[hautung]

Ich habe noch nie jemanden gesehen, der eine Jungfrau auf seinem Schulterblatt tätowiert hätte, oder eine Waage auf dem Knöchel. Skorpiongeborene aber machen das oft. Zugegeben, so ein Spinnentier mit Stachel gibt schon etwas her, das hat etwas kämpferisches und schmerzhaftes, die Assozation, das ganze auf die Haut zu übertragen, mit Schmerz und der damit einhergehenden kämpferischen Pose, drängt sich geradezu auf. Ich mag Skorpiongeborene üblicherweise sehr gerne, eine meiner Schwestern ist Sternzeichen Skorpion, viele liebgewonnene Menschen sind Skorpion. Einmal wurde ich in einem fremden Bett wach und schaute an die Wand, dort saß ein dicker, schwarzer Skorpion, und tat, nunja, eben: sitzen. Da ich vor Aufregung nicht mehr schlafen konnte, weckte ich die andere Person und sagte: hey, da ist ein Skorpion an der Wand. Die Person wälzte sich und sagte, ich solle ihn aus dem Fenster schmeißen. Das klang damals sehr logisch. Auch heute noch. Deswegen nahm ich eines der geleerten Weingläser am Bettende und stülpte es über den Skorpion. Mitten im Vorgang des Überstülpens wurde ich allerdings nervös, ich hatte dem Tier in die Augen gesehen und es wurde mir auch bewusst, dass ich es gerade mit einem Skorpion zu tun hatte, mensch, ein Skorpion, das sind ja die Tiere aus den Westernfilmen, was hatte der eigentlich hier im Schlafzimmer zu tun, das fiel mir so ein, und dann sah ich auch den fetten Stachel, war der nicht giftig?, ich meine, er hielt ihn nicht aus Eitelkeit in Position, wobei ich schon sagen muss: sieht verdammt gut aus, so einen Stachel in Position zu halten, aber ich war ein wenig unbedacht in Aktion getreten, das Weinglas jedoch schon in Überstülpmodus, und viel zu spät merkte ich auch, dass das Glas viel zu klein für das Tier war, himmel, ich war gerade wach geworden, es tat mir wirklich leid für das Tier, ich drückte also den Rand des Weinglases auf den fetten Stachel des Tieres, merkte, dass es viel zu spät war und, nunja, das war dann ein bisschen blöd: ich nackt, das Weinglas an die Wand drückend, darunter ein gequälter Skorpion und ich keinen weiteren Plan.
Ich bat die Person im Bett um eine Postkarte, aber es gab keine Postkarten in der Wohnung, ich bat sie um etwas Flaches, aber es gab nichts wirklich Flaches in der Wohnung. Letztendlich bekam ich eine Ausgabe des Corriere della sera, den ich als ganzes Bündel, weil ich ja Widerstand haben wollte, zudem effizienten Schutz gegen den Stachel, unter das Glas schob, als das dann irgendwie schief ging. Der verwundete Skorpion entwischte und fiel in den Kleiderhaufen auf dem Boden.
Das ist das Ende der Geschichte mit dem Skorpion. Wir sahen ihn nicht mehr wieder.
Sonst kenne ich Skorpione eigentlich nur aus Bildern, meist von Tätowierungen.
Man sieht sie auch, aber weitaus seltener: tätowierte Stiere. Aber irgendwie ist ein Stier zu bullig, er scheint sich nicht durchgesetzt zu haben, es fehlt dem Stier die Eleganz, Frauen mögen ungerne bullig wirken, oder sich mit Bulligkeit identifizieren. Unbullige Männer auch, welcher Mann will schon bullig sein, außer die Schweine vielleicht, aber aber aber: hätte der Stier bloß nicht diese Hörner! Die haben schon was. Man denke nur an die Silhouette des Madrilenischen Stieres auf rotem Hintergrund. Die geschwungenen Hörner, Teil eines Schattens, majestätisch, mysteriös, unbesiegbar.
Auch Löwen böten sich an, auch wenn das schon ein sehr aufgeblähtes Bild ist, so großkotzig von Königen und Zigarettenmarken missbraucht.
Ich bin ja Wassermann. Zwei übereinanderliegende Wasserwellen, oder: ein schuppiger Typ mit Fischernetz und Riesengabel. Weissnicht. Die Wellen kokettieren vielleicht mit einer ästhetischen Symbolik, aber Symbolik ist nur gut, wenn sie so etwas ist wie eine Brandmarkung ist, Erkennungszeichen unter zu tode geweihten, oderso, Astrologie ist mir da zu humbugmäßig, zudem bin ich Aszendent Löwe, und seit mitte zwanzig viel mehr in meinen Aszendenten hineingewachsen, dass mir Wasserwellen und überdimensionierte Gabeln ohnehin so Wurscht sind wie Käsekrainer. Aber egal.
Was ich vielleicht sagen wollte: man sieht wieder zu viel Haut. Herbst, komm über mich.

5 Kommentare

  1. Hm, ich weiß nicht. Ich bin Skorpion und würde gern noch ein paar Tage Haut zeigen, aber um mich herum ist schon wieder dieser Herbst.

  2. Bin Löwe. Und bis ich mich entschieden hätte, das tätowieren zu lassen, hätten es schon wieder alle anderen Leute. Und man wäre ohne Tatoo die Ausnahme.
    Löwe hat was. Eine Stunde für’s Jagen plus Aufessen und dreiundzwanzig Stunden für’s Ausruhen und den Rest, ohne dass sich einer traut zu stören.
    Darauf lege ich übigens besonderen Wert

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