[die Erinnerungsschnipsel]

Januar:
Am ersten Januarmorgen in Prerow aufgestanden und die Terrassentüren geöffnet. Ich stand da bei Plus 6 Grad in der Unterhose und dachte: boah.
Ein paar Wochen später nach Lissabon gefahren und die Füße in den Atlantik gehalten. Das war gut.
Im Januar kaufte ich mir auch meinen ersten Ebook Reader. Es würde sich nun die Gelegenheit bieten, einen ausführlichen Rückblick über meine Nutzung des Mediums zu verfassen, aber ich bin so einfach gestrickt, dass es mit einem Satz erledigt ist: dünne Bücher lese ich meistens in Papierform und dicke Bücher lese ich meistens im Reader. Aber manchmal auch nicht.
Okay, das waren jetzt zwei Sätze.

Februar:
Vom Februar bleibt nicht viel mehr in Erinnerung, als das Gefühl, den ganzen Monat mühselige und nicht sehr erfolgreiche Arbeit geleistet zu haben. Das ist rückblickend nicht schön.

März:
Noch deprimierender als die Erinnerung an den Februar ist die Erinnerung, dass der März genau so weitergegangen ist. Was sonst noch passiert ist: Otto Rehhagel wurde aus dem Ruhestand geholt um Hertha vor dem Abstieg zu bewahren.

April:
Ich will ja nicht sagen, dass die erste Hälfte des Jahres deprimierend war, schließlich ging es beruflich ab April wieder ein bisschen besser, aber über dem April hängt eigentlich nur ein großer Banner (dunkler Himmel im Hintergrund) auf dem steht: Abstiegskampf.

Mai:
Hertha steigt unter lautem Getöse in die zweite Liga ab. Gab es im Mai sonst noch etwas?

Juni:
Im Juni war ich das erste mal in Frankfurt am Main. Ich fand es sehr schön da und wunderte mich vor allem darüber, dass ich immer dachte, Frankfurt sei hässlich. Ich finde auch Frankfurt an der Oder schön, wobei ich mich auch da wunderte, dass ich immer dachte, Frankfurt an der Oder sei hässlich. Das sagt uns jetzt natürlich nichts.

Juli:
Im Juli haben K und ich einen Tanzkurs genommen, was ein unglaublicher Gewinn für unsere Liebe gewesen ist.
Im Juli habe ich auch Sky gekauft und muss für die Spiele fortan nicht mehr ins Stadion gehen (mache ich natürlich trotzdem) und muss mir keine wackeligen, illegalen russischen Internetstreams mehr ansehen.
Im Juli wurde auch der Balkon an meine Wohnung gebaut. Oder war das schon im Juni?

August:
Schweden. Seit vier Jahren schon fahre ich im August immer nach Schweden. Direkt im Anschluss begab ich mich ins Krankenhaus und ließ mir den Nabel operieren. Und weil ich schon dabei war, ließ ich mir kurz darauf auch noch den Kiefer operieren. Ich habe den ganzen August nicht gearbeitet, aber dafür viel Sky geschaut (die Wiederholung aller Hertha-Spiele der letzten Saison, um mich mal so richtig deprimiert zu fühlen, es geht mir ja immer gut, sonst, so.)

September:
Vom September weiß ich nur noch, dass ich gearbeitet habe. Irgendwas mit Regen war da auch. Und mit Hertha ging es wieder aufwärts. Im September hat man mir auch eine Tür zum Balkon gebaut.

Oktober:
Wenn ich an den Oktober denke ich: guter Monat.
Was ist sonst noch passiert? Da ich so viel Urlaub übrig hatte, buchte ich einen Spontanurlaub nach Südtirol. Eine ganze Woche. Fühlte sich wie ein Monat an.

November:
Hertha gibt richtig Gas.

Dezember:
Ich mag den Jahresendspurt immer. Die Termine, die noch gehalten werden müssen, die Menschen, die sich verabschieden, die Dinge, die noch abgeschlossen werden wollen und dann: Ton aus. Wäre ich Filmemacher, würde ich diese Lautlosigkeit mit einem Herzmessgerät darstellen. Weißer Hintergrund (verschwommen) und ein wiederkehrendes Piep, viel langsamer allerdings als ein Pulsschlag, eher so wie ein Ruhepuls, oder der Puls eines Komapatienten. Hinten raus, in Richtung Silvester verdunkelt sich das Bild und wird von einer Musik aufgefangen, die so etwas wie ein Gefühl der Erlösung auslöst.
Ist Jahresende nicht immer ein bisschen wie sterben? Ist es nicht immer ein bisschen wie den letzten Atemzügen zuzuhören? Ich glaube, ich wäre ein formidabler Filmemacher.

[…]

Am zwanzigsten fliegen wir nach Südtirol. Meine Mutter wird mit uns im Flugzeug sitzen. Ich schrieb ihr, wir flögen übrigens einen Tag vor dem Weltuntergang, ob wir den Flug nicht um einen Tag nach hinten verschieben wollen, dann sehen wir von oben, wie die Welt ohne uns unter geht. Sie hat mir darauf nicht mehr geantwortet. Vielleicht blasen wir das Ganze auch einfach ab und geben das Geld für etwas Besseres aus, ein letztes Abendmahl beim Japaner vielleicht oder wir setzen uns auf das Sofa und schauen The good wife, oder besser noch, Wetten, dass in der Mediathek, ist ja ewig her, dass wir sowas gesehen haben.