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Gezwungenermaßen schonwieder in der ersten Klasse fahren wegen diesen Sonderspezialpreisen, die die erste Klasse billiger machen als die Zweite. Und natürlich kaufe ich die billigeren Tickets. […]


Ich setze mich in die zweite Klasse, der Gesinnung wegen, in der ersten Klasse bin ich fremd, in der ersten Klasse gibt es diese Attitüde des Abgeschottetseins, in der ersten Klasse würdigt man sich beiläufig mit einem wissenden Blick, Teil einer Privilegienmaschinerie zu sein, und schweigt, und schweigt, und ignoriert sich nach Kräften, weil man sich diese Abgeschottenmheit so teuer erkauft hat, dass […]


Ich stehe im Bordbistro mit einer 37cl Flasche Rotwein. Die Bahnwirtin hat mir zwei Flaschen zur Auswahl gegeben: eine Kleinere und eine Größere. Ich wählte die Größere und sagte „Ach, da ist ja mehr drin“. Ich erntete einen eigenartigen Blick. Dabei trage ich Krawatte, herrje, Krawatte, eines Kaisers neues Kleid. der Berliner Krawattendurchschnitt mirnichts dirnichts um eins zu dreikommavier Millionen, im Städteränking nach oben gedingst.


Die Angst vor dem Schaffner, der mir vor versammelter zweiter Klasse die Leviten lesen wird: Gehen Sie zurück in die erste Klasse, was fällt Ihnen ein, sich herabzulassen? Gesicht verlieren, böse Blicke ernten.


Ich stehe nur Im Bordbistreaux. Ich habe noch die kleinere Flasche dazugekauft. Der Wein in der großen Flasche hatte eine leichte Note von Altpapier, von nassgeregnetem Karton, irgendwo roch ich da noch Schuhe darin, alte ausgelatschte Schuhe, Schuhe mit Plastikanteil, Schuhe die man im Ofen nicht trocknen kann weil sie schmelzen.


Der Kleine ist ein spanischer Tempranillo und hat einen Schraubverschluß. Ich will nicht vorbeurteilt sein und nehme ihn, Schraubverschluß ist bloß ein Ruf. Ein Ruf, der unbegründet ist, unökologisch noch dazu. Und schnöselig. Schlimmer als Noten von nassem Karton wird mir die Bahnwirtin wohl nicht servieren — doch tut sie.

–> und ich bin schon zu betrunken um noch Noten in dieserm Traubenpunkrock zu erkennen. Erkennen zu wollen.


Die Stimmung immer hier im Bordbistro. Die üppige Frau mit ihrem Bier liest ein Buch, der Anzugträger mit seinem Weizen, er schaut nervös in die Runde, er kommt nicht zur Ruhe. Wir sind eine eigenartige Gesinnungsgenossenschaft. Unter rythmisch Gleichgesinnten.


Sie legt Schleifen aus Papierservietten um den Flaschenhals der kleinen Altpapierfuselöle. Die schnöselige Art mit der wir Weintrinker seit einiger Zeit stigmatisiert werden. Aber ich sehe schon, ich habe gerade eine unterschwellige Neigung, die Dinge tragisch zu benennen. Morgen kehren wir zum Drama zurück.


Himmel, soll man sowas posten? Ja, wie soll ich den sonst damit angeben, dass ich ein neues Netbook habe und mit UMTS-Karte das ganze irgendwo in Mitteldeutschland poste.

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