen lief. Ich habe den Film als elfjähriger zum ersten mal gesehen und war sehr angetan von der Figur dieses einsamen Wolfes, der meine ersten pubertätsbedingten, persönlichen Rückschläge mit dem Pathos und dem Selbstmitleid des geschlagenen Hundes perfekt zu spiegeln wusste.
Zudem hat Rambo II zu meiner Bildung beigetragen. Das Gespräch mit der vietnamesischen Geheimagentin auf dem Piratenkutter, das meinen Wortschatz erweiterte, als sie Rambo mit einem etwas dämlich platzierte französischen Akzent nach dem Glück fragt: »Und was ist mit Dir?« »Ich bin entbehrlich.«
Sie wieder: »Was bedeutet… entbehrlich?« Rambo spielt mit seinem Rambomesser und sagt: »Entbehrlich bedeutet, wenn man auf einer Party eingeladen wird und man nicht hingeht. Und keiner merkt es.«
Er lächelt wie ein gepeinigter Hund, sie schaut nachdenklich übers Wasser. Seitdem weiß ich, was entbehrlich bedeutet, und seitdem muss ich immer an diese Szene denken, wenn ich irgendwo dieses Wort lese.
Meine Deutschlehrerin wollte einmal die Klasse herausfordern und die intellektuellen Vorteile von Büchern gegenüber des Fernsehens hervorheben. Sie stellte der Klasse die eher rhetorisch gemeinte Frage, wo wir denn jemals im Fernsehen etwas für unsere Intelligenz gelernt hätten. Ich hob nichtsahnend meine Hand, und sie machte den Fehler, mir das Wort zu gestatten. Ich sagte: Rambo II. Ich hätte da das Wort »entbehrlich« gelernt.

Ich habe den Film wieder geschaut. Es war ein interessanter Spaziergang in meine Pubertät. In der Werbepause lief der Trailer der neuen »Es« Verfilmung von Stephen King. Ich erinnerte mich daran, dass ich das Buch vor zwei Jahren angefangen hatte, weil ich mich mit Stephen King beschäftigen wollte, Mainstream verstehen, ich finde Mainstream ungemein faszinierend, das ist die Totalgegenwart, den Mainstream zu verstehen ist unerlässlich um die Gegenwart zu erfassen. Wobei ich Stephen King trotzdem nicht verstanden habe. Ich kann mich für vieles begeistern, besonders wenn ich eine Sinnhaftigkeit dahinter erkenne, aber »Es« fand ich in weiten Teilen schlicht zu langweilig. Ich hatte vieles befürchtet, aber Langeweile hatte ich nicht erwartet. Möglicherweise liegt es an der Langatmigkeit des Buches, Seitenstränge werden zu weitläufig ausgebaut, die einzelnen Figuren werden mit langen Vorgeschichten aus der Kindheit eingeführt, mühsam wird deren gemeinsame Geschichte aufgebaut. Vielleicht ist der Mainstream (und somit das Publikum) gar nicht so flüchtig und nervös oder auf die schnelle Unterhaltung aus, wie er oft dargestellt wird. Dieses Buch, das ja als eines seiner erfolgreicheren gilt, fordert auf, sich Zeit zu nehmen. Das wirkt unheimlich altbacken. Tröstet allerdings.
K liebte es, wenn ich ihr im Bett aus »Es« vorlas. Sie schlief immer innerhalb weniger Minuten ein. Ich nahm es gelassen, es lag ja nicht an mir, es lag am Buch, wir scherzten, haha, die Langeweile. Nach 400 Seiten stellte ich das Buch wieder weg. Als ich vorgestern also den Trailer in der Werbepause sah, fiel mir ein, dass vor zwei Jahren auch die Dreharbeiten begonnen hatten und ich das Buch eigentlich vor der Veröffentlichung des Films gelesen haben wollte, ich bin manchmal so, bei mir ist alles immer Projekt. Ich holte es wieder hervor. Als K schlafen ging, sagte ich, dass »Es« ins Kino kommt und ich das Buch weiterläse, ob ich ihr daraus vorlesen solle. Sie sagte: »Super, dann schlafe ich wieder schnell ein.«

[nombre sin hombre]

Ahja, warum ich jetzt unter Klarnamen schreibe, ist ganz schnell erklärt: Künstlernamen sind so achtziger.
Das hat nichts mit der gegenwärtigen Klarnamen-Diskussion um Pseudonyme im Netz zu tun, ich finde Nicknames gut und auch die relative Anonymität im Netz. Meinen Nickname habe ich nie wirklich als Nickname gesehen, sondern viel mehr als eine Verballhornung meines richtigen Namens. Mek wurde ich immer schon genannt, mequito kam dann, als ich in Madrid wohnte und der Rest war Gag. Der Seriosität wegen brauchte ich einen Nachnamen für einen Literaturverein, also legte ich mir das Wito zu, weil mir das Pfeifer irgendwie zu Pfeiferig war, zu echt, und vielleicht, weil ich nicht googlebar sein wollte, wobei man auf meiner Arbeit immer mitgelesen hat, und es auch in meiner neuen Arbeit wieder tut, deshalb: worüber reden wir. Vielleicht ist mir ein Klarname irgendwann zu zehnerjahre-mäßig, kann sein, vielleicht gibt man sich dann nur noch Vornamen, mit Ronaldo, Pele, Kaka und mequito in einer Reihe, was weiß ich, egal, aber Künstlernamen sind mir einfach zu achtziger. So einfach ist das.

[…]

Das hat mich damals schon bei Kim Wilde irritiert. Ich liebte Kim Wilde und hatte ein Poster von ihr, auf dem sie Strumpfhose und einen kurzen Rock trug, darüber ein knappes Oberteil, das ihren Bauch freilegte. Dieser Unterschied: unten Strumpfhose, dann Kleidung und kurz darüber ein blanker Bauch.
Das hat mich damals schon irritiert. Gestern auch bei Leslie Feist. Mich irritierte dabei dieser Unterschied in der Bedecktheit. Bestrumpfte Beine sind verhüllt, man hängt aber einem Glauben nach, die Beine zu sehen, durch einen nebelverhangenen Raum vielleicht, die Lichter dimmen runter. Wenn man weiter hochsah, kam dann aber dieser nackte Bauch nach. So blank, ungefiltert. Ich fühlte mich, als hätte man mich aus Träumen geholt, ohrgefeigt. Bei nackten Armen hat es mich nie gestört, auch nicht, wenn eine Frau nichts weiter als Strumpf am Körper trug, aber so hat es mich irritiert. Strumpf – Rock – blanker Bauch. Ohrfeige.

Daran wurde ich gestern erinnert. Aber Feist sang so schön, und es ist mir ohnehin ziemlich egal.

[…]

Ich bin wieder hier. Noch ein letzter Abschied, da.

[posting adieu]

OK, ich bin jetzt wieder zurück. Berlin hat mich sofort wieder geschluckt, ich musste mich um die Dinge kümmern, die in diesen Tagen liegengeblieben waren. Aber es fehlte mir sehr, noch ein paar abschließende Worte zu schreiben. Der letzten Veranstaltung mit Pete und mit dem Chor, habe ich nicht beiwohnen können, Sonntagabend musste ich wieder zurück sein, ich hoffe es war gut, die Fotos vermitteln jedenfalls den Eindruck.

Das Wochenende ist nun vorbei. Danke für die zahlreichen Besuche. Am stärksten Tag haben über 600 Besucher dieses Tagebuch besucht, damit seid ihr sozusagen die am besten besuchte Veranstaltung des Festivals gewesen. Ich werde euch vermissen, ich werde meine Familie vermissen, ich werde Haimo vermissen, Olivia, Sonja, Pete (Danke für das Buch und für die anregenden Gespräche), ein Dank an Hannes (komm mal nach Berlin, ich glaube, das könnte Dir gefallen, Haimo hat meine Adresse), Marco vom Nachtcafe, Paolo natürlich (u.a. auch für die Pappkometen, die Kinder meiner Schwester sind spontan in Weihnachtsstimmung versetzt worden), ein Dank auch der Fotografin Laura Zindaco, und Laura Mautoni (Grazie per la email, LEGGERO le poesie), und ah Peter Holzknecht sowieso, sowie seiner Freundin, deren Namen ich gar nie gefragt habe, und: So. OK. Ich glaube, das wars. Tschüß und Winkewinke.

[exilpost 7]

Exilpost 7

[posting 7 So 23:59]

Was ich noch mitgenommen habe: Paolo mischt Sambuca in seinen Kaffee. Das ist die leckerste Sache der Welt.

#
Ich trage auf langen Bahnfahrten immer weiße Hemden. Weil lange Bahnfahrten so schlauchen. Die Kleider kleben am Körper, die Haare hängen, die Augenlider auch, oder sie schwellen an, die Menschen riechen, man klebt an den Sesseln, man muss sich lospuhlen. Wenn ich bei langen Bahnfahrten ein weißes Hemd trage, dann ändert sich mein Empfinden.

#
Und sonst gibt es nur noch Fetzen Was ich aber noch unbedingt loswerden muss ist die Sache mit dem Hotel, in das wir Paolo unterbringen mussten, mich hat das fertig gemacht, die anderen schienen sich nicht daran zu stören.

Das war so: um halb drei mussten wir von Kastelbell nach Meran, da der Künstler Paolo Caneppeli abgeholt werden musste. Er kam mit dem Zug aus Wien, kennt sich in Meran daher nicht sehr aus. Wir brachten ihn in ein renommiertes Kunst-Hotel, eine ziemlich noble Addresse aus dem Ende der Habsburger-Zeit. Das Hotel war eine Notlösung, da in Meran das Weinfest stattfindet und alle weiteren Herbergen verbucht waren.
Wir betraten jedenfalls das Hotel durch einen sehr schönen und größzügig angelegten halboffenen Treppenaufgang aus Schiefersteinen, gelangten oben in die offene Lobby, flankiert von einer langen Bar aus edlem Holz, daneben erstreckte sich die Terrasse, halb als Wintergarten angelegt, halb im Freien. Die Wände sind mit Gemälden behangen, keine albackenen Leinwände, durchaus okaye Sachen. Paolo checkt ein, ist auch ein wenig überwältigt von der Großzügigkeit des Hauses, er will sich frisch machen, Haimo und ich beschließen einen Drink auf der Terrasse zu nehmen, Sonja kopiert in der Lobby ein Manuskript. Draußen sitzen andere Gäste des Hauses. Das Hotel scheint sich in Kunst zu suhlen, genüsslich, die Kunst lässt Glanz auf die Gäste ab, die Gäste fühlen sich sichtlich wohl in dem Ambiente, geben sich großzügig, bewegen sich langsam und bedächtig durch den Raum, die Luft ist vom edlen Geist der Kunst bereichert. Gut, es gibt sie sicherlich, die Menschen, für die Kunst die Auseinandersetzung ist, für die Kunst das Reiben ist, aber worum geht es letztlich? Warum malen wir die Bilder? Warum hauen wir Metall? Warum schreiben wir die Sachen auf? Warum spielen wir die Musik? Ist der Grund wirklich nur der, dass das alles, was wir Kunst nennen, dass all dieser Mist, den wir auskotzen, kann es sein, dass er einfach nur Glanz auf andere Leute abgibt?