[Mi, 14.5.2025 – Tetris, Waschanlage]

Das Auto zu Ende gepackt. Es ist wie Tetris spielen. Ich war darin immer sehr gut. Im Auto gibt es allerdings keine Linien, die wegbrutzeln, wenn man sie vervollständigt hat. Ausserdem befindet sich noch ein lebendes Tier auf der Rückbank und ich brauche beim Fahren natürlich mehr oder weniger freie Sicht durch den Rückspiegel nach hinten. Ich bin so ein Rückspiegeltyp, ich schaue ständig in den Rückspiegel, ich weiss auch nicht, warum das so ist. In Filmen schauen Fahrerinnen ja nie in den Rückspiegel, ausser es sind Taxifahrerinnen, die sich mit dem Gast auf der Rückbank unterhalten. Oder sie werden verfolgt. Aber dann geht es für die Rückspiegelschauerinnen selten gut aus.

Es wäre noch gut, den Wagen in die Waschanlage zu bringen, es ist das schmutzigste Auto in der ganzen Strasse. Auf der langen Fahrt nach Schweden werde ich so viele Insekten töten, dass sich zur bestehenden Schmutzlage aus Berlinstaub eine weitere Lage klebrigen Insektenprotein legen wird. Dummerweise traue ich mich nicht, alleine in eine Waschstrasse. Ich hatte bisher immer Freunde gebeten, mich zu begleiten. Das kann ich aber nicht mehr machen, in meinem Selbstbild bin ich ein mutiger Löwe, der sich alles traut, aber wenn es zu Waschanlagen kommt, schrumpfe ich zu einem kuscheligen Katzenbaby zusammen.

Es gibt aber auch diese Waschboxen, in denen man das Auto nach Münzeinwurf selber besprühen kann. Da hat mich mal ein Freund hinbegleitet. Aber alleine habe ich mich noch nicht getraut. Ich weiss nicht, was das ist mit Autowaschen und mir. Vielleicht liegts einfach am Waschen. Vielleicht bin ich einfach kein Autotyp.

Apropos Auto: daneben hat neulich ein Tesla gebrannt:

[Di, 13.5.2025 – Kulturelemente, Packen]

Die Zeitschrift Kulturelemente, ein Magazin aus Südtirol, veröffentlichte in der neuen Ausgabe einen Auszug aus der Novelle. Tadam.

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Ein Tag der Logistik. Zuerst das Auto zur Inspektion in die Werkstatt gebracht, dann die kleine, temporäre Komposttoilette abgeholt. Wie neulich erwähnt, werden wir ja eine Zusatztoilette brauchen, weil das Toilettenhäuschen für ein paar Tage eine Baustelle sein wird. Wir werden also zu fünft für einen oder zwei Tage in eine kleine Kompostbox kacken. Ich werde für die Entleerung und Nachbearbeitung dieser Toilette verantwortlich sein. Das ist nun mal so. Ich kenne meine Rolle in diesem Universum.

Mir war nicht bewusst, wie viel Material wir diesmal nach Schweden transportieren müssen. Da im Sommer die Waschmaschine kaputtging, beschlossen wir, keine neue Maschine nachzukaufen und stattdessen Wäsche entweder mit der Hand zu waschen oder sie nach dem Sommer nach Berlin zu bringen, wo wir sie waschen und über den Winter verstauen. Es betrifft vor allem Bettwäsche. Das ist eine riesige Menge. Und die Unmengen Wäsche per Hand zu waschen, hätte sogar Sisyphos abgelehnt und stattdessen lieber seinen Stein gerollt.

Wir werden nächste Woche also eine kleine Waschmaschine kaufen. Aber zuerst müssen wir alles nach Schweden transportieren. Zudem kommen verschiedene Kartons mit Einrichtungsgegenständen dazu. Das ganze Jahr über sagen wir beiläufig Sätze wie „Ach, das kann nach Schweden“. Meistens sind es Bilder oder Tassen oder Gläser. Es sind immer nur Kleinigkeiten. Allerdings ist es erstaunlich wie viele Kleinigkeiten sich in einem Jahr so ansammeln.

Das Auto wird voll. Und die Hündin muss ja auch noch mit. Das Kajak wird nicht Platz haben. Unsere Freunde, die dieses Mal auch mitkommen, wollen auf den Seeen paddeln gehen. Das will ich natürlich auch, aber das Kajak passt diesmal nicht, auch wenn es ein Faltkajak ist und leicht zu transportieren ist. Es ist dennoch zu sperrig für das vollgestopfte Auto. Andererseits wollte ich mir ohnehin ein billiges Plastikkajak für Schweden kaufen, damit ich es nicht immer transportieren muss. Die gibt es auf dem Zweitehandmarkt sicherlich günstig zu erwerben. Mal sehen.

Später rief mich die Werkstatt an. Es müssen Reparaturen durchgeführt werden. Die Kosten belaufen sich auf 1800 €. Der Zehnriemen muss ausgetauscht werden. Ich googelte nach Zahnriemen, das ist ein Gummiband mit einem Zahnprofil. Das alleine kostet 1300 €. Wegen complicato. Der Werkstattmann erklärte das Problem ausgiebig und verständlich. Was sollte ich schon einwenden. Ich habe ja keine Ahnung. Das wissen die Leute auch.

Ich hasse Autos. Mein Leben ohne Auto war einfacher. Und auch günstiger.

[Mo, 12.5.2025 – Hüfte wiegen, linker Daumen, in Hitze]

Wäre ich eine Frau, hätte ich gerne einen riesigen Po. Seit Wochen schmerzt mein unterer Rücken. Deswegen wiegte ich vor einigen Tagen auf dem Weg zu Edeka meine Hüften. Ganz langsamen Schrittes, wumms links, wumms rechts. Langsam, Schritt für Schritt den gesamten Hüftapparat nach links und dann nach rechts. Wie eine Wiege. Ich merkte, wie sich die Muskeln im unteren Rücken lockerten. Aber diese Präsenz, die man haben muss, wenn man den Po wiegen kann, man muss sich als Frau wie eine Göttin fühlen. Ich konnte mich sofort in Christina Hendricks hineinversetzen. Je grösser der Po, je mehr Göttin. Ich kann so natürlich nicht herumlaufen, ich bin als Mann ziemlich cissig, es sieht bei mir nicht gut aus, wenn ich mit den Hüften wackle. Und wer weiss, wie viele Menschen nachher die AfD wählen, weil sie sich ihres Geschlechtes beraubt fühlen.

Aber es würde mich schon interessieren, ob Christina Hendricks Schmerzen im unteren Rücken hat. Mir tut es jedenfalls gut.

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Nachdem ich aufgrund des Besuches meiner Schwester anderthalb Wochen nicht im Fitnessstudio gewesen war, ging ich heute wieder hin. Mir kommt vor, als hätte mir die Pause gutgetan. Ich schaffte alle Geräte mühelos. Während ich zuvor Schwierigkeiten an den Bizeps- sowie Trizepsmaschinen hatte. Komischerweise schmerzt mir bei der Bizepsmaschine jetzt der linke Daumen. Der gesamte Daumen bis hinauf zum Handgelenk. Keine Ahnung, was das jetzt soll. Wäre mein Körper ein Gedicht, wäre der schmerzende Daumen jetzt eine Metapher. Nur weiss ich nicht, wofür.

Am Abend traf ich mich mit meinem Lektor Klaus Ungerer auf einer Parkbank an der Karl-Marx-Allee. Wir hatten verschiedene Dinge zu besprechen. Demnächst kommt auch sein neues Buch heraus.

Währenddessen liegt meine läufige Hündin bei uns. Ab und zu kommt ein unkastrierter Rüde vorbei, der von ihren magischen Gerüchen angelockt wird. Einer der Rüden kennt sie gut und er ist nur schwer von ihr zu trennen. Glücklicherweise wissen die meisten Hunde nicht so gut, was sie tun müssen: Er steckt vor allem seine Schnauze ins Hinterteil meiner Hündin und nicht sein Fortpflanzungsorgan. Wenn man den Tieren nicht die Zeit gibt, kann man ungewollte Welpen in der Regel gut verhindern. Der eine verliebte Rüde musste an die Leine genommen werden. Ich sah ihn noch lange, viel weiter oben an der Promenade, wie er an der Leine zog und versuchte, zu seiner Geliebten zurückzukehren. Meine Hündin hatte ihn aber schnell vergessen.

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[So, 11.5.2025 – Komposttoilette, Pixel 8a]

Ich vergass zu erwähnen, dass ich am Montag die Komposttoilette bestellte. Wie ich mich im Übrigen auch nie detailliert zum Thema Komposttoilette geäussert habe. Ich berichtete lediglich, dass wir das Plumpsklo in unserem schwedischen Waldhaus durch eine Komposttoilette upgraden wollten. Vor einigen Wochen liessen wir uns ausführlichst dazu beraten und am Montag bestellte ich sie.

Der Plan sieht in etwa so aus:

Nächste Woche fahren wir nach Schweden. Ich werde die Hinterseite des Plumpsklohäuschens öffnen, reinigen und für den Einbau der Komposttoilette vorbereiten. Da dies ein paar Tage dauern wird, haben wir in der Zwischenzeit natürlich kein Klo. Wir könnten in den Wald kacken, was aber nur mittelmässig cool ist. Deswegen kaufte ich uns eine temporäre, kleine und mobile Komposttoilette, die wir für die kurze Zwischenzeit verwenden würden. Wenn die grosse Toilette eingebaut ist, werden wir die kleine in der Scheune abstellen. Ich bin mir sicher, dass wir dafür noch eine gute Verwendung finden werden.

Am Mittwoch kommen dann unsere Nachbarn mit ihrem Sohn nach. Der Sohn ist handwerklich sehr begabt und er wird uns helfen, die neue Komposttoilette richtig und stabil in das Toilettenhaus einzubauen. Er hat auch allerlei Ideen, das Häuschen etwas upzugraden. Das wird sicherlich gut.

Nun kam gestern die Toilette in dem Fachgeschäft an. Also fuhr ich mit dem Auto ins Bötzowviertel. Dort musste ich allerdings feststellen, dass die Toilette nicht ins Auto passte. Deswegen rief ich ein Lastentaxi, das mir den riesigen Karton nach Hause brachte. Ursprünglich wollten wir die Toilette mit dem Auto nach Schweden transportieren. Ich war tatsächlich der naiven Annahme, dass das möglich sei. Glücklicherweise hatte bereits der Sohn der Nachbarin angeboten, die Toilette mit seinem VW-Bus zu transportieren. So war der Schock gestern nicht so gross.

Am Abend kam meine Frau aus Frankreich zurück. Auch sie war für ein paar Tage weg gewesen. Allerdings beruflich. Wir setzten uns auf den Balkon und tranken ein paar Drinks in der Abendsonne. Das war schön.

Das Problem mit meinem kaputten Telefon habe ich mittlerweile gelöst, indem ich mich dafür entschied, ein neues zu kaufen. Das Alte zu reparieren kostet 300 €, das neue Telefon kostete 450 €. Das alte Telefon war das damalige Flagship-Handy von Google, das Pixel 7 Pro, jetzt begnügte ich mich mit dem Pixel 8a. Da es mittlerweile die 9-er Serie gibt, war es recht günstig zu haben. Das 8a reicht mir vollkommen. Allerdings hatte ich schon seit Jahren kein so kleines Display mehr. Immer, wenn ich das Gerät in die Hand nehme, denke ich, eine Fernbedienung festzuhalten.

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[Fr, 9.5.2025 – Sassnitz, Königsstuhl, Papam, Display, Webcam]

In der Binzer Hauptstrasse fand ich nach längerem Suchen ein Bekleidungsgeschäft mit einem schwarzen Hemd. Fast alle Bekleidungsgeschäfte in Binz hatten Hemden. Sie führten allerdings keine Schwarzen und auch keine Weissen im Sortiment. Dafür viele Hemden mit Palmen, Sonnen, Blumen, Vögeln und Fischen. Für ein Bewerbungsgespräch nur so mittel. Dann hätte ich mich auch in einem schwarzen T-Shirt vor die Kamera stellen können.

Erst in einem Laden mit Marken wie Boss und Lacoste wurde ich fündig. Zwar nur ein schwarzes Hemd aus Leinenstoff, aber in der Kamera kommt es nur auf den Kragen an. Die anderen Details sieht man nicht.

Danach fuhren wir nach Sassnitz und zum Kreidefelsen. Die Rezeptionistin unseres Hotels kam aus Sassnitz. Sie hatte uns gesagt, das sei der schönste Ort der Welt. Sie gab aber auch zu, dass sie in dieser Frage ziemlich voreingenommen sei. Wir fuhren dennoch hin und machten eine kleine Runde durch den Ort. Was uns sofort auffiel: Hier arbeiten die Leute. In Binz sieht man nur flanierende Menschen, in Sassnitz arbeiten sie. Ob ich den Ort schön fand, kann ich noch nicht ganz beurteilen. In Sassnitz gibt es auch viele dieser Holzhäuser aus der Jahrhundertwende. Sie wirken aber nicht wie Strandresidenzen, sondern eher wie repräsentative Wohnhäuser. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob mich hier nicht die gefühlte Arbeitsamkeit der Sassnitzerinnen beeinflusst hat.

Wir hielten uns da nicht sehr lange auf und machten uns auf den Weg zum Königsstuhl, diesem Bergzahn aus Kreide. Den Königsstuhl nannten wir die ganze Zeit lang „Kaiserstuhl“. Vermutlich brachte ich das durcheinander, weil ich einen langjährigen Freund habe, der am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg aufgewachsen ist. Der Begriff ist mir daher sehr geläufig, ich dachte aber, ein Kaiserstuhl sei eine allgemeine Bezeichnung für eine wasweissich, eine Landschaftsform. Aus dieser Verwechslung mit dem Königsstuhl weiss ich jetzt aber, dass das ein Gebirge im äussersten Südwesten der Republik ist. So finde ich es durchaus witzig, dass der Königsstuhl sich wiederum im äussersten Nordosten befindet. Das ist aber Zufall. Als hier Könige und Kaiser das Land regierten, lag der nordöstliche Zipfel des Landes noch ganz woanders.

War dann ganz nett. Es gibt einen sogenannten Skywalk, eine Schleife aus Beton, über die man laufen kann, und damit die Kreideküste überblicken und den Königsstuhl erfahren. Auf dem Gelände vor dem Skywalk gibt es ein sehr gutes Museum über Bäume, Geologie und Geologiegeschichte der Gegend. Meine Schwester fand das ungemein interessant, obwohl sie überhaupt keinen Bezug zu Geologie oder der Umgebung hat. In diesem Museum war allerdings nur meine Schwester drin, weil ich das Gebäude mit der Hündin nicht betreten durfte. Der Spaziergang durch den Wald zum Königsstuhl war aber super. Es gibt dort auch einen See namens Herthasee. Fand ich natürlich noch superer.

Auf dem Rückweg hielten wir bei Edeka an. Bevor wir ausstiegen, fand meine Schwester heraus, dass aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle weisser Rauch gekommen war und jeden Moment der neue Papst angekündigt werden sollte. Als fürchtige, aber nicht besonders ehrenhafte geborene Katholikinnen schalteten wir den Livestream an. Also sassen wir da im Auto auf dem Edeka Parkplatz. Das Telefon auf die Mittelachse gestellt. Der Petersplatz war voll. Die Menschenmenge wirkte wie ein sanft raunender und ächzender Organismus. Die Menschen euphorisiert, strahlend, wartend auf das Licht. Ein bisschen wie Woodstock.

Irgendwann kam der Kardinalprotodiakon und sagte die berühmten Worte, und gefühlte Jahre später trat der neue Pontifex auf den Balkon. Als während der Verkündung klar wurde, dass der neue Papst ein US-Amerikaner war, machte sich eine seltsame Enttäuschung breit. Der Petersplatz schien zu verstummen. Vielleicht war das auch nur meine Wahrnehmung. Vielleicht schauten sie alle nur auf ihre Telefone, um den neuen Hirten auf Erden zu googeln. Mich zog das anfangs schon etwas runter, dass gerade mit der heutigen Weltlage ein Amerikaner zum Papst gewählt wird. Ich konnte es regelrecht spüren, wie Trump und sein Baby-Vance vor Freude ejakulierten.

Später stellte sich allerdings heraus, dass Leo XIV aber vielleicht eine ganz okaye Besetzung ist.

Zurück in Binz war es bereits spät und wir gingen auf unsere Zimmer. Dort fiel mein Telefon auf den Boden und es zersplitterte sich das Display. Es ist das erste Mal, dass ich mir ein Handy schrotte. Ich konnte damit nur ganz schlecht umgehen. Die untere Hälfte des Bildschirms blieb schwarz. Die andere Hälfte funktionierte noch, aber gerade an der schwarzen Hälfte befinden sich die meisten Bedienelemente für Apps. Der Auslöseknopf der Kamera, die Auswahltabs, die Sendeknöpfe und natürlich das Inputfeld, wenn man eine Nachricht schreiben will. Ich fühlte mich, als hätte ich keine Beine mehr. Immerhin hatte ich den Laptop dabei. Ich verbrachte drei oder vier Stunden damit, eine Lösung abzuwägen. Neues Handy vs. Display reparieren lassen – und wenn neues Handy, welches denn? Es gab mehrere tausend Optionen. Irgendwann wurde ich todmüde und fiel in den Schlaf.

Am nächsten Vormittag zog sich das Unglück fort. Ich hatte den Bewerbungscall. Ich bereitete alles vor, las mich nochmal ein und zog das Hemd an. Etwa eine Viertelstunde vor Beginn wollte ich den geeigneten Ausschnitt für die Webcam auswählen, und in dem Moment stellte ich fest, dass die Webcam nicht funktionierte. Auch das Mikrofon funktionierte nicht. Ich schloss panisch alle Apps. Ich startete panisch verschiedene Tests. Ich startete auch panisch den Laptop neu. Es half aber nichts. Ich weiss, dass die Kamera funktioniert, deswegen ist mir gar nicht der Gedanke gekommen, die Kamera an sich zu testen. Ich wollte nur den Ausschnitt wählen.

Wegen des zerstörten Displays konnte ich auch nicht das Telefon verwenden. Also rief ich die Personalerin an, die jedoch nicht antwortete. Ich schrieb auch eine Email an sie, in der ich die Situation erklärte. Ich bat um einige Minuten Geduld, da ich zu jenem Zeitpunkt noch dachte, das Problem lösen zu können. Nach zehn Minuten musste ich mich allerdings geschlagen geben und bat um einen Folgetermin nächste Woche. Erst später fiel mir ein, dass ich mich wenigstens hätte einwählen können. Man hätte sehen können, dass ich anwesend bin, aber irgendwie ein Problem habe. Das hätte eine persönliche Nähe gebracht, bilde ich mir ein. Ich hätte auch das Telefon als Webcam im Verbund mit dem Laptop verwenden können. Ich weiss, dass mein Telefon das kann. Aber die Zeit war mir davongerannt und ich kam erst später auf den Gedanken.

Für einen Technikchef macht das natürlich keinen guten Eindruck.

So. Kunstpause,

Um den Ärger loszuwerden, fuhren wir nach Prora. Meine Schwester wollte noch ins Wasser. Die Wassertemperatur bewegte sich um die 10 Grad. Die Hündin fand das super. Meine Schwester fand es vor allem kalt. Aber auch total super. Sie sagte, es habe sie belebt.

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[Mi, 7.5.2025 – weisse Sonne, Rügen]

Es war ja fast zu erwarten, dass ich in diesen Tagen wenig Zeit für Tagebucheinträge haben würde. Ich habe eine gute Zeit mit meiner Schwester, wir sind viel unterwegs, und heute beschlossen wir sogar spontan, nach Rügen an die Ostsee zu fahren. Am Freitag habe ich ein Bewerbungsgespräch, der Plan sah vor, dass wir daher nur einen Tag bleiben können. Nach wenigen Stunden am Meer war meine Schwester aber dermassen begeistert, dass sie gerne noch einen Tag dranhängen wollte. Ich kann das Bewerbungsgespräch theoretisch ja auch von Rügen aus halten, ich brauche nur ein Hemd, weil das für ein Bewerbungsgespräch schlichtweg seriöser aussieht und es das Minimum ist, das ich an Aufwand aufbringen will. Oder zumindest einen anklebbaren, schwarzen Kragen. Wenn ich mit ihr einen Tag länger bleibe, spendiert sie mir ein Hemd, sagte sie.

So kamen wir vom Abendessen zurück und wir verlängerten unseren Aufenthalt um einen Tag bis Freitag.

Es ist hier wirklich sehr schön. Der Himmel ist blau, die Menschen sind freundlich und die Temperatur ist angenehmer, als sie mit ihren 13 Grad auf Papier hergibt. Das Licht ist bereits sehr hell, sehr weiss, wir nähern uns schon der Sonnenwende, In Longyearbyen geht die Sonne schon seit Wochen nicht mehr unter, in Lappland wird es nachts schon nicht mehr richtig dunkel. Ich vergesse immer, wie lange diese Sommersonne eigentlich dauert. Sie beginnt ja schon weit vor dem Sommer. In jener Zeit, die wir Sommer nennen, nimmt die Länge der Tage ja längst wieder ab.

In zehn Tagen fahren wir nach Schweden. Das Thermometer zeigt dort 1 Grad plus. Zugegebenermassen ist es 6:30 Uhr am Morgen, während ich diese Zeilen schreibe. Am Nachmittag wird es dort so warm wie hier auf Rügen, also etwa 13 Grad. Das ist schon in Ordnung.

Sonst habe ich wenig mitzuteilen. Ich habe kaum Notizen gemacht. Dadurch verschwimmen die Eckdaten, an denen ich entlangerzähle. Es ist so früh am Morgen und meine Wahrnehmung der letzten Tage dermassen ausgezoomt, dass ich nur das weite Blickfeld habe. Die Notizen werde ich wieder aufgreifen müssen.

Dafür gehe ich jetzt mit der Hündin runter zum Strand. Sie wird es lieben. Das freut mich jetzt schon. Die Sonne steht schon weit am Himmel.

[So, 4.5.2025 – Oberarme]

Ich weiss gar nicht mehr, was heute so passiert ist, ich habe aber vor allem Zeit damit verbracht, die Wohnung aufzuräumen, da meine Schwester zu Besuch kam. Um 17 Uhr holte ich sie vom Flughafen ab. Sie wird nun einige Tage hier bleiben, vielleicht fahren wir an die Küste, vielleicht hängen wir ein bisschen in der Stadt rum. Wir bleiben ganz spontan. Sie möchte mit mir ins Fitnessstudio. Das wird sicherlich gut.

Neben dem AfD-Shock, dass sie jetzt rechtsextrem ist, schlagzeilte die Bunte, dass Christian Lindner in Charlottenburg den Hund eines Filmschaffenden überfahren hat. Mein erster Reflex war es, Hassgefühle über den Mann der FDP auszuschütten. Hätte er meine Hündin getötet, dann hätte ich ihn in den Oberarm gebissen. Allerdings las ich anschliessend, dass ihn keine Schuld trifft und der Hund unangeleint auf einem Parkplatz stand. Offenbar hat er sich sofort aufopfernd um den Hund gekümmert und er war wohl sehr bestürzt über den Unfall. Es tat mir dann schon leid, welche Hassgefühle ich gegen ihn und seinen Oberarm aufbrachte.

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[Sa, 3.5.2025 – Ewige Jugend, Parfum, gute Ebayer]

Da ich mit meinen 50 Jahren aussehe wie 49 werde ich oft nach dem Geheimnis meiner Jugendlichkeit gefragt. Dafür gibt es zwei Gründe: Ich rauche nicht und ich gehe nicht in die Sonne. Allerdings weiss ich, dass sich die Sache mit der Sonne grundlegend geändert hat. Seit ich nämlich die Hündin habe, bin ich ständig in der Sonne, und wenn sich das so fortsetzt, werde ich auch meine ewige Jugendlichkeit verlieren. Ich trug nie Sonnenschutz auf meine Haut auf. Brauchte ich schlichtweg nicht. Das sollte ich jetzt aber grundlegend überdenken. In Berlin scheint nämlich sehr viel Sonne. Ich weiss, man merkt es dem Gemüt der Bewohnerinnen nicht an, aber Berlin und Brandenburg sind die Gegenden mit dem geringsten Niederschlag der ganzen Republik und es spielt auch bei den Sonnenstunden ganz oben mit.

Das sind die zwei Nachteile dieser Stadt: Das Meer ist zu weit weg und es scheint ständig die Sonne.

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Da meine Frau versehentlich mein neues Lieblingsparfum auf dem Badezimmerboden zerschmetterte, wollte ich es zuerst nachbestellen, allerdings sah ich, dass es von dem Duft eine Neuentwicklung gibt. Die Firma Schwarzlose hat ihr „Leder 6“ nämlich überarbeitet und nun den Duft „Leder 6-9“ herausgegeben. Das ist natürlich ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie nicht ganz zufrieden mit dem ursprünglichen Duft waren. Deswegen ging ich neulich zu Galeria am Alex um das neue Parfum zu testen. Ich verstand sofort, was sie daran geändert haben. Zum einen ist die anfängliche Nuance von verbrannter Milch nicht mehr da. Das mochte ich eigentlich ganz gerne, dieser Beigeruch verschwand aber immer schon nach einer halben Stunde. Und das Parfum ist jetzt in seiner Gesamtheit schwerer, dunkler. Ganz mein Fall. Nun sind die Düfte von Schwarzlose ohnehin Nischenprodukte und deswegen eher hochpreisig. Das neue „Leder 6-9“ gibt es auch nur in großen 100-ml-Fläschchen, der Preis beläuft sich somit auf fast 300 €. Ich habe da lange auf meinen linken Fuss und meinem rechten Fuss hin und her getrippelt und angewogen, Vor- und Nachteile aufgezählt. Und schweren Herzens, aber mit dem Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, schliesslich von einem Kauf abgesehen.

Allerdings kaufte ich jetzt auch nicht mehr das bewährte „Leder 6“. Denn es gibt ja die Weiterentwicklung. Für mich ist es damit ein toter Duft. Da bin ich ganz IT-Mensch.

Zuhause fand ich „Leder 6-9“ auf eBay. Dort verkaufte eine deutsch schreibende Frau mit russischem Namen ein gebrauchtes Fläschchen dieses Parfums. Wir schrieben ein bisschen hin und her und ich konnte die Flasche für die Hälfte des Preises erwerben. Immer noch stolze 150 €, aber immerhin vernünftiger. Zwischen dem verbindlichen Kauf und der eigentlichen Bezahlung wurde ich allerdings skeptisch und begann, nach Betrugsmaschen mit Parfums zu googlen. Und natürlich spielte sich das Angebot, in das ich hier verwickelt war, genau nach diesem Muster ab. Parfüm war gebraucht (aber nur 3 bis 4 Stösse), Hochglanzbilder und auf keinem der Fotos ist die Batchnummer abgebildet.

Also beschloss ich, den Kauf abzubrechen. Das war allerdings nicht ganz einfach, weil ich dem Kauf bereits zugestimmt hatte und ich damit nicht mehr abbrechen konnte. Ebay verlangte, dass ich mich mit der Verkäuferin einigen sollte. Der Verkäuferin schrieb ich, dass meine Frau den Duft nicht mag. Dafür brachte sie sofort Verständnis auf und so kam ich aus der Nummer wieder raus. Wobei ich ja noch nicht bezahlt hatte, ich hätte mich auch einfach weigern können. Aber es ist besser, wenn es gar nicht dazu kommt. Sage ich jetzt mal so. Bin ja ein guter Ebayer. Gernewieder.

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[Fr, 2.5.2025 – Schönwetterradverkehr, Ramenläden]

Den ersten Mai hatten wir ja wieder komplett ausgelassen. Auch Ostern oder die anderen Feiertage. Ich bin ganz froh, dass meine Frau diese Feierlichkeiten nicht interessieren. Dann komme ich selber nicht unter Druck, irgendwas unternehmen zu müssen, weil ein Feiertag ist. Zu Ostern gilt bei uns generell: Bloss nicht an die Ostsee oder an einen anderen See. Weil da alles verstopft ist. Meine Frau interessiert sich glücklicherweise auch nicht für schönes Wetter. Eine Exfreundin von mir hatte bei sonnigem Wetter ständig das Gefühl, dass sie draussen etwas verpasst. Da sie die Dinge aber nicht alleine nicht verpassen wollte, musste ich immer mit. Ich verpasse nicht gerne Dinge, aber ich weiss, dass ich nicht unbedingt etwas verpasse, wenn draussen die Sonne scheint.

Mit der Sonne kommen auch die Amateurradfahrerinnen auf den Strassen zurück. Sie sind langsam und träge und fahren immer mittig. Obwohl ich auf einem Damenrad mit Korb trete, bin ich immer der Schnellste von allen. Nur selten werde ich von behelmten Sportlern links überholt. Meist sind auch diese Herren in Feitschsportbekleidung langsamer als ich.

Heute war ich im Graefekiez verabredet und musste über diesen schrecklich schlechten und langen Fahrradweg durch die Skalitzer Strasse fahren. Diese 80cm breite Holperpiste, die man sich schon im Winter mit zu vielen Menschen teilen muss, aber heute auch noch mit den Schönwetterradelinnern. Horror. Weil ich vom Tempo genervt war, wich ich auf einen Seitenstreifen aus, ich fuhr zu nahe an einen Baum über das Wurzelwerk und vermutlich Metall oder Scherben wasweissich, wonach mein Hinterreifen ein lautes Ploppgeräusch von sich gab. Schliesslich hörte ich die Felgen auf dem Pflaster. Weit weg von zuhause und weit weg von meiner Verabredung.

Ich weiss nicht, was ich früher ohne diese ganzen Leih- und Tretroller gemacht hätte. Ich kam natürlich zu spät.

Jedenfalls assen wir dann Tacos bei El Rey und danach gingen wir in die Pflügerstrasse zum von mir geliebten „LagerLager“. Ein kleines Fachgeschäft für Bier mit dreivier Tischen und zehn Zapfhähnen mit erlesenen Biersorten. Ich war dort einer der ersten Kunden. Vor zehn Jahren war ich immer überglücklich, wenn irgendwo ein Laden eröffnete, der sich dem Bier verschrieben hatte. Zufälligerweise arbeitete ich auch noch dort um die Ecke, ich war dort wirklich sehr oft.

Heute standen wir aber vor geschlossenen Pforten. Auch das „Damensalon“ schräg gegenüber war geschlossen. Immerhin hatte das „Kauz und Kiebitz“ geöffnet, das auch grossen Wert auf eine gute Bierauswahl legt. Die Chefin des Kauz und Kiebitz klärte uns auf, dass sowohl das LagerLager wie auch das Damesalon jetzt dauerhaft geschlossen sind.

Das Schöne an Berlin ist, dass viele Sachen einfach schnell gehen, während manche Sachen sehr langsam passieren. Oft geschieht das aber in einer falschen Gewichtung. Sagen wir so: Meldebestätigungen gehen langsam. Aber schaut man einmal nicht hin, ist plötzlich eine Kneipe weg. Schaut man dann ein zweites Mal nicht hin, ist zum Glück wieder eine Kneipe da. Neuerdings wird es allerdings oft ein Burgerladen. Oder Ferienwohnungen. Oder Ramen. Oder Sushi.

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[Do, 1.5.2025 – Alkoholismus, Zyklen]

Ich ging gestern mit Überzeugung und gerne ins Fitnessstudio. Nach den zwei ausgefallenen Tagen freut mich das. Ich fürchtete den ersten Schlendrian.

Als ich vom Training zurück nach Hause kam, hatte ich ziemlich bald im Anschluss einen Bewerbungscall. Ich schmiss schnell ein schwarzes Hemd über. Darunter die kurze Radlerhose. Immerhin eine Hose. Wie sehr ich das optische Bullshitten vor der Webcam vermisst habe.

Später im Park traf ich eine Bekannte, eine Frau in meinem Alter. Wir drehten ein paar Hunderunden im Park und kamen auf Alkohol zu sprechen. Mich beschäftigt es schon länger, dass wir eigentlich zu wenig über Alkoholismus sprechen. Oder anders gesagt: dass viele Menschen in meinem Umfeld ganz offensichtliche Zeichen von Alkoholismus zeigen, sich in der Selbstwahrnehmung allerdings überhaupt nicht dessen bewusst sind und es abstreiten. Nun ist es eine Eigenschaft von Alkoholikerinnen, den eigenen Alkoholkonsum kleinzureden oder abzustreiten, aber davon abgesehen habe ich tatsächlich den Eindruck, dass die meisten schlichtweg nicht wissen, was Alkoholismus eigentlich ist. Bei Alkoholikerinnen denkt man ja immer an Menschen, die morgens zittern und einen Pegel aufrecht erhalten müssen, um zu funktionieren. Dummerweise ist das nur einer der 5 Alkoholismen. Das ist die Spiegeltrinkerin, die auffälligste von allen, aber auch die seltenste. Es gibt allerdings noch vier weitere Typen. Auch ich kann mich da gut einsortieren. Und es stimmt mich nicht feuchtfröhlich.

Zudem gibt es gute und simple Online-Tests. Ich empfehle sie den vielen vermeintlichen Gelegenheitstrinkerinnen.

Zur Erinnerung: Ich gendere meistens mit dem generischen Femininum.

Mit Alkoholismus ist das aber immer so eine Sache: Bis wo ist es ein obsessives Hobby und ab wann wird es ein Problem? Gesundheitliche Schäden kommen erst im Alter, und solange man nicht den Job oder die Partnerin oder Freunde verliert, ist es ja nicht so schlimm, oder?

Nun.

Die Hündin ist läufig. Es kündigte sich bereits seit einigen Tagen an. Sie liegt schwermütig und antriebslos herum. Und unkastrierte Rüden können nicht mehr die Schnauze von ihrem Hinterteil lassen. Sie ist noch genervt von den Typen. Ich weiss gar nicht, warum man Hündinnen läufig nennt, es sind ja die Rüden, die unkontrolliert über die Strasse rennen oder abhauen, wenn sie eine paarungswillige Hündin riechen. Ich hoffte, dass es noch zwei Wochen dauert, bis ihre Blutungen einsetzen. Da wären wir zwei Wochen lang in Schweden. Dort ist es entspannter für sie, aber vor allem für mich, weil ich mich nicht ständig mit Rüden bzw. Rüdenhalterinnen beschäftigen muss.

Hatte ich eigentlich schon einmal von dem schwulen Hund erzählt? Den treffe ich ab und zu auf der Karl-Marx-Allee. Lustigerweise treffe ich den meistens, wenn meine Hündin läufig ist. Wenn man mit einer läufigen Hündin einen sich nähernden, unangeleinten Hundepenis sieht, spricht man zwangsläufig mit den Besitzerinnen. Läufig und so, Kastriert janein?

Der Besitzer des schwulen Hundes sagte mir, sein Rüde sei schwul, der interessiere sich nicht für Weibchen. Und tatsächlich ist das sogar während der sogenannten Stehtage der Fall. Also an jenen Tagen, an denen unkastrierte Rüden glasige Augen bekommen und die Hündin sich auch empfangsbereit gibt. Das sind immer etwa 4 bis 5 Tage der gesamten Phase. Bei Hunden schaltet während dieser paar Tage alles auf Fortpflanzung um.

Dass der schwule Hund (klingt wie eine Beleidigung) dies völlig ignoriert, fand ich erstaunlich. Ich ging davon aus, dass bei Rüden in diesem Fall ein Notgeilheitsprogramm anspringt und es eigentlich egal ist, wie die Hundedame aussieht. Bzw welches Geschlecht man vorzieht. Jetzt stellt sich mir natürlich die Frage, ob sein Hund sexuelles Interesse an anderen Rüden zeigt. Aber die haben ja keine hormonellen Zyklen, die müssten also immer Triebe haben, das würde auch bedeuten, dass er ständig – nunja. Vielleicht ist das kein Thema, das man mit fremden Menschen auf der Strasse besprechen sollte. Ich gehe aber eher davon aus, dass er asexuell ist und nicht schwul.

Werde ich ihm aber nicht sagen. Er schien sehr stolz darauf.

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Achso und heute war der erste Mai.