Mir ist es über die Jahre, ja Jahrzehnte auch recht gut gelungen, aus vormals leidenschaftlichen Lieben reine Freundschaften zu „extrahieren“, was ich mir in allen dreieinhalb Fällen, an die ich gerade dabei denke, nach dem Bruch nicht vorstellen konnte, das waren schon schmerzhafte Trennungen mit viel Enttäuschung und Tränen, aber da es in allen Fällen auch immer eine starke kommunikative Wellenlänge gab, ähnliches Weltverständnis und gleichartigen Humor, fand man sich Jahre später wieder, versöhnlich. Auch wichtig, dass es jeweils dann wieder eine neue Liebe und neuen Fokus gegeben hatte. Was mir aber auch sehr stark auffiel/auffällt, war/ist, dass durch die fehlende rosarote Brille, durch die Ent-Erotisierung Eigenarten, über die man verliebt tolerant und milde hinwegblickte oder es versuchte, nun nüchtern zur Kenntnis genommen werden, teilweise mit innerem Kopfschütteln und teilweise sogar verbunden mit Anflügen von Abscheu. Ich denke da zum Beispiel an die Eigenart eines Verflossenen (ein Bühnenperformer, Musiker, Autor, Schauspieler auch), in Gruppen zum Volksredner zu werden. Zweifellos war und ist er überdurchschnittlich eloquent, aber dieses „sich selber gerne reden hören“ und etwas lauter als nötig zu sprechen (wohl um die letzte Publikumsreihe zu erreichen), empfinde ich heute als etwas beschämend, ja peinlich. Dazu kommt heftiges, übertriebenes Gestikulieren, das ich heute als affektiert empfinde. Früher war jedes Wort von ihm, egal in welcher Lautstärke, Musik in meinen Ohren und das Gefuchtel ein Zeichen von Lebhaftigkeit 🙂 Ich erinnere mich deutlich, dass ich in Zeiten der Verliebtheit, das war vor einem Vierteljahrhundert, ein kleines Treffen mit einer alten Freundin und noch einem alten Freund und ihm hatte. Alle kannten sich von noch früher und hatten sich Jahre nicht gesehen. Nach dem Treffen teilte mir meine (damals beste) Freundin mit, dass sie seine Art in der Runde das Wort zu ergreifen, als aufdringlich empfunden hätte, als müsste er ständig etwas proklamieren. Ich verstand sie damals überhaupt nicht und war stellvertretend für ihn etwas beleidigt. Heute verstehe ich das komplett. Aber nichtsdestotrotz sind wir uns freundschaftlich verbunden, ich sehe ihn ja nie mehr, man gratuliert sich aber herzenswarm virtuell zum Geburtstag und nimmt sich auf fb etc. gelegentlich zur Kenntnis.