[Di, 15.4.2025 – Lotusblüten, Vagabond]

Die Vögel zwitschern schon um 5 Uhr von den Dächern. Ab 5 Uhr bin ich deswegen auch wach. Ich hasse die Natur.

Am Abend war ich eigentlich mit Exkolleginnen auf ein paar Bierchen verabredet, allerdings wurde das Treffen aus verschiedenen Gründen im letzten Moment abgesagt. Nun sass ich da in meinem Leben fest, die Bier-Rezeptoren aktiviert und empfangsbereit, aber ohne Input. Mein Freund von der Hundewiese hatte bereits andere Pläne und einfach so Freunde anschreiben, mit dem Hinweis, dass meine Verabredung ausgefallen sei und man nun nach einem Ersatz suche, ist wirklich kein guter Stil. Auch wissend, wie gerne man sich oft auf einen spontanen Drink einlässt, wenn bloss jemand fragen würde. Genau so gut gibt man Freunden aber auch das Gefühl, sie zur zweiten Wahl herabzusetzen. Vor allem, wenn man sich schon eine Weile nicht mehr gemeldet hat.

Ich sagte meiner Frau, dass meine Bier-Rezeptoren sich geöffnet haben wie Lotusblüten auf Bestäubung warten. Sie verstand mein Problem sofort und so gingen wir mit der Hündin auf eine spontane Gassirunde runter zum Brewdog am Frankfurter Tor. Sie trank traditionell ein grosses Hazy Jane, ich bin neuerdings jedoch dem neuen „Wingman“ zugeneigt, ein leichtes Session Pale Ale. Wir redeten zuerst – wie meistens – über den neu aufkeimenden Faschismus, dann fiel uns aber ein schöner Abend von vor vielen Jahren ein, als wir mit Freunden abends in der Vagabond Brauerei im Wedding sassen. Das war sicherlich zehn oder mehr Jahre her. Wir hatten die Preussische Spirituosenmanufaktur besichtigt und waren aus diesem Grund bereits etwas angeheitert, deswegen kehrten wir in diese kleine Bar in der Antwerpener Strasse ein, die Vagabond Brauerei. Dort brauten sie im Hinterzimmer Bier, das sie vorne im Bar-Raum ausschenkten. Sie gehörten zu den Pionieren dieser neuen Handwerksbier-Bewegung in Berlin. Zwar waren sie nicht die ersten, aber mit ihren gut ausbalancierten und geschmackvollen Bieren hatten sich durchaus einen Namen gemacht. Danach verschwanden sie ein bisschen aus der Wahrnehmung, weil sich andere Brauereien wie BRLO oder Berliner Berg professioneller aufstellten und grössere Mengen produzierten. Ich wusste aber, dass sie ein paar Strassen weiter gezogen sind und ihre Biere mittlerweile auch in Flaschen abfüllen und vertreiben. Meine Frau meinte, da müssen wir unbedingt wieder einmal hin. So ist das. Da müssen wir unbedingt mal wieder hin.

Ich erwähnte, dass ich übrigens noch Autorenfoto brauchte. Nächste Woche werden zehn Seiten aus der Novelle in einer Wochenzeitung abgedruckt. Ich bat sie mir morgen bei einer Auswahl zu helfen. Stattdessen zückte sie das Telefon und schoss dort am Tisch Fotos von mir. Jetzt habe ich Autorenfotos.

Wir wollten wirklich nur ein Bier trinken. Meine Frau musste noch etwas arbeiten und wir wollten noch eine Kleinigkeit kochen. Also besänftigte ich meine Lotusblüten, verschloss sie sanft und wir gingen wir zurück nach Hause. Auf dem Weg machte ich einen Sprung zu diesem Mini-Edeka, in den ich sonst nie gehe, um schnell ein Joghurt fürs Frühstück zu kaufen. Als ich am Bierkühlschrank vorbeikam, sah ich jedoch eine unbekannte Biermarke darin stehen. Das Etikett sagte „Vagabond Brauerei“. Sie hatten ein Helles, ein Pils, ein Pale Ale und ein IPA im Sortiment.

Das war zu viel magic.

Deswegen kaufte ich ein Pale Ale und ein IPA. Auch meine Frau war sehr erfreut. Zuhause am Herd öffneten sich wieder die Lotusblüten und wir zauberten uns fantastische grüne Bohnen in Tomatensauce.

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