[Tagebuch, Weihnachten, Silvester und viel etc]

Unser Weihnachten war eigentlich wie immer, wir ziehen uns an, als würden wir einen Preis für die Newcomer des Jahres in der Kategorie „Music Experimental Modern Victorian“ in Empfang nehmen, dann kochen wir und betrinken uns. Danach landen wir im Sofa und schauen einen Film. Dazwischen schenken wir uns manchmal etwas. Dieses Jahr haben wir Lichterketten gekauft. Mehrere. Und damit Möbelstücke eingewickelt. Wir hatten uns das sehr einfach vorgestellt, man fängt irgendwo an und wickelt einfach weiter bis die Lichterkette verwickelt ist. Das war dann nicht so einfach. Jede von uns beiden dachte, sie sei klüger als die andere und hatte bereits ein System im Kopf, wie die Lichterkette anzubringen sei. Beide Ideen waren doof. Aber weil wir beide immer denken, die Klügere zu sein, gerieten wir in Streit.
Später erkannten wir, dass wir beide scheiterten, wir stellten uns beide total dämlich an und fabrizierten leuchtenden Kabelsalat. Als wir das erkannten, waren wir versöhnt.

Wir hatten einen ziemlich durchgetakteten Essensplan. Keine aufwändigen Dinge, aber da wir beide dem alltäglichen Kochen am Abend nicht so zugeneigt sind, hat sich im Laufe der Zeit eine ganze Liste an Speisen, die man-immer-mal-kochen-wollte, angesammelt. In der Vorweihnachtszeit haben wir die alle mal aufgeschrieben und als weihnachtlichen Essensplan priorisiert.
Ganz oben auf meiner Wunschliste stand Chicago-Style Deep Dish Pizza. Das wollte ich eigentlich schon seit dem Chicago Besuch von vor 5 Jahren kochen. Die Deep Dish Pizza ist weniger eine klassische Pizza sondern eher so etwas wie ein Pizzakuchen, oder ein Pizza-Quiche. Mit sehr viel Käse und einem fluffigen, buttrigen Teig.
Als wir damals in Chicago das erste Mal in einem Deep Dish Pizza Restaurant waren, wollten wir gleich zwei bestellen, weil die auf den Nachbartischen so klein aussahen, aber der Kellner, der sich uns mit dem Namen Bob vorstellte und uns versicherte, dass er heute Abend unser Host sein würde, riet uns freundlich davon ab, er versprach uns, dass es vollkommen ausreichend sei, wenn wir uns eine teilen würden. Ich nahm solche Aussagen natürlich nicht ernst, Bob konnte ja nicht wissen, dass ich in Vollmondnächten ein halbes Kalb verschlingen kann.
Aber er sollte natürlich Recht behalten, ungefähr zur Hälfte der Deep Dish Pizza musste ich aufgeben.
Zurück in Berlin erfuhr ich, dass es in der ganzen Stadt keine Deep Dish Pizza gibt. In ganz Deutschland nicht. Vermutlich auch in ganz Europa nicht. In Europa denken Menschen ja gerne, dass gute Pizze nur von Europäern bzw italienischen Europäern gebacken werden kann und überhaupt: ein Reimport von italienischem Kulturgut aus Amerika, das geht ja wohl gar nicht. Aber gut, das ist wieder eine ganz andere Geschichte, ich liebe ja Amerikaner, wenn sie beim Essen auf Traditionen scheissen.
Es kann aber auch einfach sein, dass es die Chicago Style Deep Dish Pizza nur in Chicago gibt.

Wir haben dann die Chicagopizza gebacken und sie ist echt gut geworden. Eigentlich müsste man ein kleines Restaurant aufmachen und nur Deep Dish Pizza backen. Drei oder vier Sorten. Mehr werden auch in Chicago nicht angeboten. Sich ganz auf diese drei Sorten fokussieren und vorne auf das Lokal draufschreiben: the only Chicago Style Deep Dish Pizza in Berlin and Europe and everywhere else except for Chicago maybe.
Ich würde sowas ja gerne machen. Vier Wochen lang. Danach fände ich es vermutlich langweilig.

Auf unserer Liste standen auch Köttbullar, Trüffelpasta und Lasagne. Und Fishpie. Und Gulasch.
Hat mehr oder weniger alles geschmeckt.

Zu Silvester haben wir uns auf den Balkon gesetzt. In dicken Wollsocken und Winterjacken. Lustigerweise hatten alle Nachbarn die gleiche Idee. Wie wir um Mitternacht alle so auf den Balkonen standen und einander über die Strasse hinweg zuprosteten. Dieser Coronawinter wird mir immerhin mit einer gewissen Romantik in Erinnerung bleiben.

Das mit dem Balkon behielten wir bei. Immer wenn es kalt war, fiel jemandem von uns ein: komm lass uns Arktis spielen. Wir öffeneten uns einen Drink, zogen dicke Jacken an und setzen und auf den Balkon.

Ende Januar hatte ich dann Geburtstag. Eine ganz besondere Eigenheit, die uns Endejanuar Geborenen den Winter ganz besonders schmackhaft macht, ist der Geburtstag Ende Januar. Für Menschen, die nicht Ende Januar Geburtstag haben, gibt es nach Weihnachten keine Highlights mehr, vermutlich bis die ersten Maiglöckchen sprießen. Zumindest für Menschen, die dem Winter nichts abgewinnen können. Für die gibt es Weihnachten und danach beginnt ein großes, finsteres und kaltes Loch bis Ende März.
Endejanuargeborene haben Ende Januar Geburstag. Das ist so ein Überbrückungsglied. Andererseits: ich bin ein Winterboy. Für mich ist der ganze Winter ein Überbrückungsglied.