[Fr/Sa 14./15.1.2022 – Reise]

Heute arbeitete ich von zuhause aus, damit ich nach getaner Arbeit den Laptop beiseite schieben und mich mit den Koffern ins Auto setzen kann. Wir wollten heute die halbe Strecke fahren. Üblicherweise fahren wir bis Franken, letztes Mal bis nach Greding. Da wir heute etwas früher dran waren, fuhren wir bis Garching, einen Vorort von München. Über Garching dachte ich, es sei eines dieser furchtbaren bayrischbarocken Orte zwischen hügeligen Wiesen, stattdessen landeten wir in einem Hotel in einem Science Campus nördlich von Garching. Es sieht genau so aus, wie man sich einen Science Campus vorstellt. Wie ein Business Campus aber ohne die dicken Autos. Und natürlich ausgestorben. Vielleicht war das die Strafe, dass ich immer über diese bayrischbarocken Dörfer schimpfe.

Ich fand es dennoch lustig. Wir wollten diesmal ohnehin kein Abendprogramm abspulen. Weil meine Frau alte Menschen trifft, wollten wir so gut es geht isoliert auf Reise sein und hatten deswegen Restaurantbesuch und Frühstück gestrichen. Wir bestellten uns ein Abendessen und durften es mit auf das Zimmer bringen.

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Auf der Fahrt streiften wir hunderttausend Themen. Wir können im Auto ganz besonders gut reden. So kamen wir auf einen Verwandten meiner Frau zu sprechen. Über den Grossvater ihrer Grossmutter. Das war ein schwedischer Hofkomponist aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Mich beeindruckt so etwas ja. Wenn ich auf meine Verwandtschaft zurückschaue, dann blicke ich auf 50 Generationen trinkender Bauern.
Ihr Ur-Ur-etc-Ahn hat sogar einen eigenen Wikipedia Eintrag und auch seine Kinder widmeten sich der Komposition. Sie waren damit allerdings nicht so erfolgreich wie deren Vater. Ich sagte zu meine Frau, sie solle bitte auf Spotify danach suchen und in der Tat, es gab mehrere Aufnahmen seiner Kompositionen.

So hörten wir ein bisschen zu. Es war eine Musikstück für Orgel. Meine Frau schaltete aber nach einigen Minuten aus. Gefiel ihr nicht.
Ich konnte es nachvollziehen. Es passte nicht. Wir müssen das aber einmal mit etwas mehr Konzentration nachholen.

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Am Morgen hatten wir einen frühen Termin beim Testzentrum in Garching und danach fuhren wir gleich weiter in Richtung Süden. die Autobahn nach Kufstein war wegen eines Unfalls gesperrt, also leitete uns Googlemaps durch bayrische Dörfer in denen sich die Blechboxen in Schritttempo durchquälten.

Mit anderthalb Stunden Verspätung kamen wir dann in Meran an.

4 Kommentare

  1. Ich habe tatsächlich teilweise in Garching studiert, und fand es so trostlos, dass ich beschlossen habe, nach dem Diplom keinesfalls eine akademische Karriere einzuschlagen. Mathematiker und Naturwissenschaftler werden ja in fast allen Städten auf so einen Supercampus vor der Stadt abgeschoben, und man könnte oft nicht mal sagen, auf welchem Kontinent man sich befindet Das Bayerische Dorf gibt es auch, man muss aber mindestens 20 Minuten vom Campus zu Fuss gehen, um dorthin zu kommen, oder eben die U-Bahn nehmen, die gab es damals aber noch nicht.

  2. Das war ja auch eine Mode. Die räumliche Trennung der Funktionen. Wohnen von Arbeit etc. Es war sicherlich gut gemeint, nehme ich an.

  3. Aus meiner Sicht eher so: Der Supercampus ist zumindest teilweise die Materialisierung des Vorurteils, dass nur die Geisteswissenschaftler irgendwie kulturell stimuliert werden muessen, damit ihre Seelen nicht verdoerren. In jede Sozialsiedlung setzt man ja noch irgendwie einen Jugendtreff und einen Bolzplatz, Supercampusse haben aber im Startermodus: Eine Mensa, die am fruehen Nachmittag irgendwann schliesst, Fachbibliotheken, diverse und teilweise gute Kaffeeautomaten, ein Buechergeschaeft mit ebenfalls streng fachlicher Literatur und eine Art Spaetkauf, der auch Tampons verkauft. Schuld sind evtl auch Physik und Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie, die ja immense Drittmittel zur Verfuegung haben (zum Durchqueren des Maschinenbaugebaeudes in Garching braucht man mindestens 10 Minuten), und sich immer groessere Raeume wuenschen. Kein Architekt scheint sich aber je zu fragen, welche sozialen Bedurfnisse hier so existieren. Der Betreuer meiner Diplomarbeit, ein relativ vornehm wirkender Mensch, der immerzu fuer eine Beerdigung korrekt gekleidet gewesen waere, und vor dem Umzug in seinem Buero in einem Jugendstilbau die Waende mit einer dicken Nikotinschicht und Japanischen Rollbildern ueberzogen hatte, blickte von seinem nagelneuen Buero mit abriebfestem Teppichboden nun auf den Parkplatz, dahinter Felder. Im Winter sah man nur noch den treibenden Schnee. Das schien mir das brutale an de Situation, dass alle, die sich in den alten, ueber die Innenstadt verteilten Gebaeuden so nach Neigung und Kollaboration raeumlich adaequat eingerichtet hatten, mit so einer Neuplanung unterschiedslos in eine Art uniformen Bienenstock hineingeklopft wurden. Denn gerade das unpraktische und die phantastisch gewachsenen Provisorien sind ja auch etwas, in dem so ein Institut sich abbildet, und das hat mir dann furchtbar gefehlt.

    Man hat mir mal die Zustaende der ersten Jahre in Adlershof beschrieben, das schien schon sehr aehnlich, mit einem kompletten Mangel an unkritischer Infrastruktur, am SBahnhof immer neu scheiternde Verkaufsstaende. Natuerlich gibt es inzwischen auch im Bayerischen Garching mehr und bessere Restaurants, und wir sind letztens mit dem Auto in Adlershof an der mathematischen Fakultaet vorbeigefahren: Es schien sich dort eine Art Bar installiert zu haben, und Studenten tanzten lautlos im bunten Licht. In zwanzig Jahren, denkt mein Mann, wird Adlershof vielleicht hip sein, Ob es wohl tatsaechlich an der de facto ueberwiegenden introvertiertheit der mathematisch/naturwissenschaftlichen Studenten liegt, dass sie sich ihren Spass nicht selbst zu organisieren wissen, oder der tatsaechlich feindseligen Umgebung, die dazu auch nur minimale Moeglichkeiten bietet, jedenfalls kann man diese Misstaende nicht so ganz einfach wegerklaeren, und diese feindseligen Umgebungen, was soll denn “gut gemeint” in dem Zusammenhang wohl heissen?

    Entschuldigung fuer das erneuete ueberschreiten vernuenftiger Dimensionen beim Kommentieren, aber das Unglueckliche dieses Umzugs haengt mir immer noch nach, und ob man das nicht ganz anders und viel besser machen koennte.

  4. Wir können demnächst gespannt auf den neuen Tech Campus in TXL schauen. Man hat ihn schon mal Tech Republic genannt. Ich bin gegenüber Homogenisierung in der Stadtplanung aber immer sehr skeptisch eingestellt.

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