der Kampf mit dem Sieg

Seit jenem tragischen Tag an dem ich mein Brecheisen verlor, bin ich ja auf bestem Wege maßlos zu verspießen und mich der gähnenden Eintönigkeit meines leistungsorientierten Bürolebens hinzugeben.
Wenn mitten in der Nacht morgens um 05:40 mein Wecker klingelt, stehe ich auf, laufe in meinen Bloggerbunker, schalte den Rechner ein, laufe zurück in die Küche, schalte den Wasserkocher ein, stelle Milch auf den Herd, kippe lösliches Kaffeepulver ins ein Glas, schmiere etwas Honig auf eine Scheibe Brot, dann mische ich das heiße Wasser und die heiße Milch ins Glas und kehre zum Rechner zurück auf dessen Bildschirm mir inzwischen die freundliche Ödnis meines leeren Desktops entgegenlächelt.
Jeden Tag setze ich mich dann hin, klicke den Firefox und den Thunderbird an und während ich zum erstem Biss in meine Honigbrotscheibe ansetze, schaue ich auf die Computeruhr: es ist jeden Tag 05:47.
Gestern merkte ich das erste mal, dass dies das unverkennbare erste Zeichen ist, maßlos zu verspießen. Am Abend dann, fest entschlossen mein Leben drastisch umzukrempeln, stellte ich feierlich, weil siegesgewiß, meinen Wecker auf 05:39.

Als ich heute früh in meine Honigbrotscheibe biss, war es 05:46 — und ich fühlte mich bedeutend wohler.

9 Kommentare

  1. Örx, diesen Erkenntnismoment identischer Uhrzeiten auf dem Bildschirm hatte ich vorgestern. Nahm mir vor, morgens statt Internet gleich Zeitung zu lesen. Dann fiel mir ein, dass ich nur über Computer anständig Radio hören kann. Also doch keine Änderung.

  2. Haha. Es gibt aber bestimmt so Anti-Spießment-Plugins, die verrückte Sachen machen mit der Zeit. Damit uns dann auch so coole Sachen passieren können, wie: zu spät auf die Arbeit kommen!

  3. oh, wie gut kenne ich das. und am wochenende macht man ein auge auf, und es ist die selbe zeit. der unterschied: man könnte ausschlafen.

  4. Ich habe ein Brecheisen, das ich nur selten benutze. Ich werde es Dir überlassen. Dieses Elend muss aufhören.

  5. Ein Honigbrot, also. Ich habe mich manchmal gefragt, ob sie etwa um diese frühe Stunde nur mit einer Tasse Kaffee am Rechner sitzen, wenn Sie uns besuchen. Dass Sie sich dabei ein Honigbrot munden lassen, finde ich sehr beruhigend. Den Gedanken an eine einsame Kaffeetasse um diese Zeit fand ich nämlich ein bisschen traurig. Die Welt braucht mehr Honigbrote.

  6. Ja, Honigbrote für den Weltfrieden. Schließlich war auch Arafat dem Honig erlegen.
    Heute früh habe ich allerdings Brot mit Mozarella und Tomaten versucht. Das hat eine Minute länger gedauert.
    Und da saß ich dann wieder am Rechner, setzte zum Beißen an und die schreckliche Zahl prangte wieder auf meinem Bildschirm: 05:47

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