[was schön war, KW33]

Am Freitag war die neue Küche fertig. Als die Handwerker die Wohnung verließen fasste ich die Küche ständig an. Diese neue Küche zu haben ist ein intensives körperliches Gefühl. Ich fasse sie ständig an, streiche über die Oberfläche, betätige die Schubladen, Türen. Samstag früh stand ich auf, ging als erstes in die Küche und blieb erstmal überwältigt stehen. Es ist eine schlichte IKEA Küche, sie war weder teuer noch besonders schön, aber sie gibt diesem Raum, wie soll ich sagen, die nötige Magic. Vermutlich bin ich ihr dankbar und will sie deswegen ständig anfassen.

Freitagabend spät. Auf dem Nachhauseweg in der UBahn. Meine zwei Freunde aus Südtirol und ich setzen uns in die abfahrbereite Bahn. Sie fährt erst in acht Minuten. Ich sage: Child in Time dauert acht Minuten. Die eine summt die Melodie, der andere singt “Sweet Child in time, you’ll see the line”, wir alle machen: tumm tumm tuuuu und später: aaaaaahh, aaaaah, aaaaah. Wir reden acht Minuten lang über Deep Purple. Dieses angetrunkene und völlig übermüdete Schwelgen in sowas wie einer Erinnerung, die weniger eine Erinnerung ist, sondern ein erinnertes Gefühl über ein Lied, eine Band, das man vor zwanzig Jahren gehört hat, das Gefühl, das mich an Sand erinnert, Sand und Staub.

Der Küche versprochen, sie sauber zu halten.

Samstagabend haben die Handwerker dann das Bad (voraussichtlich) zu Ende gemacht. An der Seite sind die Fliesen jetzt ein bisschen abschüssig. Kann man plätschern so viel man will, kommt alles wieder zurück in die Wanne.

Lustig auch: Child in time dauert zehn Minuten.

[was schön war. die letzten drei Wochen]

Das wöchentliche Update hat aufgrund von Reisen nicht geklappt. Der Zeitraum also über drei Wochen. Was in den letzten drei Wochen also schön war:

Das erste mal mit dem Auto eine lange Reise unternommen. Berlin -> Göteborg. Elf Stunden. Vier davon alleine. Die letzten Stunden durch Schweden, körperlich verausgabt, eigentlich müde, aber mit dieser seltsam magischen Energie dieses Ziel in hunderten Kilometern Entfernung erreichen zu müssen, bei lauter Musik, singend, überholend, Snickers essend durch Wald, Dörfer, Küstenabschnitten. Sowas wie Jakobsweg auf vier Rädern. Ich habe ja durchaus Sympathie für Pilgerwanderungen, ich kann mir das gut vorstellen, dieses Meditative, Tranceartige beim repetitiven Gehen durch die Landschaft, ich kann bei sowas ungemein klar denken, ich glaube deshalb beten die religiösen Leute, weil sie ohne Trance nicht klar denken können und zu faul sind zu Laufen, ich bin keineswegs religiös, aber ich liebe diese Trance. Es war eine Pilgerfahrt.

Das erste mal in 2016 ein Systembolaget betreten. Das Systembolaget ist die Ladenkette in der man in Schweden Alkohol kaufen darf. Es bereitet mir jedes Jahr Freude, das erste mal wieder ein Systembolaget zu betreten. Diese kleine, isolierte Welt in der sich die Flaschen reihen, Hallen des Spezialinteresses, diese riesige Auswahl, die Getränke nach Gattung und Stilen sortiert, ich kaufe mich regelrecht durch die Bierstile hindurch, Stout, Weizen, IPA, Pale Ale, Pils, Amber etc. bis zum umfallen und stehe dann an der Kasse mit dutzenden unterschiedlichen Bierflaschen die die Kassiererin alle einzeln scannen muss, dann ihr obligatorischer, prüfender Blick ob ich alt genug und noch nüchtern bin. Dieses Stigma auch, mit dem man danach den Laden verlässt mit den werbungslosen, undurchsichtigen Platiktüten. Ich liebe das wirklich.

Þ

In Schweden Sachen mit Gagelstrauch gemacht. Das mag auf den ersten Blick nicht wie etwas schönes klingen, das war es aber. Aus folgendem Grund. Ich bin ja Bierliebhaber. Nicht Liebhaber der Biere, die man üblicherweise in den Supermärkten kauft, sondern von richtigem Bier, handgemacht, unfiltriert, von Bier das wieder Aroma hat so wie es offenbar früher war bevor die böse (BÖSE) Industrie kam und alles gleich hat schmecken lassen. So. Ich bin also ein Fan von richtigem Bier, nicht von Industriebier. Wenn man so viel (richtigem) Bier hinterherhechelt wie ich das mache, gerät man unweigerlich irgendwann an alte Rezepturen, alten Stilen, so war es im Mittelalter lange modern das Bier mit Gagelblättern statt mit Hopfen zu würzen. Eine kleine berliner Brauerei braut regelmäßig solches Bier, das habe ich mal in einer Kreuzberger Bar getrunken und fand das wirklich sehr gut und erfrischend.
Als mir mein Schwiegervater erklärte, dass unten beim Fluss Gagelstrauch wächst war ich natürlich nicht mehr zu halten.
Ich dachte Gagelblätter in schlechtes Bier einzulegen. So für den Beginn, sozusagen billiges Bier aufzupimpen. Aber wenn die Kohlensäure entflieht, ich meine, das muss man schon ein paar Tage lagern, dann wird das nix, deshalb ging ich erst nur pflücken und prüfen ob da genug Gagelsträucher für mein künftiges Brauimperium wachsen.
Der Schwiegervater meinte, man könne das auch 48 Stunden in Branntwein einlegen, dann hätte man eine Essenz, die man später zum Würzen von Schnaps oder anderem (Kaffee? Thee? Bier?) hinugeben könne. Das haben wir dann gemacht. Die Sträucher zerpflückt und in eine Branntweinflasche gestopft.
Ich kann dem Einlegen von Dingen durchaus etwas abgewinnen. Diese seltsame Kräuterweibleinromantik, wenn sie am Feuerloch sitzen und Flüssigeiten in Gläsern gießen die sich über den Winter halten müssen. Ich konnte aber nie etwas mit den Inhalten anfangen. Marmelade, Saucen, Gewürzgemüse und der ganze Kram, ich esse das gerne. Aber erst wenn Alkohol ins Spiel kommt wird das ganze magisch.

я

Zurück nach Berlin und so gut wie gleich weiter nach Südtirol zur Hochzeit von zwei alten Freunden. Also, was schön war. Eine Hochzeit von alten Freunden hat sehr viel Potential schön zu sein. Das meine ich ernsthaft. Ich mag das, wenn sich Tanten und Onkeln rumtummeln und alle aufgepimpt herumlaufen. Wir verbrachten einen ganzen Tag zwischen Meran und Sirmian bei Sekt, Essen, Wein und Bier. Abends sind wir in den Weinkeller und haben bis vier Uhr morgens getanzt und danach noch mit meiner schwester und ihrem Mann durch die lauschige Meraner Nacht nach hause spaziert. Viele alte Freunde getroffen, die mir immer noch wichtig sind und einige neue schöne Bekanntschaften gemacht. Dieses Gefühl am nächsten Tag aufzuwachen und einen sehr intensiven, schönen Tag gehabt zu haben.

Was in drei Wochen schön war zusammenzufassen geht nicht so wie ich es mir vorgestellt habe. Es bilden sich lediglich so etwas wie größere Highlights heraus. Ich muss die Abstände verkürzen.