[Do, 15.5.2025 – Knausgård, kleine Novellen, japanischnamige Nobelpreisträger]

Nach dem Fitnessstudio ging ich runter zu Thalia, um mir den ersten Band von Karl Ove Knausgårds autobiografischer Reihe zu kaufen. In den Regalen führten sie allerdings nur die letzten drei Romane. Die interessierten mich für einen Einstieg weniger. Ja, ich will jetzt auch wissen, was es mit Knausgård auf sich hat. Deswegen ging ich zur Verkäuferin und fragte sie, ob sie den ersten Band aus diesem sechsteiligen Zyklus vorrätig habe. Sie fragte: „Wie heisst dieses Buch nochmal?“ Ich kann mich nur an den Namen des Zyklusses erinnern, der auf Norwegisch „Min kamp“ heißt, ich kann aber genug Schwedisch, um die Bedeutung des norwegischen „Min Kamp“ zu verstehen, und sagte deswegen in direkter Übersetzung „Mein Kampf“, gleich wissend, dass man in der deutschen Übersetzung aus diesem offensichtlichen Grund einen anderen Titel gewählt hatte. Aber ich konnte den Witz nicht bei mir halten. Die Verkäuferin schien es immerhin lustig zu finden, sie sagte: „Stimmt, da war was.“ Ich sagte: „Ich google das mal“, und sie schaute in ihrem schlauen Computer nach. Der Titel ist „Sterben“. Fängt gut an. Sie hatte von dem Buch nur eine Miniaturausgabe vom BTB Verlag vorrätig. Diese Minibücher im Hardcoverformat. Vor einigen Jahren las ich einmal Murakami in einer solchen Ausgabe. Das fand ich fantastisch, sehr handlich und leicht. Ich mag nämlich keine schweren Bücher. Sie fallen mir ständig aus der Hand und beim Einschlafen ins Gesicht. Das war für mich der Hauptgrund, um auf Ebooks umzusteigen.

Diese Miniaturausgaben sind prima zum Lesen.

Gestern kam auch meine Nachbarin von nebenan vorbei, um ihr Paket abzuholen. Sie ist etwas älter als ich und lebt seit einigen Jahren als Frau. Neulich unterhielten wir uns über katholische Klosterschulen, wodurch wir draufkamen, dass sich durch unsere Biographien durchaus Parallelen ziehen, und so erzählte sie mir von ihrer kürzlich erschienenen Novelle, in der sie über ihre Jugend in der Klosterschule erzählt. Weil der Zufall so lustig war, erwähnte ich natürlich auch meine kürzlich veröffentlichte Novelle.

Normalerweise begegnen wir uns immer nur auf der Strasse. Sie sagte mehrmals: „Lass uns doch mal die Bücher austauschen.“ „Ja, gerne.“ So bot es sich diesmal an. Sie überreichte mir „Fluchttiere„, eine autobiografische Geschichte über sexuellen Missbrauch und über das Coming-out unter schwierigen Bedingungen. Aber es ist auch eine Geschichte über die Liebe. Ich bin sehr gespannt auf das Buch.

Am Abend kam mein Schwager. Wir kochten etwas und tranken ein bisschen was. Danach schauten wir „Living“, einen Film nach dem Drehbuch von Kazuo Ishiguro. Ich verwechsle ihn immer mit der anderen japanischnamigen Berühmtheit Kenzaburō Ōe. Unpraktischerweise sind sie beide auch noch Nobelpreisträger. Während aber nur Kenzaburō Ōe richtiger Japaner ist, ist Kazuo Ishiguro hingegen Brite, nicht gebürtig zwar, aber immerhin seit 65 Jahren. Und zwar ist er der Brite, über den gesagt wird, er schreibe das schönstmögliche Englisch. Ich las vor vielen Jahren „Was vom Tage übrig blieb“. Aber auf Deutsch. Über das schönstmögliche Englisch kann ich daher nichts sagen.

Von Kenzaburō Ōe habe ich hingegen nie etwas gelesen. Allerdings steht ein Buch von ihm im Schrank, es heißt „Tagame. Berlin – Tokyo“ Meine Frau hatte es mir empfohlen. Kenzaburō Ōe ist vorletztes Jahr gestorben. Noch ein Unterschied zu Kazuo Ishiguro. Ein nicht unwesentlicher.

Der Film „Living“ ist ein Remake des japanischen Films „Ikiru“ aus dem Jahr 1952. Es ist ein eindringlicher und berührender Film über einen strengen alten Mann (Bill Nighy). Dieser ist ein hoher Beamter in der Londoner Baubehörde. Ihm wird eine Krebsdiagnose im Endstadium gestellt, die er allerdings niemandem mitteilt, ausser einer jungen Frau, deren Lebensfreude er bewundert. Diese Lebensfreude führt dazu, dass er sich mit aller ihm zur Verfügung stehenden Energie für den Bau eines Kinderspielplatzes einsetzt. Nach dessen Fertigstellung er schliesslich stirbt.

Es passiert nicht viel in diesem Film. Die Dialoge sind langsam, viel Leerraum. Wir sassen aber bis zur letzten Minute in unseren Sesseln fest.

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[Mo, 12.5.2025 – Hüfte wiegen, linker Daumen, in Hitze]

Wäre ich eine Frau, hätte ich gerne einen riesigen Po. Seit Wochen schmerzt mein unterer Rücken. Deswegen wiegte ich vor einigen Tagen auf dem Weg zu Edeka meine Hüften. Ganz langsamen Schrittes, wumms links, wumms rechts. Langsam, Schritt für Schritt den gesamten Hüftapparat nach links und dann nach rechts. Wie eine Wiege. Ich merkte, wie sich die Muskeln im unteren Rücken lockerten. Aber diese Präsenz, die man haben muss, wenn man den Po wiegen kann, man muss sich als Frau wie eine Göttin fühlen. Ich konnte mich sofort in Christina Hendricks hineinversetzen. Je grösser der Po, je mehr Göttin. Ich kann so natürlich nicht herumlaufen, ich bin als Mann ziemlich cissig, es sieht bei mir nicht gut aus, wenn ich mit den Hüften wackle. Und wer weiss, wie viele Menschen nachher die AfD wählen, weil sie sich ihres Geschlechtes beraubt fühlen.

Aber es würde mich schon interessieren, ob Christina Hendricks Schmerzen im unteren Rücken hat. Mir tut es jedenfalls gut.

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Nachdem ich aufgrund des Besuches meiner Schwester anderthalb Wochen nicht im Fitnessstudio gewesen war, ging ich heute wieder hin. Mir kommt vor, als hätte mir die Pause gutgetan. Ich schaffte alle Geräte mühelos. Während ich zuvor Schwierigkeiten an den Bizeps- sowie Trizepsmaschinen hatte. Komischerweise schmerzt mir bei der Bizepsmaschine jetzt der linke Daumen. Der gesamte Daumen bis hinauf zum Handgelenk. Keine Ahnung, was das jetzt soll. Wäre mein Körper ein Gedicht, wäre der schmerzende Daumen jetzt eine Metapher. Nur weiss ich nicht, wofür.

Am Abend traf ich mich mit meinem Lektor Klaus Ungerer auf einer Parkbank an der Karl-Marx-Allee. Wir hatten verschiedene Dinge zu besprechen. Demnächst kommt auch sein neues Buch heraus.

Währenddessen liegt meine läufige Hündin bei uns. Ab und zu kommt ein unkastrierter Rüde vorbei, der von ihren magischen Gerüchen angelockt wird. Einer der Rüden kennt sie gut und er ist nur schwer von ihr zu trennen. Glücklicherweise wissen die meisten Hunde nicht so gut, was sie tun müssen: Er steckt vor allem seine Schnauze ins Hinterteil meiner Hündin und nicht sein Fortpflanzungsorgan. Wenn man den Tieren nicht die Zeit gibt, kann man ungewollte Welpen in der Regel gut verhindern. Der eine verliebte Rüde musste an die Leine genommen werden. Ich sah ihn noch lange, viel weiter oben an der Promenade, wie er an der Leine zog und versuchte, zu seiner Geliebten zurückzukehren. Meine Hündin hatte ihn aber schnell vergessen.

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[So, 4.5.2025 – Oberarme]

Ich weiss gar nicht mehr, was heute so passiert ist, ich habe aber vor allem Zeit damit verbracht, die Wohnung aufzuräumen, da meine Schwester zu Besuch kam. Um 17 Uhr holte ich sie vom Flughafen ab. Sie wird nun einige Tage hier bleiben, vielleicht fahren wir an die Küste, vielleicht hängen wir ein bisschen in der Stadt rum. Wir bleiben ganz spontan. Sie möchte mit mir ins Fitnessstudio. Das wird sicherlich gut.

Neben dem AfD-Shock, dass sie jetzt rechtsextrem ist, schlagzeilte die Bunte, dass Christian Lindner in Charlottenburg den Hund eines Filmschaffenden überfahren hat. Mein erster Reflex war es, Hassgefühle über den Mann der FDP auszuschütten. Hätte er meine Hündin getötet, dann hätte ich ihn in den Oberarm gebissen. Allerdings las ich anschliessend, dass ihn keine Schuld trifft und der Hund unangeleint auf einem Parkplatz stand. Offenbar hat er sich sofort aufopfernd um den Hund gekümmert und er war wohl sehr bestürzt über den Unfall. Es tat mir dann schon leid, welche Hassgefühle ich gegen ihn und seinen Oberarm aufbrachte.

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[Do, 1.5.2025 – Alkoholismus, Zyklen]

Ich ging gestern mit Überzeugung und gerne ins Fitnessstudio. Nach den zwei ausgefallenen Tagen freut mich das. Ich fürchtete den ersten Schlendrian.

Als ich vom Training zurück nach Hause kam, hatte ich ziemlich bald im Anschluss einen Bewerbungscall. Ich schmiss schnell ein schwarzes Hemd über. Darunter die kurze Radlerhose. Immerhin eine Hose. Wie sehr ich das optische Bullshitten vor der Webcam vermisst habe.

Später im Park traf ich eine Bekannte, eine Frau in meinem Alter. Wir drehten ein paar Hunderunden im Park und kamen auf Alkohol zu sprechen. Mich beschäftigt es schon länger, dass wir eigentlich zu wenig über Alkoholismus sprechen. Oder anders gesagt: dass viele Menschen in meinem Umfeld ganz offensichtliche Zeichen von Alkoholismus zeigen, sich in der Selbstwahrnehmung allerdings überhaupt nicht dessen bewusst sind und es abstreiten. Nun ist es eine Eigenschaft von Alkoholikerinnen, den eigenen Alkoholkonsum kleinzureden oder abzustreiten, aber davon abgesehen habe ich tatsächlich den Eindruck, dass die meisten schlichtweg nicht wissen, was Alkoholismus eigentlich ist. Bei Alkoholikerinnen denkt man ja immer an Menschen, die morgens zittern und einen Pegel aufrecht erhalten müssen, um zu funktionieren. Dummerweise ist das nur einer der 5 Alkoholismen. Das ist die Spiegeltrinkerin, die auffälligste von allen, aber auch die seltenste. Es gibt allerdings noch vier weitere Typen. Auch ich kann mich da gut einsortieren. Und es stimmt mich nicht feuchtfröhlich.

Zudem gibt es gute und simple Online-Tests. Ich empfehle sie den vielen vermeintlichen Gelegenheitstrinkerinnen.

Zur Erinnerung: Ich gendere meistens mit dem generischen Femininum.

Mit Alkoholismus ist das aber immer so eine Sache: Bis wo ist es ein obsessives Hobby und ab wann wird es ein Problem? Gesundheitliche Schäden kommen erst im Alter, und solange man nicht den Job oder die Partnerin oder Freunde verliert, ist es ja nicht so schlimm, oder?

Nun.

Die Hündin ist läufig. Es kündigte sich bereits seit einigen Tagen an. Sie liegt schwermütig und antriebslos herum. Und unkastrierte Rüden können nicht mehr die Schnauze von ihrem Hinterteil lassen. Sie ist noch genervt von den Typen. Ich weiss gar nicht, warum man Hündinnen läufig nennt, es sind ja die Rüden, die unkontrolliert über die Strasse rennen oder abhauen, wenn sie eine paarungswillige Hündin riechen. Ich hoffte, dass es noch zwei Wochen dauert, bis ihre Blutungen einsetzen. Da wären wir zwei Wochen lang in Schweden. Dort ist es entspannter für sie, aber vor allem für mich, weil ich mich nicht ständig mit Rüden bzw. Rüdenhalterinnen beschäftigen muss.

Hatte ich eigentlich schon einmal von dem schwulen Hund erzählt? Den treffe ich ab und zu auf der Karl-Marx-Allee. Lustigerweise treffe ich den meistens, wenn meine Hündin läufig ist. Wenn man mit einer läufigen Hündin einen sich nähernden, unangeleinten Hundepenis sieht, spricht man zwangsläufig mit den Besitzerinnen. Läufig und so, Kastriert janein?

Der Besitzer des schwulen Hundes sagte mir, sein Rüde sei schwul, der interessiere sich nicht für Weibchen. Und tatsächlich ist das sogar während der sogenannten Stehtage der Fall. Also an jenen Tagen, an denen unkastrierte Rüden glasige Augen bekommen und die Hündin sich auch empfangsbereit gibt. Das sind immer etwa 4 bis 5 Tage der gesamten Phase. Bei Hunden schaltet während dieser paar Tage alles auf Fortpflanzung um.

Dass der schwule Hund (klingt wie eine Beleidigung) dies völlig ignoriert, fand ich erstaunlich. Ich ging davon aus, dass bei Rüden in diesem Fall ein Notgeilheitsprogramm anspringt und es eigentlich egal ist, wie die Hundedame aussieht. Bzw welches Geschlecht man vorzieht. Jetzt stellt sich mir natürlich die Frage, ob sein Hund sexuelles Interesse an anderen Rüden zeigt. Aber die haben ja keine hormonellen Zyklen, die müssten also immer Triebe haben, das würde auch bedeuten, dass er ständig – nunja. Vielleicht ist das kein Thema, das man mit fremden Menschen auf der Strasse besprechen sollte. Ich gehe aber eher davon aus, dass er asexuell ist und nicht schwul.

Werde ich ihm aber nicht sagen. Er schien sehr stolz darauf.

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Achso und heute war der erste Mai.

[Di, 29.4.2025 – Überqualifikation, Strom, Blase, Und wieder Lotusblüten]

Die beiden Bewerbungsgespräche liefen gut. Allerdings komme ich nur für eine der beiden Firmen infrage. Für die andere bin ich überqualifiziert, wie der Herr meinte. Ich würde mich nur langweilen, sagte er. Überqualifikation finde ich in meinem Fall eine lustige Formulierung. Als Manager oder Führungskraft bin ich in Wahrheit zu inkompetent, um die richtige, fachliche Arbeit durchzuführen. Ich kann aber gute Emails schreiben und die Leute zusammenhalten. Überqualifikation ist natürlich der schönere Begriff. Die andere Firma ist aber super. Für die würde ich gerne arbeiten.

Wegen der beiden Gespräche fiel heute das Fitnessstudio aus. Ich meide es noch, in den Abendstunden zu trainieren. Mir ist es bewusst, dass ich derzeit den Vorteil geniesse, nicht nach Feierabend ins Studio zu müssen, wenn alles überlaufen ist. Sobald ich wieder arbeite, wird sich das ändern, dann werde ich oft an Geräten warten müssen. Gestern hatte ich tagsüber ja auch einen Bewerbungstermin, deswegen war ich gestern auch schon nicht da. Ich muss aufpassen, dass ich nicht schon nach wenigen Wochen nachlässig werde. Ich muss daher unbedingt morgen gehen. Und ich werde auch am Freitag trainieren, um die Woche wenigstens mit zwei Trainings gefüllt zu haben. Allerdings habe ich am Freitag auch wieder zwei Bewerbungsgespräche. Schon verrückt, diese Woche. So viele Angebote gab es noch nie. Dabei ist Freitag sogar ein Brückentag.

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Vor drei Jahren, als Russland die Ukraine angriff und die Gasversorgung in Deutschland in Gefahr geriet, bereiteten wir uns in meiner Firma auf einen Ernstfall im Winter vor. Wir schafften ein kleines Dieselaggregat an, kauften eine Starlink-Station, viele Taschenlampen und tausende Liter Wasser in Flaschen. Die Idee war es, bei einem landesweiten Stromausfall zumindest Mitarbeiterinnen und Familienmitglieder ins Büro bringen zu können, wo wir Internet und Wasser bereitstellen können wollten.

Nun ist es glücklicherweise nie zu diesem Ausfall gekommen. Aber auch zuhause kauften wir Trinkwasser, Taschenlampen und ein kleines, analoges Radio. Ein Radio hat ja kaum noch jemand. Mein Auto kann vielleicht noch Radiowellen empfangen, aber sicher bin ich mir da auch nicht. Wie der Stromausfall in Spanien gestern gezeigt hat, werden alle wichtigen Kommunikationswege ausfallen. Sogar die Handymasten, die eigentlich noch eine Stunde lang auf Akkubetrieb funktionieren sollten, fielen sofort aus. Das normale Volk wird nicht mehr kommunizieren können. Meine Frau und ich sind jetzt wirklich keine Prepper, aber dieses kleine Radio zu besitzen, war schon sehr speziell.

Wovor ich mich aber am meisten fürchte, ist es, in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. Natürlich auch, weil es im Katastrophenfall Tage oder Wochen dauern kann, bis Hilfe kommt. Man muss nur rechnen, wie lange ein paar Dutzend Aufzugsfirmen brauchen, um hunderttausende Menschen im ganzen Land aus Aufzügen zu holen. Die meisten Menschen werden nach drei Tagen schlichtweg verdursten.

Aber dieses Szenario finde ich gar nicht so schlimm. Mehr Angst habe ich davor, dringend aufs Klo zu müssen. Im Aufzug ist das ja immer so. Im Aufzug muss ich plötzlich dringend aufs Klo gehen. Das fängt schon an, wenn ich mich dem Haus nähere: Die Blase beginnt sich zu melden, leichtes Kribbeln. Je näher man der Haustür kommt, desto mehr drückt sie, mit jedem Schritt wird das Bedürfnis urgenter. Im Aufzug kann ich es kaum noch bei mir halten. An der Wohnungstür fallen meine motorischen Komponenten aus und ich stochere wild mit dem Schlüssel am Schlüsselloch herum.

Jetzt will ich mir nicht vorstellen, was passiert, wenn im Aufzug der Strom ausfällt. Davor habe ich Angst.

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Zusammengefaltete Zeitung in der einen Hand, schwarzes Hemd, Sonnenbrille im Ausschnitt, die Frisur wie ein griechischer Gott aus schwarzem Marmor.

Wenn ich jetzt bloss nicht watscheln würde wie eine Ente. Dann wäre mein Look perfekt.

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Am Abend war ich zu einem Drink verabredet. Die Verabredung wurde allerdings abgesagt und nun sass ich wieder etwas hilflos mit geöffneten Rezeptoren für Bier zuhause herum. Das mit den Rezeptoren beschrieb ich bereits vor zwei Wochen. Heute hatte ich den ganzen Tag kaum gegessen, um den Kalorienhaushalt einigermassen im Gleichgewicht zu halten, weil ich mittlerweile weiss, wie viele Kalorieneinheiten ein alkoholisches Getränk in sich führt.

Meine Frau wusste wieder Abhilfe zu schaffen und schlug vor, mit der Hündin eine lange Runde zu drehen und uns irgendwo einen Aperitif zu gönnen. So taten wir es dann auch.

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[Do, 24.4.2025 – Jungle]

BREAKING NEEEEWS: In der Jungle.World wurden die ersten 25 Seiten meiner Novelle abgedruckt. Die Ausgabe kam heute raus. Ich wollte sie natürlich sofort holen. Nach meiner Session im Fitnessstudio klapperte ich verschiedene Zeitungskioske ab. Die erste Schwierigkeit bestand darin, einen Zeitungskiosk zu finden. Auch wenn es in dieser Stadt tausende Kioske gibt, sind sie fast immer Bierkioske, oder Vape-Kioske, aber nur noch selten Zeitungskioske. „Zeitungen? Nee, hamwa schon seit 12 Jahren nicht mehr.“ Immerhin hatten sie am Ostbahnhof die Jungle.World. Allerdings noch die Ausgabe der letzten Woche. Bei der neuen Ausgabe gab es offenbar Schwierigkeiten bei der Auslieferung. So war das auch an der Storkower und im Ring Center.

Und die meisten Zeitungskioske, die bei Maps als solche angezeigt wurden, hatten nur Blätter von der Springerpresse oder eine der drei grossen Berliner Tageszeitungen. Manchmal hatten sie noch die Junge Welt, aber die Jungle.World ist ja eine abtrünnige Neugründung, die aus einem Arbeitskampf bei der Jungen Welt hervorkam. Auf die Junge Welt blicke ich deshalb mit Verachtung. Zumindest bis sie mein Buch bewirbt. Ein Abdruck von 25 Seiten ist aber schon ein Mega Ding. Und die haben ja immer noch 16.000 Abonnenten.

Nach zwei Stunden gab ich auf. Eine Stunde pumpen, zwei Stunden Radfahren. Den Rest des Abends war mein Körper auf eine sehr angenehme Weise müde.

[Di, 22.4.2025 – Centbereich, Fitness-App]

Seit die Novelle nun als Ebook bei Amazon online ist, kann ich neben den Verkäufen (4 Stück in einer Woche) auch die gelesenen Seiten via Kindle Unlimited sehen. Das ist für Amazonkunden, die eine Flatrate gebucht haben. Über dieses Programm erhalte ich Tantiemen pro gelesener Seite. Die Einnahmen bewegen sich im Centbereich. Bisher wurden in total 53 Seiten gelesen. Einmal 6 Seiten, einmal 25, einmal 9 und einmal 13. Da es sich bei Flatrate Abonnenten um Vielleser handelt, gehe ich davon aus, dass es sich bei den vier Leseversuchen um vier verschiedene Menschen handelte.

Alle haben sie aufgehört.
ALLE HABEN SIE AUFGEHÖRT.

Ich rede mir ein, dass die Geschichte nicht massentauglich ist. Zumindest ist sie schwer zu kategorisieren. Es trifft mich ein bisschen, aber ich finde es dennoch amüsant. Seit ich das Dashboard mit den Echtzeitdaten in Amazon habe, prüfe ich das natürlich täglich. Mehrmals. Am liebsten würde ich stündlich prüfen, aber es passiert so wenig.

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Weil ich ab jetzt jeden Montag und Donnerstag das Fitnessstudio besuche, ging ich natürlich auch am Ostermontag dort hin. Mein Studio befindet sich in dieser schönen East-Side Mall neben der Uber Arena. Ich schrieb bereits öfter über diese schnuckelige, kleine Retro-Mall. An normalen Tagen betritt man das Studio über den normalen Eingang mit den Geschäften, da diese aber nur von Montag bis Samstag tagsüber geöffnet ist, muss man das Gebäude an Sonn- und Feiertagen über einen Spezialeingang betreten. Weil gestern Ostermontag war, würde ich zum ersten Mal diesen Spezialeingang nehmen. Ich freute mich schon sehr über diese neue User-Experience. Eine leere Mall, ein leeres Fitnessstudio, meine Muskeln und ich. Wir ganz alleine unter uns.

Nun war das Studio so voll wie nie. Auch war der Spezialeingang an der Mall so voll wie nie. Die Eisbären hatten ein Heimspiel, daher zogen die Menschenmassen vom Parkplatz auf dem Dach der Mall durch meinen Spezialeingang zur Uber Arena weiter. Und im Studio selber waren fast alle Geräte besetzt. Es befand sich sogar Trainingspersonal am Schalter des Studios. Ich fragte, warum es heute so voll sei. Die Trainerin sagte, heute sei Praktikanten-Tag. An einem Ostermontag? Gehen Praktikanten am Ostermontag nicht zu ihren Eltern und stopfen sich die Bäuche voll? Das sagte ich so nicht. Ich will keine negativen Vibes verbreiten.

Immerhin musste ich komischerweise nie an den Geräten warten, sondern konnte ungehindert mein Programm abspulen.

Seit Anbeginn habe ich aber ein Problem mit der App der Fitnesskette. Ich kann nämlich neu hinzugefügte Trainingseinheiten nicht speichern. An jedem neuen Trainingstag sind diese Einheiten verloren gegangen und ich muss sie wieder händisch hinzufügen. Also ging ich nach der absolvierten Stunde auf den Schalter zu, um mir Hilfe zu holen. Von dort aus schauten mich eine junge Frau und ein Mann mit dunkler Hautfarbe an. Auf dem Weg dahin fragte ich mich, wenn ich ansprechen soll. Spreche ich die Frau an, denkt der Mann vielleicht, ich sei ein Rassist. Spreche ich den Mann an, denkt die Frau vielleicht, ich sei ein Sexist, der ihr nicht zutraut, sich mit einer App auszukennen. Ich muss mir gut überlegen, wer von den beiden sich wohl weniger diskriminiert fühlt.

Ich entschied mich für die Frau. Weil ich aus der IT komme und Frauen für IT-Themen empoweren will. Sie nahm sich meines Problemes an, sagte viele selbstbewusste Sätze, tippte auf meinem Telefon herum, sagte weitere selbstbewusste Sätze, aber nach zwei Minuten hatte sie weder mein Problem gelöst, noch hatte sie mir das Gefühl gegeben, dass sie keine Ahnung hat. Das war Bullshitten auf Profilevel. Das kannte ich sonst nur von Männern. Beeindruckt, aber etwas ratlos schaute ich ihren Kollegen an. Derjenige, der sicherlich dachte, dass ich ein Rassist bin. Der hatte daneben gestanden und kein Wort gesagt. Er nahm mein Telefon in die Hand und sagte: das ist ein Bug. Man müsse zuerst eine Übung entfernen und dann kann man beliebig viele neue hinzufügen.

Die Frau stand immer noch daneben und schaute selbstbewusst, als hätte sie Ahnung.

[Mo, 14.4.2025 – Nachtigall wieder, Bizeps, Ebook]

Seit ein paar Wochen lebt wieder eine verliebte Nachtigall in unserem Innenhof. Wie jedes Jahr. Bis vor wenigen Tagen schlief ich noch bei geschlossenem Fenster, also störte sie mich nicht weiter. Jetzt grummelt aber die Hündin. Ich werde nicht mehr von der Nachtigall geweckt, sondern von der Hündin, die sich beschwert.

Ich weiss nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber meine Hündin wäre gerne beim Ordnungsamt. Sie mag es nicht, wenn Menschen alberne Hüte tragen, sie mag keine lauten Rollkoffer, auch keine Skateboards und wenn andere Hunde zu aufgeregt sind. Offenbar mag sie auch keine verliebten Nachtigallen. Zumindest nicht um 3 Uhr morgens. Da ist schliesslich noch Ruhezeit.

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Mein zweiter Tag im Fitnessstudio. Als ich heute das Studio betrat, tat ich das mit einem Blick, als wäre ich ein alter Hase. Ich lief langsam, breitbeinig und zielstrebig zu den Umkleidekabinen, zog mich um und setzte mich an die Maschine 01, dann 05, dann 07 undsoweiter. Als hätte ich das hundertmal getan. Die Frauen in den Po-betonten Hosen hätte ich fast schon mit einer leicht erhobenen Handgeste begrüsst, wie wir LKW-Fahrer das immer machen. Zum Glück konnte der kleine Bub von der Alm in mir das gerade noch verhindern.

Heute achtete ich auf die Gewichte, ich erhöhte sie an fast allen Geräten und passte sie entsprechend in meiner App an. Interessante Erkenntnis: Während ich bei allen Geräten das Gewicht verdoppelte oder sogar verdreifachte, musste ich die Gewichte bei der Trizeps- und der Bizeps-Maschine hingegen nach unten korrigieren. Jetzt weiss ich nicht, ob ich einfach schwache Oberarme habe (ich habe starke Oberarme!) oder ob die Maschinen seltsam eingestellt sind. Ich glaube natürlich, dass es letzteres ist, ich fürchte aber ersteres.

Ich finde das komisch, weil ich Schulter- und Brust-Maschinen wesentlich schwerer einstellen musste. Und das gehört irgendwie ja zu Bizeps und Trizeps dazu.

Nun.

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Amazon hat jetzt das Ebook von „Springweg brennt“ freigegeben und es ist jetzt für 3,99 zu kaufen. Der Preisunterschied zum gedruckten Buch ist krass. Ich bewege mich mit der Novelle dabei schon im höherpreisigen Segment.

In 90 Tagen wird das Ebook dann auch in der offenen Ebook-Welt als .EPUB verfügbar sein.

[Mi, 9.4.2025 – Fitness]

Zwei sehr lange und liebe Mails zur Novelle erhalten, die mir ein paar Erkenntnisse über den Text gaben, derer ich mir vorher nicht bewusst war.

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Heute dann ins Fitnessstudio gegangen. Ich hatte den Einführungstermin mit einem freundlichen, muskulösen Mann in etwa meinem Alter. Sein Akzent war persisch. Das erkenne ich daran, wie die letzte Silbe oft sanft ausgehaucht wird. Also fragte ich ihn, ob er aus dem Iran käme. Er sagte: Nein, ich komme aus der Türkei. So viel dazu, wie gut ich Persisch immer gut an der letzten Silbe höre.
Wir sassen in einer ungemütlichen Sitzecke des Studios und er hielt ein Tablet vor sich, mit dem er mir einen Trainingsplan erstellen würde. Er wollte von mir wissen, wie viel Erfahrung ich schon mit Fitness hätte. Ich sagte ihm, dass ich noch nie in einem Studio gewesen bin. Das stimmte nicht ganz. Ich arbeitete in 2012 drei Monate lang in einem Projekt für McFit, wo ich für den IT-Rollout der neuen Studios in Spanien und Italien verantwortlich war. Trainiert hatte ich allerdings nie.

„Noch nie in einem Studio?“ Fragte er, um sich zu vergewissern. Dabei lächelte er seltsam. Das Lächeln wirkte einerseits mitleidig, andererseits schien es sich zu freuen, dass er mich gerade entjungfert. Er fragte mich nach meinen Zielen. Ich sagte: Ich will schön und stark sein. Weil er mit der Antwort nicht viel anzufangen wusste, sagte ich: Muskelaufbau. Das gefiel ihm. Ich erklärte, dass ich gerade viel Gewicht verliere und ich das mit Muskeln kompensieren möchte. Gewicht zu verlieren fand er spannend, es stieg sofort in das Thema Ernährung ein. Über Proteine und Kohlenhydrate und Uhrzeiten. Es war offensichtlich sein Lieblingsthema. Ich liess ihn reden. Andererseits weiss ich auch, dass man Menschen, die Ernährungs- oder Gesundheitstipps geben, nie zu viel Raum geben sollte. Nach einer Minute fiel ich ihm etwas unsanft ins Wort und wechselte das Thema.

Der Trainingsplan sah vor, dass ich mich an bestimmten Geräten in bestimmten Zeiteinheiten, bestimmte Gewichte bewegen musste. Da ich einmal den gesamten Körper trainieren wollte, waren das Rücken-, Bauch-, Bein-, Schulter- usw -Maschinen. Am beeindruckendsten fand ich den Namen Trizepsmaschine. Meine nächste Industrial-Band wird Trizepsmaschine heissen. Hätten wir das geklärt.

Ich war erstaunt darüber, wie wenig ich mich ein Alien fühlte. Die Atmosphäre war freundlich, die anwesenden Menschen stammten aus allen Altersklassen und sassen in allen Körperformen. Als ich etwas orientierungslos zwischen den Maschinen herumirrte, um Maschine nr 13 zu finden, kam ein junger Mann zu mir und fragte mich, ob er mir helfen könne. Der war dort nicht angestellt, sondern einer der Trainierenden.

Komischerweise verbringt man in einem Fitnessstudio viel Zeit mit Nichtstun. Ich stellte mir ein Fitnessstudio immer unglaublich anstrengend vor. Dass man schwitzt und keucht. In Wirklichkeit macht man aber ständig Pausen. Zehnmal den Bizeps bewegen und dann anderthalbe Minute pausieren. Dann wieder zehnmal den Bizeps und wieder anderthalb Minuten Pause. Dann Maschine suchen, dann wieder mal Griffe reinigen, Maschine einstellen. Tatsächlich machte ich mehr Pause als Sport. Aber die meisten dort sind schon sehr fit und deren Körperpartien sind definiert. Das wird sicherlich funktionieren.

Frauen tragen oft auffallend enge Sporthosen mit dicken Nähten, die die Pobacken verstärken und etwas hervorquillen lassen. Das sieht sehr pornös aus, trotzdem super, aber ey, ich kann doch nicht ständig Frauen auf den Hintern schauen. Zum einen will ich das nicht und zweitens bin ich nicht die Zielgruppe. Deswegen konzentrierte ich mich auf meinen eigenen Arsch, der wird irgendwann auch so aussehen, dann kann ich mich selber im Spiegel anstarren.

[Di, 18.3.2025 – Fluss, schmerzverzerrt]

Es passiert die Tage gerade wenig. Noch vor einem Jahr hätte ich dennoch etwas gefunden, worüber zu schreiben. Jeden Tag einmal kurz aufs Podest stellen. Es finden sich immer interessante Details oder man hat interessante Gedanken, die man ausrollen kann. Das war Teil der Übung. Momentan übe ich nicht. Dafür habe ich einen riesigen Output beim Verfassen der Superheldengeschichte. Ich befinde mich in einem Fluss. Alles strömt mit in diesem Kanal.

Ausserdem nehme ich gerade ab. Es sind bereits 6 Kilo. Damit kommt auch wieder ein neues Körpergefühl auf. Die Jacke spannt nicht mehr, die Treppen gehen leichter, der Rücken schmerzt nicht mehr. Es sieht auf der Waage nach wenig aus, aber sechs Kilo sind sechs Wasserflaschen. Sechs Wasserflaschen trägt man nicht gerne den ganzen Tag mit sich herum.

Deswegen mache ich jetzt auch wieder Liegestützen und ich will mich im Fitnessstudio anmelden. Ich kenne Fitnessstudios nur durch die Fensterscheibe von aussen. Ich spaziere mit der Hündin oft an dem John Reed unweit der Landsberger Allee vorbei. Dort gibt es schöne, schwitzende Männer, die gerne nah an den grossen Fenstern ihre Körper drechseln. Sie verziehen ihre Gesichter vor Schmerz. Es sieht aus, als hätten sie Sex. Nur ohne den Spass.

Ich werde bald ein Teil dessen sein.