Den ersten Mai hatten wir ja wieder komplett ausgelassen. Auch Ostern oder die anderen Feiertage. Ich bin ganz froh, dass meine Frau diese Feierlichkeiten nicht interessieren. Dann komme ich selber nicht unter Druck, irgendwas unternehmen zu müssen, weil ein Feiertag ist. Zu Ostern gilt bei uns generell: Bloss nicht an die Ostsee oder an einen anderen See. Weil da alles verstopft ist. Meine Frau interessiert sich glücklicherweise auch nicht für schönes Wetter. Eine Exfreundin von mir hatte bei sonnigem Wetter ständig das Gefühl, dass sie draussen etwas verpasst. Da sie die Dinge aber nicht alleine nicht verpassen wollte, musste ich immer mit. Ich verpasse nicht gerne Dinge, aber ich weiss, dass ich nicht unbedingt etwas verpasse, wenn draussen die Sonne scheint.
Mit der Sonne kommen auch die Amateurradfahrerinnen auf den Strassen zurück. Sie sind langsam und träge und fahren immer mittig. Obwohl ich auf einem Damenrad mit Korb trete, bin ich immer der Schnellste von allen. Nur selten werde ich von behelmten Sportlern links überholt. Meist sind auch diese Herren in Feitschsportbekleidung langsamer als ich.
Heute war ich im Graefekiez verabredet und musste über diesen schrecklich schlechten und langen Fahrradweg durch die Skalitzer Strasse fahren. Diese 80cm breite Holperpiste, die man sich schon im Winter mit zu vielen Menschen teilen muss, aber heute auch noch mit den Schönwetterradelinnern. Horror. Weil ich vom Tempo genervt war, wich ich auf einen Seitenstreifen aus, ich fuhr zu nahe an einen Baum über das Wurzelwerk und vermutlich Metall oder Scherben wasweissich, wonach mein Hinterreifen ein lautes Ploppgeräusch von sich gab. Schliesslich hörte ich die Felgen auf dem Pflaster. Weit weg von zuhause und weit weg von meiner Verabredung.
Ich weiss nicht, was ich früher ohne diese ganzen Leih- und Tretroller gemacht hätte. Ich kam natürlich zu spät.
Jedenfalls assen wir dann Tacos bei El Rey und danach gingen wir in die Pflügerstrasse zum von mir geliebten „LagerLager“. Ein kleines Fachgeschäft für Bier mit dreivier Tischen und zehn Zapfhähnen mit erlesenen Biersorten. Ich war dort einer der ersten Kunden. Vor zehn Jahren war ich immer überglücklich, wenn irgendwo ein Laden eröffnete, der sich dem Bier verschrieben hatte. Zufälligerweise arbeitete ich auch noch dort um die Ecke, ich war dort wirklich sehr oft.
Heute standen wir aber vor geschlossenen Pforten. Auch das „Damensalon“ schräg gegenüber war geschlossen. Immerhin hatte das „Kauz und Kiebitz“ geöffnet, das auch grossen Wert auf eine gute Bierauswahl legt. Die Chefin des Kauz und Kiebitz klärte uns auf, dass sowohl das LagerLager wie auch das Damesalon jetzt dauerhaft geschlossen sind.
Das Schöne an Berlin ist, dass viele Sachen einfach schnell gehen, während manche Sachen sehr langsam passieren. Oft geschieht das aber in einer falschen Gewichtung. Sagen wir so: Meldebestätigungen gehen langsam. Aber schaut man einmal nicht hin, ist plötzlich eine Kneipe weg. Schaut man dann ein zweites Mal nicht hin, ist zum Glück wieder eine Kneipe da. Neuerdings wird es allerdings oft ein Burgerladen. Oder Ferienwohnungen. Oder Ramen. Oder Sushi.
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