Västra Götaland 2011
Hier auf der Hollywoodschaukel sitzend, hinter mir das Haus, unten, zwischen den Bäumen sehe ich den kleinen Fluß, links aus dem Wald zwitschern die Vögel, meine Hände ruhen schwer auf der Armlehne. Meine Beine schwingen von kosmischen Kräften gesteuert die Schaukel an, die Welt liegt in Gedanken vor mir, klar und strukturiert. Wäre ich kein buddhistischer Mönch, ich könnte mir ein Zweitleben als Pendel vorstellen.
# Ich entwickle mich zunehmend naturfern. Ich sitze zwei Stunden ungeschützt am Strand, tauche zehn Minuten ins Wasser, danach ist mir übel, meine Haut wird rot, im Gesicht, im Nacken, auf dem Rücken, ich werde schlapp, es juckt, ich mag nicht mehr, die Insekten zerstechen mich.
Am späten Nachmittag hacke ich die toten Äste von der großen Linde, die wir am Vortag abgenommen haben, zu Kleinholz zusammen. Nach zehn Minuten kann ich meinen Blick nicht mehr fixieren, meine Glieder beginnen zu schmerzen. Als ich die Axt nicht mehr halten kann, lege ich mich ins Bett. K nimmt mir die Temperatur ab, ich habe Fieber. Es überrascht mich, wie es bei Fieber den starken Gefühlen entbehrt, bei Fieber ringt man um Schlichtung, kämpft um den Ausgleich, sucht sich aus dem Körper zu schälen, man mag sich nichts zuwenden, nur abwenden. Ich versuche, mir eine Erektion herbeizudenken. Es ist mir unmöglich, mein Geschlecht ist argloses Gewebe, weit weit weg, meine Wellen erreichen es nicht, ich funke ins Loch.
Das Fieber dauert sechs Stunden und ist dann so abrupt weg, wie es gekommen ist. Ich fühle mich merkwürdig verlassen, wie bei Fremdbesessenen, wenn der Dämon den Körper verlässt. Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, dass der Dämon beim Verlassen des Körpers unzählige Löcher und Risse im Gewebe und den Fasern des Körpers, in denen er zuvor eingenistet und eingewachsen war, hinterlässt. Ähnlich fühle ich mich. Der Teufel hat sechs Stunden in mir gewütet und die Risse in mir hinterlassen. Die Haut juckt mich bis in die Nacht. Ich spüre Insekten überall.
# Damals, als ich noch in die Sonne gegangen bin, brauchten wir keine Schutzmittel.
# An den Sonnentagen gehen wir Pilze suchen, oder gehen runter zum Fluß. K springt ins Wasser, ich sitze daneben und beruhige den Hund. Oder ich rudere sie bis zum Wasserfall hoch. Zurück geht es fast von selbst, nur muss ich den Bäumen und Felsvorsprüngen im Wasser ausweichen. Nachmittags, wenn die Sonne nachgibt, sitzen wir draußen vorm Haus und trinken schwedisches Bier, essen Nüsse und lesen. Ich arbeite an dem Text, mit der Hand ins Notizbuch, ein Flow ist das.
Wenn es regnet, sitzen wir drinnen. Spielen Karten, kochen Kaffee und Tee. Fahren in den nächsten Ort und laufen durch diesen riesigen Supermarkt mitten im schwedischen Wald. Ich kaufe geplättetes Milchbrot und Schmelzkäse mit Krabben. K hat mir in unserer sogenannten Anfangszeit (es fällt mir jetzt kein besseres Wort ein) Schmelzkäse mit Krabben gegeben, und mir erzählt, das sei eine schwedische Besonderheit. Ein andermal hatte sie dieses geplättete Milchbrot. Ich war so verliebt, ich habe das alles gegessen. Und seitdem immer. Unsere schwedischen Gastgeber mögen das, sie legen geplättetes Milchbrot und Schmelzkäse mit Krabben für mich bereit, als Willkommengeschenk. Ich fühle mich sehr geliebt. Und ein bisschen veralbert. Niemand isst in Schweden geplättetes Milchbrot und Schmelzkäse mit Krabben. Zumindest nicht zusammen. Aber das ist schon okay, ich kann nicht anders.
# Nachts streunen die großen Tiere durch den endlosen Wald. Ich mache die Augen zu.