[woran ich mich erinnern will. zweite Junihälfte / erste Julyhälfte]

Zuerst war ich eine Woche in Amsterdam. Meine neue Firma hat ein großes Büro im Zentrum der Stadt. Ich war schon seit drei Jahren nicht mehr in den Niederlanden, ich freue mich darauf, dass ich da nun alle paar Monate hin muss. An einem der Tage sind wir stundenlang mit dem kleinen Motorboot der Kollegen auf den Grachten herumgetuckert. Es war einer der ersten richtig sonnigen Sommertage. An der Hafenbucht am Omval tummelten sich hunderte kleine Boote mit Menschen die sich der Sonne auslieferten. Auch wenn ich Sonnenhitze eher meide: das war schon sehr schön. Außerdem weht draußen auf dem Wasser immer ein leichter Wind. In weiser Voraussicht wurde vorher eine Sonnencreme mit dem Schutzfaktor 50000 herumgereicht.
Ja, gearbeitet haben wir auch.

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Ich sehe ja eher un-arisch aus. Trotzdem bin ich so ein Mittelding. Ich kann einen Schawarmaladen betreten und man spricht mich auf arabisch an, wenn ich in ein Restaurant in P’Berg gehe, redet man deutsch mit mir. Es hängt oft von meiner Kleidung ab, oft von der Länge des Bartes, oft von der Begleitung, deren Ethnie auf mich abfärbt.
An gewöhnlichen Tagen spielt das keine Rolle. Beruflich hat mir mein teutonischer Name allerdings immer die Wege geebnet.
An ungewöhnlichen Tagen spielt das aber wiederum eine Rolle. Oft ist das an Flughäfen der Fall. Wenn ich etwas derangiert vom Reisen die Staatsgrenzen passiere, mit viel Haar im Gesicht, mit zerknittertem Tshirt, mit freigelegten Tätowierungen. Ich werde immer wieder von Polizisten herausgefischt.
Ich sehe sie immer schon von Weitem, wie sie sich das Zeichen geben. Augenzwinker, kurzes Nicken, ja, den da, den fischen wir raus.

  • Hallo sprechen Sie deutsch
  • Ja
  • Können Sie sich ausweisen?
  • Ja
  • Wo kommen Sie her?
  • [ich nenne ein Herkunftsland]
  • Aha, italienischer Pass. Was machen Sie in Deutschland?
  • Ich wohne hier
  • Warum sprechen Sie so gut deutsch?
  • Ich spreche seit 45 Jahren deutsch
  • Warum haben Sie einen deutschen Namen?
  • Ich komme aus Südtirol, da haben alle deutsche Namen
  • Nasowas, wirklich?
  • Ja, wirklich
  • Was machen Sie beruflich?
  • Ich leite eine Firma
  • Ach wirklich?
  • Ja wirklich

Polizist gibt mir meinen Pass zurück

  • Es tut mir leid

Es rutscht ihnen fast immer heraus, dieses entlarvende “Es tut mir leid”. Sie wissen alle, wie abfällig sie mich vorher betrachtet haben. Und danach tut es ihnen leid, weil ich doch “einer von ihnen” bin und so denken sie ja, in diesem Wir-und-Die Muster. Und genau das ist Rassismus. Das “wir” und das “die”.

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Die einen sind Expats, die anderen sind Ausländer.

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Ich glaube, ich kaufe mir ein Lana del Rey Tshirt.

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Wir hatten viel Besuch in den letzten zwei Wochen. Letztens waren mein Vater, meine Schwester und mein Neffe da. Ich war Sohn, Bruder und Onkel in einer Person. Und natürlich Ehemann. Und Edeka-Kunde. Irre.

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Die Mohrenstrasse müsste man ja in Möhrenstrasse umbenennen. Das wäre eine charmante Geschichte, die man sich auch in 100 Jahren noch erzählen kann. Dass man mal eine Straße albern umbenannt hat weil man nicht abfällig über andere Menschen sein wollte.

(Ich gebe aber zu, dass George Floyd irgendwie gedenkt werden muss, aber diese neuerdings oft verwendeten “Vorname-Nachname-Straße” kommen mir immer so hölzern daher. Floydstraße fände ich wiederum ganz okay, auch wenn meine Assozation hier eher bei Pink Floyd läge und weniger bei einem Opfer von rassistischer Gewalt.)

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Bartshampoo. Bartmanie. Bartshampoo braucht natürlich kein Mensch. Außer man will nicht mehr ohne. Ursprünglich war es nur ein Scherz, als mir K einmal Bartshampoo schenkte. Es ist natürlich wichtig, den Bart ordentlich zu waschen. Seit Hägar wissen wir, wie viele Geheimnisse Bärte mit sich herumtragen. Sabber im Schlaf, Bier, Kaffee, Saucen, Oralsex, Ausdünstungen die aus der Nase kommen. Ich muss zugeben es in meiner Prä-Bartshampoo-Ära nicht ganz so strikt genommen zu haben. Seit ich dieses nach Zedernholz riechende Bartshampoo geschenkt bekommen habe vergesse ich meinen Bart aber nicht mehr. Vor allem weil ich mich jedes mal freue, diesen Geruch genüsslich in meinen Bart zu massieren. Bartmanie ist eine Marke aus Bremen. Eigentlich vertraue ich meinen Bart nur Hipstermetropolen wie New York, Portland, Oslo oder Berlin an. Deshalb habe ich lange mit mir gerungen. Ich habe es mir jetzt so zurecht gebogen: wenn etwas von der See kommt ist es OK. Profi-Tipp: da wir uns neuerdings ständig die Hände waschen, kann man sich zur Abwechslung einfach mal tagsüber den Bart waschen. Die Hände waschen sich selbstständig mit.

Duschgel. Vulkanwasser. Das ist ein Duschgel und heißt mit vollem Namen “Vulkanwasser, Aktivkohle, Hanf, Oud, Tabak”. Es ist von Tetesept und kostet nur wenige Euro, also in der Preisklasse normaler Duschgels. Das Vulkanwasser unterscheidet sich aber sehr von allen anderen Duschgels die ich kenne. Zum Einen ist es tiefschwarz und lichtundurchlässig, insofern legt es bereits einen cineastischen Auftritt hin wenn man es in die Hand fließen lässt. Außerdem riecht es unfassbar gut nach weichem Samt und den Nebeln an Islands schwarzen Vulkanstränden. Während ich das so schreibe und danach google, lese ich soeben, dass das Produkt eingestellt wurde. Jetzt bin ich maßlos enttäuscht. Glücklicherweise habe ich noch eine Tube aus meiner letzten Massenbestellung. Es ist die Letzte. Bin jetzt schlecht gelaunt.

Pomade. Uppercut Deluxe. Für die alltägliche Frisur. Weil mir das Cover das Gefühl gibt den inneren Tiger in mir zu entfesseln. Außerdem ist die Pomade mit Wasser auswaschbar, anders als die fettbasierten Pomaden, die sich sogar nach mehrmaligem Waschen immer noch nicht ausgewascht anfühlen. Uppercut Deluxe riecht ganz leicht nach Kokos und Mandeln. Und hält die Frisur auch bei einer dreißigminütigen Fahrradfahrt schnittig wie eine französische Zwiebel. Sie härtet allerdings etwas aus und ist daher nicht so formbar und geschmeidig wie die originalen Pomaden.

Pomade. Sweet Georgia Brown. Für wenn die Nächte dunkel und lang sind. Sweet Georgia Brown wird seit 1934 in Chicago hergestellt. Und genau so fühlt sie sich an. Als führe man mit einem gepanzerten Cadillac durch Chicago, also weich und geschmeidig. Sie riecht nach Honig und süßen Orangen. Für längere Haare ist sie vielleicht nicht fest genug. Aber mit kürzeren Haaren entflammen sich die Zigarren dann ganz von alleine.

Pomade. Nordmann Donar. Für die Nächte unten am Hafen, wenn die Frisur eigentlich Schiffsdiesel braucht. Wenn ich morgens die Nordmann Donar ins Haar gebe und am Abend in die Bar gehe, kann ich mir mit der bloßen Hand den Scheitel auf die andere Seite legen und die Frisur bleibt weitere zwölf Stunden so bis zum Morgengrauen. Das ist der wesentliche Unterschied zu den Wachsen. Ein Wachs bleibt zwar auch weich und härtet nicht, Wachse bringen das Haar auch gut in Form. Aber die Frisur bleibt danach die Frisur die sie geworden ist. Und wenn sie im Laufe der Nacht zu hängen beginnt, dann ist das eben die Frisur die sie geworden ist. Eine gute, kräftige Pomade wie die Nordmann Donar, hält das Haar wo es sein soll und mitten am Tag kann man die ganze Frisur aber komplett auf 180 Grad drehen. Nur mit der Hand oder auch mit einem Kamm. Mich hat das sehr beeindruckt. Und weil ich eigentlich ja ein Seemann aus dem neunzehnten Jahrhundert bin und kein Tran von Walen mehr in mein Haar schmieren kann, bin ich bei der Marke Nordmann ganz gut aufgehoben.

Parföng. Russian Leather von Molton Brown. Ich habe ja lange nur Düfte von Korres verwendet, weil Korres eine ziemlich korrekte Marke ist, die kaum Syntetik verwendet. Nachdem aber mein Lieblingsparfum von Korres eingestellt wurde, habe ich mir ziemlich miesgelaunt einfach andere Gerüche angelächelt. Als ich meiner Nase das Fläschchen von dem Russian Leather vorführte, war mein erster Gedanke: Whisky. Der Gedanke herumzulaufen und bei Leuten die Assozation zu Whisky zu wecken, gefiel mir ungemein, außerdem wollte ich immer schon Mal riechen wie ein torfiger Whisky von der schottischen Westküste. Und so kaufte ich die Flasche. Anfangs war ich mir aber unsicher ob es schlau ist, mit einem kantigen Geruch daherzukommen, ich meine, wenn mich der Geruch eines Menschen abstößt, dann habe ich eine nachhaltige Abneigung gegen diese Person. Das betrifft zwar nur Körpergeruch, also der Geruch der Ausdünstungen oder wasweißich. Ob ich Menschen auch aufgrund eines gewählten Geruches nicht mag, weiß ich nicht. Andererseits: wer nicht gerne seine Nase in eine Whiskyflasche steckt, sollte vielleicht nicht mit mir befreundet sein. Mittlerweile habe ich aber festgestellt: das ist der beste Parfumgeruch den ich je gerochen habe. Und ich habe bisher fast alle Menschen zu Whiskyfreundinnen gemacht. Das Russian Leather gibt es in zwei ziemlich unterschiedlichen Varianten. Es gibt das Eau de Toilette, das viel rauchiger riecht und als Männerduft konzipiert ist. Das Eau de Parfum ist ein Unisex-Duft und hat weniger Kanten, ist allerdings filigraner und riecht komplexer. Das Eau De Toilette finde ich aber auch für Frauen wesentlich spannender. Viel geradliniger. Total toll.

Dass mein geliebtes Vulkanwasser abgeschafft wurde macht mich jetzt aber wirklich schlecht gelaunt.