Ich könnte jetzt hunderte Fotos hochladen. Vom letzten Wochenende. Als ich für zwei Tage in meine Heimat fuhr. Auf den Tschögglberg, um die Gläser zu heben, auf meine Schwester, die diese nimmerendenwollende Studienjahre in Wien mit Bestnote abgeschlossen hat. Ich könnte Fotos hochladen von diesem einzigartigen Ort, das Wirtshaus am Tschaufen, auf diesem lichten Hügel oberhalb der Klippen die steil und tief ins breite Etschtal abstürzen. Wie Julietta und ich draußen auf der Wiese saßen, die Spitze des Penegal suchten, ich ihr die Burgen zeigte und benannte, die man zu unseren Füssen im ausgestreckten Tal den Jahrhunderten trotzen sah. Man kann das ganze Überetsch überblicken, die Dörfer wie Flecken auf einem Teppich, und von Bozen nur den allgegenwärtigen sommerlichen Dunst der sich ins Etschtal hineinstreckt.
Später der lange, gedeckte Tisch auf der Wiese. Wie wir alle da saßen, Familie, Schwiegerfamilie, Großeltern, Enkel, die Nachbarn. Das Essen in 5 Gängen vom jungen Pater, der stundenlang in der Küche kleine Kunstwerke fabrizierte. Wie es mich faszinierte in dieses liebevoll zubereitete Fleisch zu beissen, mich den fleischigen Freuden dieses zutiefst geistigen Menschen hinzugeben. Dann der Guate Rotwein der uns in der Nachmittagssone ganz sanft auf die Augenlider drückte. All die rotbackigen Kinder die dort gerade aufwachsen, von denen man später mal sagen wird, die seien nie krank, die haben ja ihre ganze Kindheit im Schlamm gewühlt. Wie unbeholfen die kleinen Mädchen in ihren Kleidchen wirken in die man sie gesteckt hat. Rosa Kleidchen und auf dem Hintern natürlich der obligatorische Schmutzfleck. Die Knie verbeult.
Und wie nachher die Freunde aus den Tälern und aus den Städten kamen. Atemlos, weil man auf den Tschaufen nicht mit dem Auto hinauffahren kann. Die Freude des Wiedersehens bei Grillwurst, Grillauberginen und Kartoffelsalat. Wir spielten Karten, ich lernte das Wattn. Und verlor natürlich. Als ich kurz davor war zu gewinnen wurde ich vom rauchenden Brotofen abgelenkt. Brotofen, dachte ich und staunte als mir bewusst wurde, dass da ein eigenes, kleines Gebäude neben unseren Tischen stand in denen Brot gebacken wurde.
Wie die Nacht hereinbrach, ohne dass ich es wirklich merkte, weil der Rotwein schon lange Schatten über mich geworfen hatte, wie wir wieder zu zweit auf der Wiese saßen, nur diesmal die Sterne über uns, und im Etschtal die Lichter der Überetscher Dörfer schillerten und die Lampen der Strassen die diese wie eine Lichterkette verbanden, als würden sie wachen. Im Hintergrund der Penegal, die Mendel, weiter links das Weiß- und das Schwarzhorn, dunkel hervorgehoben im vom Mond erleuchteten Alpenhimmel. Während oben am Haus die Leute feierten. Später sangen meine Schwestern und Schwiegerschwestern die Beatles. Und Schlaflieder. Ich war gerührt und dachte für einige Momente es seien Engel, so klar waren ihre Stimmen und so seelig sangen sie. Ich habe sie alle fotografiert. Und den Engelchor habe ich sogar gefilmt.
Nachts schliefen wir alle im Heustadel. Einige legten ihren Schlafsack auf die Wiese. Beim Einschlafen knisterte es. Als ich morgens das Stadeltor öffnete, schien mir die Sonne ins verschlafene Gesicht und unter mir waren im breiten Etschtal die Lichterketten dem neuen Tag gewichen.
Ich könnte auch Fotos hochladen vom Abschied am Bozner Bahnhof, wie ungerne wir uns alle trennten, sogar in Gruppen vor der Kamera posierten, wie man sagte, man sähe sich bestimmt bald wieder, und wie man dann doch immer weiß, dass es wieder viel zu lange dauern wird.
Aber ihr ahnt es. Es hängt über diesen Text wie diese altmodische Stichwaffe jenes unsympatischen Griechen: Ich habe im Zug die Fotokamera verloren.
Das mit der Kamera ist natürlich schade. Aber der Text klingt so schön, daß man glatt neidisch wird, nicht in den Bergen zu leben.
schön, dass man die bilder jetzt trotzdem sehen kann.
*
(die bilder, die trägt man nah am herzen, wenn nicht sogar mittig drin.)
Weil ich es kenne. Weil ich es bis zum Scheiß-Heuboden-Schlafen kenne. Weil ich es kenne und vermissen muß und vermissen will und nicht ertragen kann. Weil ich es kenne, das Vermissenmüssen, bloß daß es in meinem Fall Salzkammergut heißt. Nomaden. Irgendwie sind wir scheiß Nomaden. Immer, wenn es Nacht wird auf Autobahnen, denken wir nach. Und werden Söhne, Töchter, heulende Irgendwasse, nah am Wasser gebaut. Wo komm ich her. Wo geh ich hin. Und was soll der ganze Scheiß. Und dann der Sternenhimmel.
Drecksdamokles! Aber: The word is mightier than the sword – und die Bilder funktionieren auch ohne Fotos. Dankeschön.
Wunderbar.
Und fotografieren konnte ich ohnehin noch nie. Das Scharfstellen, ein Ding der Unmöglichkeit. Ist ja alles scharf da.
schwiegerfamilie? mädchen in kleidchen gesteckt? junger pater?
Traurige Pointe. Aber wenn du jetzt wattn kannst, dann kömma ja amal spuin. Ums Bummerl.
Wenn mir sagst was ein Bummerl ist, dann kümmere ich mich um die vierte Person.
Schön.
Danke!
Das ist eine Art Einsatz. Mehr dann vor Ort. Muss auch nochmals kurz nachsitzen. Ist lange her.