[Urlaubstagebuch 5]

Den ganzen Tag lang über Schlangen gelesen. Vor allem über die europäischen Varianten. Ich bin jetzt Schlangenprofi, wenn ihr etwas über Schlangen wissen wollt, nur zu.

Das Internet in Schweden. Wir haben hier Glasfaser bis ins Haus. Ich will mal verdeutlichen wo wir uns befinden: Der nächste Nachbar ist die Tante meiner Frau, die einen Kilometer flussaufwärts wohnt. Auch in einem roten Holzhaus mit Plumpsklo. Die nächste Asphaltstraße befindet sich anderthalb Kilometer nördlich. Der Weg dorthin ist aber so schlecht, dass wir mit dem Auto immer den südlichen Weg nehmen um auf eine feste Straße zu gelangen. Dieser ist zwar fast 5 Kilometer lang, aber in weiten Teilen besser befahrbar. Das nächste Dorf ist sechs Kilometer entfernt. Da gibt es aber keine Geschäfte, nicht mal einen Bäcker, deshalb fahren wir da nie hin. Der nächste Supermarkt ist etwa 16 Kilometer entfernt, in  Richtung Süden. Dort kann man auch Alkohol kaufen. Östlich von uns ist gefühlt gar nichts. Wenn ich auf Googlemaps scrolle, dann sehe ich zugewachsene Seeen, in etwa fünf Kilometern Entfernung ein paar (vermutlich Holz-) Häuser, aber lange, lange kein Dorf und irgendwann sehr weit weg kommt eine größere Straße.

Es gab hier im Wald schon 4G und LTE als Berlin noch voller Funklöcher war. Vor drei Jahren hat man dann die Glasfaserleitung gezogen. Richtig aufwändig unter den Fluss hindurch. Ab dem Fluss kam ein kleiner, lustiger Minibagger der einen 20cm breiten Graben quer durch den Wald grub. Der ganze Aufwand für drei Häuser, die auf dieser Seite des Flusses stehen, wovon zwei nur im Sommer bewohnt sind.

Ich schreibe diesen Text während ich mit einem Gigabit am Internet hänge. Wir schauen hier Netflix, nebenher läuft Internetradio oder Spotify. In Berlin beträgt meine Höchstgeschwindigkeit ziemlich genau ein Zwanzigstel dessen. In der Hauptstadt, you know, einer der größten Industrienationen, Hub der Internetfirmen.

Es ist so heiß. Im Haus ist es so warm, dass ich nicht darin sitzen will. Im Schatten vor dem Haus ist es so warm, dass ich nicht sitzen will, außerdem habe ich schon so viel über Schlangen gelesen, dass ich ganz unentspannt bin, wenn ich im Freien herumsitze. Also spaziere ich ein paarmal hinunter zum Fluss und wieder hinauf. K begleitet mich. Wir sind so träge, wir machen kleine und langsame Schritte, laufen gebückt, versuchen uns von Schatten zu Schatten bewegen. Unten auf der offenen Wiese beim Fluss ist es unerträglich. Auf einmal sehen wir einen fremden Menschen. Einen Menschen. Irre. Wir sind so überrascht als wäre es ein Ufo. Es ist eine Joggerin. Sie trägt einen Tanktop, hat stählerne Bauchmuskeln, einen blonden Zopf und Kopfhörer. Als würde sie durch Mitte joggen. K sagt: Bauch einziehen. Wir ziehen beide den Bauch ein. Die Joggerin grüßt freundlich und auch wir sagen: hej.

Sekunden später ist der Spuk vorbei.

Übernächste Woche fahren wir zu einer Hochzeit in die Nähe von Innsbruck. Ich freue mich schon sehr auf das klimatisierte Hotelzimmer. Das meine ich durchaus ernst. Ich habe diese Phantasie gestern Nacht als Einschlafhilfe verwendet. Ich stellte mir vor, wie ich nackt auf dem Hotelbett mit eingeschalteter Klimaanlage liege. Alleine. Ich schlief wie ein Lämmchen ein.

Heute schaute ich in meine Reiseunterlagen. Das Hotel heißt „Zur Sonne“. Ah, fickdich.

Es regnet. Seit 5 Minuten. Dieser Geruch. Ausrufezeichen.