mein Freund, der Berliner Spatz

Wenn Tauben die Ratten der Lüfte sind, dann sind Spatzen die Mäuse. Der Lüfte. Ich weiß drum, wie wenig neu diese Erkenntnis ist und doch war ich bis heute ein großer Freund der Spatzen.
Spatzen pflegen eine besondere Zuneigung zu mir. Ausnahmslos alle. Und weil ich ihnen das hoch anrechne, gebe ich viel von dieser Zuneigung zurück. Wo auch immer es Spatzen gibt, kann ich getrost davon ausgehen, dass der eine oder andere gefiederte Geselle auftaucht, und mich aus der Nähe freundlich mustert. Sei es in Lithauen, wo sich der Spatz neben mich auf die Bank setzte und mich von der schmutzigen Schuhspitze bis zum unfrisierten Scheitel begutachtete, oder sei es der Spatz in Kroatien, der sich auf meine Zeitung setzte und auf meinen aufgekratzten Pickel schielte, so sind das nur einige wenige Beispiele, die der besonderen Lokalitäten wegen erwähnt werden wollen, um beiläufig den Eindruck zu erwecken ich sei ein weitgereister Mensch. Solche Anekdötchen könnte ich natürlich auch aus Hamburg erzählen, wenngleich die Spatzen dort spärlich sind, da der Himmel in der Hansestadt hauptsächlich von Tauben verfinstert wird. Und Tauben wollen nichts von mir. Weshalb sie die Bezeichnung „Ratten der Lüfte“ sicherlich nicht zu Unrecht tragen.
Und dann Berlin. Warum ich diese Stadt letztlich so mag, sind sicherlich die Spatzen. Berlin ist sozusagen eine Spatzenstadt. Und nicht nur wimmelt es in Berlin von Spatzen, sondern es leben dort auch die bestgelauntesten Spatzen der ganzen Republik. Oder der Welt meinetwegen. Glaubt es mir, ich kann Spatzenparallelen ziehen, nach Kroatien und Lithauen. Der Berliner Spatz hat Herz. Bis heute jedenfalls. Gestern noch, am Weissensee, der Spatz der sich auf meiner Zehenspitze sitzend, mich kaum beachtend, das Gefider putzte und der andere Spatz ein bisschen später, der sich unbeeindruckt aus der Hand füttern ließ — wirklich gesellige Kleinfederviecher hier.

Bis heutefrüh. Bis ich heutefrüh am Hackescher Markt meinen Milchkaffee trank. Bis sich dieser schienbar so lustige Spatz auf den Tischrand setzte und mich angrinste. Ich war wieder froh. Ich fühlte mich wie Franziskus von Assisi, zwar ohne Heiligenschein, aber mit dieser Aura der Glückseeligkeit, des Friedens und der Inneren Ruhe. Die Tiere lieben mich. So dachte ich. Auch wenn es nur Spatzen sind, die Mäuse der Lüfte, Überbringer von Krankheit und Pest und Tod, in handlichem Miniformat. Die Tiere lieben mich.
Der Spatz kam näher und grinste weiter. Ich lächelte zurück und genoss von meiner Aura. Er bauschte sich auf, so wie Vögel das oft machen, wenn sie sich wohlfühlen. Ich lächelte ihn an.

Der Spatz machte noch einen Satz nach vorne, stand dann neben meinen Kaffee, grinste mich nochmals an und schnappte sich den Kaffeekeks. Im nächsten Augenblick war er auf und davon.

Ich fühlte mich selten so alleine.

8 Kommentare

  1. Hihi. Aber wenn Sie ihn auch so einladend anlächeln, ist das kein Wunder.

    Ich traf heute einen Spatz im Supermarkt, er hupfte vor mir im Gang herum. Als ich ihn ansprach, flog er tschilpend übers Nudelregal.

    In einem Großmarkt hier in der Nähe, der so heißt wie die Pariser U-Bahn, gibt es seit Jahren Spatzen und Schwalben, das ist auch sehr hübsch.

  2. Wer Sie nur wegen Ihrer Kaffeekekse liebt, hat Ihre Zuneigung nicht verdient, Hr. Mek. Richtig so, dass Sie den Kerl in den Wind geschossen haben.

  3. Sieh es doch mal so: Erst jetzt, nach dieser Entidealisierung, wo du auch die negativen Persönlichkeitsanteile der Spatzen erkennst und akzeptierst, kann wahre Liebe zwischen euch entstehen.

  4. Dabei merke ich gerade Spatzen von Meisen nicht unterscheiden zu können.

  5. erstens habe ich mich durch diesen eintrag hier irgendwie an meine verstorbene großmutter erinnert gefühlt, ich weiß nicht mal genau warum und an mein kindliches interesse besonders an spatzen damals. danke dafür.
    und zweitens könnte man es auch so sehen: der spatz hatte hunger. er schaute sich um und sah einen ihm überaus sympathischen zeitgenossen, von dem er glaubte, der würde ihm sicher GERN seinen keks schenken. dann hat er sich den zeitgenossen noch einmal aus der nähe angesehen, der erste eindruck bestätigte sich, der mensch lächelte sogar und das nahm er als einverständnis.
    also: am besten freuen, einem spatzen etwas gutes getan zu haben.

  6. Übrigens sind die Spatzen in Berlin erst seit letzten Winter (also seit dem harten 2005er) wieder zurück, davor war auch hier zwischenzeitlich Taubengebiet, war mein Eindruck. Ich vermute, sie kämpfen mit den Tauben um dieselbe Nische und vertragen die Kälte mittelbar oder unmittelbar besser. Jedenfalls gut, daß sie den Tauben die Überlegenheit kleiner mobiler Einheiten beweisen.

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