Täglich verlangsame ich meine Schritte, wenn ich an dem kleinen Kleefeld zwischen der U-Bahnhaltestelle und meinem Fahrrad vorbeilaufe. Es könnte ja sein, dass über Nacht ein kleines Vierblättriges gesprossen ist. Weil ein bisschen Glück, das könnte ich gerade gut gebrauchen. Ich würde es einstecken und mir denken, dass alles gut wird, was nicht mehr gut ist.
Das letzte Mal als ich ein vierblättriges Kleeblatt gefunden habe, ist gar nicht so lange her. Einige Jahre, ich war weg von zuhause und lag im Gras, spielte mit einer Nichte und als ich mich auf den Bauch drehte, guckte mich ohne jegliche Vorankündigung ein vierblättriges Kleeblatt an. Ich glaube es war sogar das einzige Mal, dass ich ein vierblättriges Kleeblatt gefunden habe, das Glück musste ich mir immer anderswo herholen, aber darüber bin ich mir gar nicht mehr so sicher. Ich pflückte es und ich war froh, im Glück zu sein.
Dann sah ich, genau neben dem Fundort ein weiteres Vierblättriges. Soviel Glück, dachte ich mir, das muss eine wunderbare Zeit werden.
Noch verblüffter war ich allerdings, als ich an derselben Fundstelle noch weitere vierblättrige Kleeblätter fand. Ich pflückte sie alle, sieben an der Zahl, und konnte mich vor lauter Glück gar nicht fassen. Einen ganzen Vorrat an Glück hielt ich da in der Hand, daran konnte ich ganze Jahre lang zehren.
Ich war damals verliebt, schnitt deshalb ein rechteckiges Stück Karton zurecht, legte die sieben Kleeblätter darauf und überzog es mit einer durchsichtigen Klebefolie. Das ärgerliche waren bloss die Luftbläschen, die ich nie wirklich rausbekommen hatte, obwohl ich die Folie mit einem Lineal aufgetragen hatte. Ich war eben schon immer ein etwas schlampiger Bastler. Zurück zuhause wollte ich den Karton mit den Blättern, meiner Geliebten schenken, sie solle es als Lesezeichen verwenden, weil sie immer Bücher las, im Bus, in der Pause und am Bahnhof, und somit würde auch ein ganzer Vorrat Glück, immer bei ihr sein. Ein Lesezeichen machte bei ihr sowieso mehr Sinn als eine Halskette, weil sie genauso oft ein Buch bei sich trug, wie andere etwas um den Hals. Sie bekam meinen ganzen Vorrat Glück, weil ich lebte doch schon vom nie enden wollenden Glück, sie lieben zu dürfen.
Etwas mehr als eine Woche später hat sie mich verlassen. Es muss ein sehr grosses Glück für sie gewesen sein. Aber vielleicht hab ich das mit dem Glück auch bloss falsch verstanden.
Oh die Glückskleeblattwiesen. So eine gab es auch in Linz. Auf dieser Wiese haben wir im Winter gerodelt (sie war am Rand etwas abschüssig) und im Sommer Fussball gespielt (sie war in der Mitte flach). Im Frühling wuchsen 4-blättrige Kleeblätter – massig. Ich habe sie auch gesammelt – nur niemanden geschenkt. Damals war ich noch zu jung, um verliebt zu sein. An einem Herbsttag habe ich mir genau auf dieser Wiese beim Fussballspielen den Arm gebrochen. Seitdem glaube ich nicht mehr an glücksbringende Kleeblätter. Hoffentlich hast du deiner verlassenden Liebe keinen gebrochenen Arm geschenkt.
Hoffentlich? Nein geschenkt habe ich ihr das nicht. Aber gehofft habe ich das wiederum auch nicht (Fortuna möge mir verzeihen für diesen Gedanken).
Aber ganz schicksalslos scheien diese verdammten kleinen Blätter nun auch nicht zu sein. Wenn man Deine Geschichte nun zu meiner gesellt, dann könnte man doch glatt meinen, dass es kleine, gemeine Unglücksbringer sind.
Meine Großmutter hatte die Gabe, vierblättrige Kleeblätter problemlos zu finden. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie in meiner Kindheit manchmal welche mit mir suchte, sie sagte dann: „Schau ‚mal, hier in diesem Stückchen Wiese ist eins drin“ und umrandete dann mit ihrem Finger ein heftgroßes Stück Wiese. Meist suchte ich vergeblich, bis sie es mir zeigte. Welche Wiese das war, war egal, es klappte bei ihr immer.
Als sie mit meinem Großvater verlobt war, hat sie mit ihm einmal gewettet, dass sie ihm zwei Sträuße (!!) pflücken kann. Sie tat’s und stellte sie ihm auf den Tisch. Es wurde übrigens eine sehr glücklich Ehe.