[and the rain came hammering down]

Vorgestern noch meinen Regenschirm in die neue orange Tonne entsorgt. Weil ich noch nie eine orange Tonne hatte und als man sie bei uns im Hof hinstellte, realisierte ich augenblicklich, wie sie meine Sorgen beseitigen würde. CD’s, Elektronik, Textilien, Fasern, Pfannen, Regenschirme. Ich wusste aber nicht, dass mein Regenschirm mein einziger sei. Das weiß ich erst seit dem gestrigen Niederschlag. Vorgestern in die Tonne und gestern stand ich schon im Regen. Ich habe dann in die orange Box geschaut, der Regenschirm war noch da.

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Noch mehr Lebensmeisterung: heute um 7Uhr hätte ich in den Zug nach Schweden steigen sollen. Gestern beim Packen sehe ich dann, dass ich mich beim Buchen des Tickets verklickt habe. Abfahrt erst einen Tag später. Dann hatte ich diesen unerwartet leeren Tag in der Verlängerung, hier in Berlin, den ich mit einem Friseurbesuch und viel Kaffee und einem Buch am Fenster verbracht habe. Draußen hämmerte der Regen. Void. Eine Leere, eine fühlbare, erahnbare Leere, wie ein Raum, ein Tag mit weißen Wänden und dünner Luft.

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And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down

[so sehen wir aus]

Der junge Koch in der Kantine, der immer zu kleine Portionen aufschöpft. Er ist so mager wie seine Portionen, er schöpft Portionen auf den Teller, wie er sie selber haben möchte. Als ich in der Küche gearbeitet habe (lange her), ermahnte mich der Chefkoch stets, die Portionen moderater zu halten, ich solle doch bitte keinen ganzen Stall füttern. Ich sehe auch aus, wie die Portionen, die ich aufschöpfe. Aber ich will nicht mehr zu dem jungen Koch in der Kantine, ich stelle mich immer so in die Schlange, dass ich an den älteren Herrn gerate, der ist rund.

[…]

[gelöscht]. Tröstlich. Vonwegen Trost: in einem Interview hat Wolfgang Herrndorf mal gesagt, dass er in Literatur Trost sucht, dass das in Literatur unabdingbar sei, oder so ähnlich. Das fand ich in seinem Absolutheitsanspruch etwas überdreht, aber tröstlich, dass das nicht nur mir so geht. Oder so ähnlich.

# Die Klagenfurtlesungen. Wir stellen den Fernseher ins Schlafzimmer und bleiben im Bett liegen. Leif Randt verpasse ich, da ich beruflich etwas erledigen muss. Dann mache ich Frühstück. Die darauf folgenden Autoren langweilen uns ärgerlicherweise. Wir sind zerstreut, reden dazwischen, unterhalten uns über das Aussehen der Autoren und krümeln das Bett voll. Ich sehe die Kaltmamsell im Publikum. Ich habe die Kaltmamsell auch letztes Jahr im Publikum gesehen. Sonst erkenne ich nie jemanden, aber die Kaltmamsell erkenne ich immer.
Parallel lese ich auf dem Handy den Hashtag #tddl mit. Ich werde kirre. Was ich über Leif Randt lese, macht mich aber neugierig. Ich lese nach. Der Text hat etwas tröstendes. Vielleicht im Tonfall. Wie man von der Erzählstimme in Vertrauen genommen wird. Aber ich werde eigentümlich sentimental.
Wer vor Ort über die Tage in Klagenfurt schreibt:
Sopranisse
Kaltmamsell
Die ZEIT

# Draußen Wetter.

# Die Görls verlieren das Spiel gegen Japan, ich bin untröstlich. Dass sie auf dem Spielfeld mit den Tränen kämpfen, macht es nicht besser. Es ist so vorbei. Wie sie da mit hängenden Schultern übers Feld gehen, mit dieser Erkenntnis, dass vermutlich gerade der Höhepunkt ihrer Karriere vorübergegangen ist, dass sie als Hauptprotagonisten dieser WM, die als Gradmesser für die Publikumstauglichkeit des Frauenfussballs herhielt, plötzlich nicht mehr im Rennen sind, dass sie vermutlich nie mehr so sehr gefeiert, sportlich so intensiv wahrgenommen werden; das hat mich schon sehr gerührt. Ich sollte vielleicht Leif Randt lesen und mich trösten lassen. Aber das ist natürlich Marmelade.

# Uh, schnell Brötchen holen. Um elf Uhr dreißig werden in Klagenfurt die Preise vergeben.

[jackie]

Wir laufen zum Alex. Ein paar haben die Gruppe verlassen, sie waren müde, der Abend vorbei, wir haben viel gegessen, und viel getrunken; ich bin unschlüssig. Man fragt mich zu bleiben, noch ein paar Drinks, und ein bisschen tanzen, wir träfen Jackie, die Freundin von Peter, sie sei eine umwerfende Frau, neu in Berlin, sie kenne die besten Clubs der Stadt. Peter ist zur Seite gegangen und ruft Jackie an. Ich bin leicht zu überreden und für einen Drink meistens zu haben. Peter kommt zur Gruppe zurück, Jackie sei noch zuhause, sie mache sich gerade hübsch, sie hat ihm die Adresse des Clubs genannt, links vom Alex in nördlicher Richtung. Die Gruppe bewegt sich, ich denke mir, okay, liegt eh in meiner Richtung, ein Drink kann so falsch nicht sein. Derweil redet Erik von Jackie, ich müsse sie unbedingt kennenlernen, man traue es dem Peter ja gar nicht zu, so eine Freundin zu haben, so griesgrämig wie der daherkäme, aber Jackie müsse ich mal gesehen haben. Ich werde neugierig. Niemand kennt den Club, wir wissen nur die Hausnummer. Erinnerungen an geheimnisvolle Eingänge in dunkle Keller werden entstaubt, ich kann mich der Neugierde nicht entziehen. Wir laufen zum Alex, ich unterhalte mich mit den Jungs, die Stimmung ist hibbelig, Erik redet von Jackie, und ehe ich es richtig verstehe, stehen wir bei zwei Türstehern, die mir in die Tasche schauen wollen. Ich gewähre Einblick, in der Tasche pulsiert ein einsames Blackberry. Wir betreten den Club, es ist der zentralste Ort auf der Karl-Liebknecht-Straße, draußen stehen Palmen, der Club wird mit Leuchtschrift beworben, drinnen begießen sich die Menschen mit Cocktails, tanzen ausgelassen, zu populärer, elektronischer Musik. Ich weiß nicht so recht, zur Sicherheit bestelle ich Gin-Tonic, fühle mich sofort altbacken, aber weniger altbacken, als würde ich Bier bestellen. An keinem anderen Ort der Welt würde ich mich altbacken fühlen, aber vermutlich im Ballermann und dort. Die anderen bestellen auch Gin-Tonic, ich bin beruhigt, wir setzen uns hin, ich denke: komisch. Sitzen in Clubs ist eigenartig. Alle Fragen Peter nach Jackie. Peter sagt, sie würde sicherlich bald kommen. Ein Rosenverkäufer schiebt sich an unserem Tisch vorbei. Erik kauf sieben Rosen für Jackie. Er frag Peter, ob er es okay fände, Peter grinst und sagt: ja. Der Mythos ist aufgebaut, ich habe so viele Bilder von Jackie vor Augen, kann mir aber nicht vorstellen wie sie ist, ich lehne mich zu meinem Tischnachbarn und rede mit ihm über Autos. Ich habe noch nie mit jemandem über Autos geredet, nur mit meinem Fahrlehrer, aber ich rede tatsächlich über Autos und sage so Sachen wie: ich werde mir ein Auto besorgen, das sicher auf der Straße liegt. Dann sagt jemand: da ist Jackie. Ich beschließe, mich nicht nach ihr umzudrehen, warte bis das ganze auf mich zukommt, schaffe es dabei aber nicht, nebensächlich über Autos zu reden. Und dann setzt sich Jackie zu uns. Jackie hat mittellange, brünette Haare, ein schlichtes Oberteil, und – sie trägt Jeans. Ich denke: sie ist ein schlichtes Mädchen und trägt Jeans. Ich muss lachen. Wir werden einander vorgestellt, wir tauschen ein paar Nettigkeiten aus, und ein paar Scherze. Der Kellner kommt, sie bestellt ein Weizenbier.