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Das ging so: es war ziemlich undefinierbares Wetter, Wolken gingen zusammen, bewegten sich auch in gegensätzliche Richtungen, dazwischen schien die Sonne unheilvoll durch, und ich dachte noch, komisch, dass mir gerade die Sonne so unheilvoll vorkommt, wobei es ja die Wolken sind, die irgendwie überdüstert da oben in Ketten hängen.
Wir machten uns an dieser Luke zu schaffen, K war dabei, ein Freund aus alten Schultagen war dabei, und noch zwei Männer, die ihr nicht kennt, wir stiegen nach dem Öffnen in die Luke hinunter, das Ziel war klar, nur fiel es mir nicht mehr ein, dabei hatte ich das Kommando. Unten war es dunkel, nur langsam glichen die Augen die Lichtverhältnisse aus, während sich dort alles zu bewegen schien, nicht unheimlich, keine wilden Tiere mit gelben Zähnen oder blutunterlaufenen Augen, sondern die Dunkelheit und die später angepasste Halbdunkelheit, sie bewegte sich, leicht schwankend, und biegend, wobei der Boden unter den Füßen, trotzdem stabil zu bleiben schien, auch wenn ich mir darüber nicht mehr sicher bin, Fakt jedenfalls war, dass niemand von uns umfiel, aber das vergaß ich schnell, weil wir bald, ganz am Ende dieser Dunkelheit, die irgendwie zylindrisch zuzulaufen schien, sahen wir diesen roten Vorhang, der schwer, vor dem Ende dieses zulaufenden Zylinders zu hängen schien. Scheinwerfer erleuchteten ihn, ohne dass Licht in de umgebenden Dunkelheit reflektieren würde, es wurde schlichtweg aufgesogen, was schwarz halt so generell macht: aufsaugen. Wir gingen auf den Vorhang zu, die anderen ließen mir den Vortritt, ich hatte ja den Plan im Kopf, auch wenn ich keinerlei Ahnung davon hatte, aber die Sache mit dem Vorhang war ja offensichtlich, da mussten wir hin, also schob ich den Vorhang beiseite, doch da war nur eine Mauer aus Backstein, ich drehte mich zu den anderen um, die ich nicht sah, weil auch sie von dem Schwarz drumherum aufgesaugt waren, also ihre Reflektionen jedenfalls, und wir sehen mit unseren Augen ja nur die Reflektion des Lichts in unserem Umfeld, das weiß ja jeder, aber das muss man sich in einer solchen Situation auch vergegenwärtigen, ich sagte also: nur eine Mauer. Es kam jedoch keine Anwort von meinen Kumpanen, ja warum auch, dass es eine Mauer war, war so selbstverständlich wie wie wie. Wie das Licht das von der Mauer reflektierte. Ich legte mein Ohr auf die Mauer um etwas zu hören. Ich hörte eine Wiese. Schmetterlingsflattern und Löwenzahnflugflocken die vom Wind mitgenommen wurden. Mein Gesicht ging in die Mauer über, fließend, so als wäre die Schwerkraft in der Mauer, und man würde mich als Sahneeis darauf schmelzen lassen, nur schneller, ich schmelzte sozusagen waagerecht in die Mauer über, aber nicht, dass ich über die Oberfläche der Mauer mich zerrinnen würde, sondern ich verschmolz mit der Mauer und kam am anderen Ende irgendwie raus. Irgendwie, weil ich irgendwie nicht ganz am anderen Ende angekommen war, nur ein Teil von mir, zwar nicht die Hälfte, sondern als Ganzer, aber ein anderes Ganzes war noch auf der anderen Seite der Mauer geblieben und lauschte der Wiese auf der ich jetzt stand, eine Verdoppelung sozusagen. Dann hörte ich meine Kumpanen auf der anderen Seite, die Warnungen abgaben, wir sollten nun besser zurückkehren, es werde zu instabil, wir befänden uns mittlerweile auf der zwölften Ebene, und da fiel es mir wieder ein, ich musste beim stetigen Vordringen in Wände und Luken und Türen und Gräben, langsam vergessen haben, dass wir schon durch unzählige Wirklichkeitsebenen in die Tiefe vorgedrungen waren, dass ich irgendwo, ganz weit oben, in einer ganz anderen Zeitgeschwindigkeit, so etwas wie ein wirkliches Leben hatte, mit Alltag, Abwasch, Fahrrad, wir würden aber niemals mehr an die Oberfläche kommen können, das wusste ich als einziger, ich hatte es den anderen nur verheimlicht, um vielleicht so etwas Beklemmung zu verhindern, die oberen Ebenen waren nämlich geflutet worden, wir würden ertrinken, es gab eigentlich nur diesen einen Weg, weiter nach unten vorzudringen, und hoffen, dass auch die Zeitebenen stimmen, und wir der Flut so immer ein Stück weit voraus sind, vielleicht auch mit genügend Zeit, uns irgendwo da unten Jahre aufzuhalten, Kinder zu kriegen, in einem Garten Blumen zu pflanzen, man wird es sehen, ich sagte also: kommt rüber, wir müssen über die Wiese, hinunter ins Tal, aber es kam keine Antwort zurück, also lehnte ich mich an die Mauer, die diesseits keine Mauer war, sondern ein unsichtbarer Widerstand auf der Wiese, man konnte drauf durchsehen, und man sah: Wiese. Ich legte mein Ohr an die unsichtbare Mauer und hörte Fluten, und durch die Fluten hindurch hörte ich gedämpfte Schreie, wie man sie aus Filmen kennt, wenn jemand unter Wasser schreit, panisch und mit Luftbäschen.
Ich merkte, dass ich das war, der da schrie, ja dumm auch, ich stand ja noch auf der anderen Seite der Mauer, mit dem Ohr angelehnt, und starb also, dann ging es ziemlich schnell, ich verstand die Logik des Traumes, wusste, dass dann auch ich sterben musste, als geträumte Existenz des Ertrinkenden, ganz logisch, ich bekam keine Luft mehr, und wurde mit einem gewaltigen Kraftakt zwölf Ebenen nach oben gerissen. Und wurde wach.

(Die Nacht nach Inception. Ein gutes Dutzend solcher Träume.)