[Donnerstag und Freitag, 14./15.10.2021 – Trinken im Südwesten und alte Freunde]

Donnerstagabend war ich mit Fanclubfreundinnen im „Fränkys“ in Friedenau. Die erste der Kneipen, die während Corona von der Aktion Herthakneipe unterstützt wurden. Aktion Herthakneipe war eine Initiative, in der u.a. mein Fanclub involviert war, mit der an Wochenenden oder an Spieltagen online Zoom-Meetings abgehalten wurden, em eine Herthakneipe zu simulieren. Für jedes Bier, das die Anwesenden tranken, bezahlte man das Äquivalent des Preises in der Kneipe auf ein Paypal Konto ein. Die Tageseinnahmen wurden dann jeweils ausgewählten Herthakneipe überwiesen. Fränkys war der erste.

Die Initiative war sehr erfolgreich und brachte vor allem Herthafans außerhalb Berlins zusammen.

An dem Abend ass ich eine riesige Kohlroulade. Sie war so groß wie mein Unterarm. Glücklicherweise bestand sie aber größtenteils aus Kohl. Ich war in dem Moment so verfressen. Nach der Kohlroulade ass ich noch mindestens ein Viertel des Flammkuchens meiner Tischnachbarin auf, die diesen wegen versehentlich verstreuten Speckwürfeln nicht mehr aufaß. Als der Flammkuchen aufgegessen war, hätte ich am liebsten noch einen ganzen bestellt.

Vom ersten „ich werde bald mal gehen“ bis zum tatsächlichen Aufsperren der Haustür vergingen etwa drei Stunden. Ich schreibe das gerne dem Südwesten Berlins zu. Alles im Südwesten Berlins ist so weit weg von allem. Vor allem von meiner Wohnung. Es wurde allerdings auch noch Mampe eingeschenkt und noch ein kleines Bier und dann noch ein kleines Bierchen.

Am nächsten Morgen war mir schlecht. Richtig schlecht. So schlecht, dass ich nicht den Tagebucheintrag schreiben konnte. Nach vier Stunden Schlaf blieb ich wach, und hing mehrmals mit dem Kopf über der Kloschüssel. Dabei hatte ich gar nicht so viel getrunken. Es muss etwas anderes gewesen sein. Ich nahm kein Frühstück zu mir, es wäre nicht im Magen geblieben, schlafen konnte ich auch nicht mehr, so fuhr ich einfach ins Büro. Das letzte Mal, an dem ich ohne Frühstück oder mindestens einen Kaffee, in den Tag gegangen bin, war ich bestimmt noch ein Teenager.

Gegen 11 Uhr versuchte ich es mit einem Kaffee. Er blieb drin. Danach begann es mir besser zu gehen.

Am Abend waren meine Frau und ich mit einem lange befreundeten Paar verabredet. Sie sind vor einigen Jahren nach Minden gezogen und seitdem sehen wir uns nicht mehr so oft. Während Corona zoomten wir einige Male miteinander und wir schmiedeten Pläne, sie in Ostwestfalen zu besuchen, allerdings wollte es bisher nicht klappen.
Wir trafen uns in der Markthalle unterm Pfefferberg an der Schönhauser Allee. Ich beschrieb den Ort bereits vor einigen Wochen. Ich ass wieder diese umwerfenden Tacos als Vorspeise und danach teilte ich mir mit meiner Frau eine Pizza vom Salami Social Club.

Mit den beiden verbrachten wir vor etwa 10 Jahren das schönste Silvester meines Lebens. Das war auf Amrum. Es war Sturm, es schneite, ganz Norddeutschland war im Schnee versunken, die Fähre nach Amrum, die wir eigentlich nehmen wollten, fiel aufgrund der Wetterbedingungen aus. Aber es fuhr an dem Tag noch eine. Die nahmen wir dann und es sollte die letzte Fähre für die nächsten beiden Tage bleiben.

Danach waren wir 4 Tage auf Amrum eingeschneit. Dicke Eissschollen stapelten sich am Strand auf, wir liefen über diese meterhohen Schollen. Wenn ich das heute jemandem erzähle, dann glaubt das ja niemand. Wie jetzt Eisschollen in der Nordsee sowas gibt es ja gar nicht. Ich werde heute oder morgen die Fotos dazu raussuchen. Das war nämlich wirklich so.

[Mittwoch, 13.10.2021 – lange Hosen, Player of witches and bitches]

Heute also wieder eine lange Hose angezogen. Das gute an langen Hosen ist, es sieht halt besser aus. Ich fühle mich angezogener, weniger wie ein Tourist in Südeuropa.

Und was war sonst so los? Nichts wirklich erwähnenswertes, ausser, dass die Themen auf der Arbeit wieder richtig flutschen. Das ist ein ärgerliches auf und ab. Montag: schlimmer Tag. Dienstag: ein richtig guter Tag. Heute war der Tag wieder richtig gut. Morgen kann wieder alles am Boden liegen. Das kostet so viel Kraft. Es macht aber auch Spass, muss ich zugeben.

Am Abend wollte ich endlich die zweite Staffel von Ted Lasso beginnen. Haben wir dann gemacht. Hannah Waddingham. Woah. Ich bin ja wieder totaler Fan. Muss mal schauen, ob die auf Insta oder Twitter ist (Ja, ist sie. Geadded). Sie nennt sich „Player of Septas, Witches, bitches & loving it“.

[Dienstag, 12.10.2021 – das letzte Mal kurze Hosen, das Dramolett namens Herthabsc]

Okay, heute habe ich im Büro das erste mal ein bisschen gefroren. Fürs Protokoll. Tagsüber. Nicht morgens beim Radfahren, sondern, wenn ich den ganzen Tag etwas untätig herumsitze. Die Vorderseiten meiner Unterschenkel wurden kühl. So kühl, dass ich dachte, eine Omadecke wäre jetzt angenehm.

Morgen ziehe ich also wieder lange Hosen an. Das war die Saison der kurzen Hosen. Sie endet mitte Oktober. Jetzt bin ich gespannt, wann sie im nächsten Jahr wieder beginnt.

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Die neue Staffel des Dramoletts namens Herthabsc erreicht ständig neue deprimierende Wendungen. Zuerst beschwert sich der Investor seit Tagen öffentlich in den Medien und schafft eine unmögliche Unruhe in diesen sportlich schlechten Zeiten und heute wurde die Vertragsauflösung des vorsitzenden Geschäftsführers Carsten Schmidt bekanntgegeben. Immerhin aus privaten Gründen und nicht, weil er die Hoffnung bei Hertha aufgegeben hat. Carsten Schmidt war für mich einer der großen Hoffnungsträger im Verein. Auch wenn er wenig direkten Einfluss auf den sportlichen Erfolg hat, so war er doch derjenige, der nach Innen eine ganz andere Tonalität gesetzt hat und Schwerpunkte auf Themen legte, die bisher eher vernachlässigt wurden. Wie bespielsweise der Schulterschluss mit den Fans und Vereinsmitgliedern, die Würdigung der vielen sozialen Aktionen der Fans, etc.

In den letzten Jahren hatten sich Fans und Mitglieder ihren Verein wieder ein Stück weit zurückgeholt, durch Carsten Schmidt bekam das noch einmal eine neue Dynamik. Das tröstete auch einigermaßen über die sportlichen Misserfolge hinweg. Jetzt streiten sich Milliardäre und Millionäre. Das ist so überhaupt nicht Hertha.

[Montag, 11.10.2021 – sieben Grad, unscharfe Welt]

Jetzt kommen wir langsam in den Bereich der Temperaturen, bei denen ich Protokoll führen muss. Ich frage mich, wie lange ich noch mit kurzen Hosen in die Arbeit fahren werde. Ich dachte immer, zehn Grad wäre so etwas wie eine magische Grenze für die Beinfreiheit. Heute früh mass es sieben Grad und es gab ein bisschen Nieselregen, deswegen dachte ich, heute wird der Tag, an dem ich beschliessen werde, dass sieben Grad definitiv zu wenig sind. Es gibt in den Übergangsaisons ja immer diese Tage an denen man zu kühl oder zu warm angezogen ist, wo man sich vornimmt, am nächsten Tag mehr oder weniger anzuziehen.
Aber heute stellte sich heraus: sieben Grad ist immer noch angenehm. Obenrum trage ich bereits eine gefütterte Steppjacke, untenrum eine kurze Hose, die sogar meinen halben Oberschenkel freihält. Ich frage mich langsam, ob ich da unten vielleicht keine Nerven habe.

Sieben Grad also. Fürs Protokoll.

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Mittlerweile laufe ich oft mit Lesebrille durchs Büro, weil ich zu faul bin, mir ständig die Brille abzunehmen. Interessanterweise braucht man Augen für das nähere Sehen wesentlich öfter als für das entfernte Sehen. Man kann sich relativ sicher durch eine unscharfe Welt laufen, aber in der Nähe werden unscharfe Gegenstände ziemlich sinnlos. Das funktioniert natürlich nur in Innenräumen, mit denen man einigermaßen vertraut ist, aber es ist dennoch eine interessante Erkenntnis. Jaja, kurzsichtige Menschen kennen das alles sicherlich. Für mich ist das aber neu.

Man kann gut durch eine unscharfe Welt laufen. Ein Satz wie eine Metapher.

[Sonntag, 10.10.2021 – Goliath]

Immer wenn ich „Goliath“ schaue, bin ich nachher ein bisschen in Billy Bob Thornton verliebt. So richtig wahrgenommen habe ich ihn erst seit Fargo, wo er in der ersten Staffel den Auftragsmörder spielt. Das war 2016. Bald danach kam Goliath. Beide gehören zu den besten Erzählungen, die ich je auf einem Fernseher gesehen habe.

Die ganze vierte Staffel geschaut. Es ist vermutlich die Letzte. Ich werde mir jetzt ein paar ältere Sachen von ihm ansehen. Er ist aber auch wirklich cool gealtert. Als junger Kerl wirkt er wie ein, nunja, junger Kerl. Als älterer, etwas gebrechlicher, magerer Mann hingegen, geht eine unfassbar einnehmende Ruhe von ihm aus. Besser hätte man diesen Anwalt, der sich mit einem übermächtigen Gegner anlegt, nicht darstellen können.

[Samstag, 9.10.2021 – Speck vergessen, REAKTION, Dune]

Ich habe doch tatsächlich vergessen, dem Carepaket das Fleisch hinzuzufügen. Den Speck und die Kaminwurzen legte ich vor zwei Wochen vorsorglich in den Kühlschrank. Obwohl eine Kühlung nicht unbedingt vorgeschrieben ist, weiss man bei Fleisch ja nie. In der Hektik der Übergabe vergass ich nun das Fleisch.
Ich schrieb Irene an, ich schrieb das Mädchen an. Aber jetzt war das nun mal so. Ich sollte das ganze Fleisch behalten.

Ehrlicherweise kann ich mit Speck und Kaminwurzen durchaus etwas anfangen. Wir werden demnächst einfach Freunde einladen.

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Heute kam ein Buch namens REAKTION. Das Buch vom Zentrum für Politische Schönheit. Eine Zusammenfassung der letzten 12 Jahre. Es ist dick und schwarz und ist mit wenigen Grossbuchstaben bedruckt. Ein monumentales Buch und so schwer wie ein mittelgroßer Holzblock.
Meine Frau ist seit Jahren Supporterin des ZPS. Sie knallte es mir auf den Schreibtisch. Schau her.
Ich will ja alle unsere Bücher abschaffen, wir haben schlichtweg zu viele Bücher, ich kann Bücherschränke nicht mehr ausstehen, aber so ein Buch, für so ein Buch ließe ich schon einen Bücherschrank stehen. So ein Buch ist aber auch eher ein Möbelstück und weniger ein Buch.

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Apropos dicke Bücher. Ich suchte heute in den Bücherregalen nach „Dune“. Mir kam vor, ich hätte vor einigen Jahren eine gebrauchte Kopie von Dune gekauft. Die Geschichte über den Wüstenplaneten intrigierte mich immer schon, ausserdem finde ich es spannend, wenn Bücher als unverfilmbar gelten. Da ich ein Erzähler bin, will ich verstehen, welche Ebene einer Erzählung, die Verfilmbarkeit wegnimmt. Aus diesem Grund kaufte ich vor einigen Jahren Dune. Dass Dune gerade in den Kinos läuft und die Verfilmung als ziemlich gelungen empfuden wird, ist natürlich sehr interessant. Mein Plan war daher, Dune zuerst zu lesen, dann die misslungene Lynch-Verfilmung zu schauen, dann die gefloppte Serie und vielleicht auch jene Doku über eine der bekannten Nicht-Verfilmungen von Dune. Ausserdem soll Dune demnächst als Serie produziert werden.

Aber. Ich finde das Buch nicht. Wie gesagt. Wir haben zu viele Bücher. Und die meisten Regalreihen sind Doppelreihig. Hinter den Büchern legen wir immer die hässlichen Bücher. Oder die peinlichen Bücher. Es kann gut sein, dass Dune irgendwo dahinterliegt. So findet man natürlich nie wieder etwas.

[Freitag, 8.10.2021 – Carepaket aus Südtirol]

Ich habe ja dieses Carepaket aus Südtirol mitbekommen. Für eine Freundin von Irenes Tochter.
Das Carepaket enthält einen Geschenkkorb mit tollen Marmeladen, Streichcremen fürs Brot, Schokolade etc alles mit Südtirolbezug, dann eine Kiste mit zwei Apflesaftblasen. Ich nenne sie Apfelsaftblasen, die heissen aber bestimmt anders. Es sind so durchsichtige Plastiksäcke mit einem Ventil unten dran. Damit kann man sich Apflesaft einschenken. Ausserdem eine riesige Kiste mit selbstgepflückten Äpfeln.
Mit der Freundin bzw deren Mutter versuche ich schon seit zwei Wochen einen Termin zu finden, aber die Freundin wohnt in Lichterfelde, es ist nicht so einfach sich zu treffen, bei Hin- und Rückfahrt ist es eine zweistündige Autofahrt.

Die Kiste selbstgepflückte Äpfel ist mittlerweile nicht mehr vorzeigbar. Weil ich die Äpfel nicht unentwegt kühl aufbewahren konnte, hatten sie angefangen zu vergilben. Da sich das Treffen sich zu verzögern schien, begannen wir bereits, Äpfel aus dieser Kiste zu stibitzen. Erst nur einzelne. Wenn man die anderen Äpfel entsprechend umschichtete, dann fiel es anfangs nicht so auf, dass welche fehlten. Aber man staunt, wie viel man in zwei Wochen so wegstibitzen kann. Und wie wenig man es vertuschen kann.
Weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, schrieb ich Irene an: Duuuuh, ich muss gestehen, dass…

Sie fand es eher lustig und hatte Verständnis dafür. Besser als die Äpfel vergilben zu lassen, ist es, sie aufzuessen. Und eine fast leere Kiste verschenken ist auch nicht sehr stilvoll.

Heute klappte also die Übergabe. Sicherheitshalber erwähnte ich die Sache mit den vergilbten Äpfel, dass ich sie vorsorglich aufgegessen hatte. Ich weiss nicht, warum es mir wichtig war, es zu erwähnen. Vielleicht, weil das Mitbringsel ohne diese große Äpfelkiste optisch nicht ganz so beeindruckend aussah. Obwohl, der Geschenkekorb und die beiden Apflesaftblasen sind vom Volumen her ja auch schon so groß, dass man sie nicht mal eben mit der Post verschicken kann, sich die Fahrt aus Lichterfelde also schon auszahlte.

[Donnerstag, 7.10.2021 – Treffen für Textarbeit]

Am Abend traf ich mich mit Fanclubfreundinnen. Ursprünglich wollten wir uns im Gleisdreieckpark treffen. Weil wir über Textarbeit reden würden, empfahl es sich einen Tisch zu haben, um auch Dinge aufzuschreiben. Wir änderten den Treffpunkt kurzerhand und gingen zu mir ins Büro. Wir haben da viel Platz und große Räume. Einer war uns von zuhause aus zugeschaltet. Jetzt wo ich es aufschreibe, klingt das so falsch. Zugeschaltet. Zugeschaltet waren ja immer die Reporter in den Achtzigerjahren oder wenn bei Wettendass die Wetten im Freien stattfanden. Da war auch immer jemand zugeschaltet.
Bei googlemeet nennt man das bestimmt anders. Einer der Teilnehmer saß jedenfalls zuhause, und wir stellten den Laptop über den er dazugedingst war, auf einen Stuhl, so hatten wir einen netten Gesprächskreis und konnten uns unterhalten.
Ich mag Hybridmeetings ja nicht so. Entweder ganz online oder ganz offline. Hybrid finde ich immer etwas hakelig, weil der Gesprächsfluss nicht so gut flutscht. Oder fliesst. Ein Fluss flutscht ja nicht.

Es ging dann aber ganz okay. Besser als gar nicht. Vor Corona wäre das nie eine Option gewesen. Vor Corona wären wir allerdings auch alle anwesend gewesen.

[Mittwoch, 6.10.2021 – unter früheren Kolleginnen]

Als wir vor zwei Jahren die Firma schliessen und etwa 100 Leute entlassen mussten, entschied ich, nichts darüber schreiben. Man weiss in solchen Fällen nie, was passiert. Das Verfahren lief noch, das Verhältnis zum Investor und Eigentümer war schwierig.

In der Firma waren wir allerdings zu einem sehr gut eingespielten Team geworden, wir hatten auch privat und menschlich einen guten Draht zueinander bekommen. Nach der Schließung blieben wir in Kontakt. Eigentlich wollten wir uns bald wieder treffen, dann kam März 2020 und der ganze Rest. Inzwischen hatten wir eine Whatsapp Gruppe, in der wir uns während der Pandemie lose unterhielten.

Heute trafen wir uns wieder. In einer kleineren Gruppe. Es gab viel zu erzählen. Das war sehr schön. Gut zu wissen auch, dass man jederzeit wieder miteinander arbeiten würde.