Die Popkultur auch, als vorgestern Rambo II im Fernsehen lief. Ich habe den Film als elfjähriger zum ersten mal gesehen und war sehr angetan von der Figur dieses einsamen Wolfes, der meine ersten pubertätsbedingten, persönlichen Rückschläge mit dem Pathos und dem Selbstmitleid des geschlagenen Hundes perfekt zu spiegeln wusste.
Zudem hat Rambo II zu meiner Bildung beigetragen. Das Gespräch mit der vietnamesischen Geheimagentin auf dem Piratenkutter, das meinen Wortschatz erweiterte, als sie Rambo mit einem etwas dämlich platzierte französischen Akzent nach dem Glück fragt: »Und was ist mit Dir?« »Ich bin entbehrlich.«
Sie wieder: »Was bedeutet… entbehrlich?« Rambo spielt mit seinem Rambomesser und sagt: »Entbehrlich bedeutet, wenn man auf einer Party eingeladen wird und man nicht hingeht. Und keiner merkt es.«
Er lächelt wie ein gepeinigter Hund, sie schaut nachdenklich übers Wasser. Seitdem weiß ich, was entbehrlich bedeutet, und seitdem muss ich immer an diese Szene denken, wenn ich irgendwo dieses Wort lese.
Meine Deutschlehrerin wollte einmal die Klasse herausfordern und die intellektuellen Vorteile von Büchern gegenüber des Fernsehens hervorheben. Sie stellte der Klasse die eher rhetorisch gemeinte Frage, wo wir denn jemals im Fernsehen etwas für unsere Intelligenz gelernt hätten. Ich hob nichtsahnend meine Hand, und sie machte den Fehler, mir das Wort zu gestatten. Ich sagte: Rambo II. Ich hätte da das Wort »entbehrlich« gelernt.
Ich habe den Film wieder geschaut. Es war ein interessanter Spaziergang in meine Pubertät. In der Werbepause lief der Trailer der neuen »Es« Verfilmung von Stephen King. Ich erinnerte mich daran, dass ich das Buch vor zwei Jahren angefangen hatte, weil ich mich mit Stephen King beschäftigen wollte, Mainstream verstehen, ich finde Mainstream ungemein faszinierend, das ist die Totalgegenwart, den Mainstream zu verstehen ist unerlässlich um die Gegenwart zu erfassen. Wobei ich Stephen King trotzdem nicht verstanden habe. Ich kann mich für vieles begeistern, besonders wenn ich eine Sinnhaftigkeit dahinter erkenne, aber »Es« fand ich in weiten Teilen schlicht zu langweilig. Ich hatte vieles befürchtet, aber Langeweile hatte ich nicht erwartet. Möglicherweise liegt es an der Langatmigkeit des Buches, Seitenstränge werden zu weitläufig ausgebaut, die einzelnen Figuren werden mit langen Vorgeschichten aus der Kindheit eingeführt, mühsam wird deren gemeinsame Geschichte aufgebaut. Vielleicht ist der Mainstream (und somit das Publikum) gar nicht so flüchtig und nervös oder auf die schnelle Unterhaltung aus, wie er oft dargestellt wird. Dieses Buch, das ja als eines seiner erfolgreicheren gilt, fordert auf, sich Zeit zu nehmen. Das wirkt unheimlich altbacken. Tröstet allerdings.
K liebte es, wenn ich ihr im Bett aus »Es« vorlas. Sie schlief immer innerhalb weniger Minuten ein. Ich nahm es gelassen, es lag ja nicht an mir, es lag am Buch, wir scherzten, haha, die Langeweile. Nach 400 Seiten stellte ich das Buch wieder weg. Als ich vorgestern also den Trailer in der Werbepause sah, fiel mir ein, dass vor zwei Jahren auch die Dreharbeiten begonnen hatten und ich das Buch eigentlich vor der Veröffentlichung des Films gelesen haben wollte, ich bin manchmal so, bei mir ist alles immer Projekt. Ich holte es wieder hervor. Als K schlafen ging, sagte ich, dass »Es« ins Kino kommt und ich das Buch weiterläse, ob ich ihr daraus vorlesen solle. Sie sagte: »Super, dann schlafe ich wieder schnell ein.«
Besser als Rambo hätte es auch deine Deutschlehrerin nicht erklären können. Ich würde jetzt gerne eine Lanze für „Es“ brechen, weil ich das Buch als Jugendlicher sehr gerne gelesen habe. Allerdings hab ich es mir letztes Jahr wegen dem schönen Cover der neueren englischen Taschenbuchausgabe gekauft und nach 100 Seiten weggelegt, weil ich ständig eingeschlafen bin. Den TV-Film mit Tim Curry fand ich nie so toll, deshalb ist die hier erstmals vorgefundene Neuigkeit von einer Neuverfilmung eine Gute.
Für Es muss man vielleicht wirklich 16 sein. Damals packte es mich sehr – das einzige Mal, dass ich mich wegen eines Romans im Dunkel meines Zimmers fürchtete.
Ich fürchtete mich schon bei Harry Potter. Und da war ich nicht mehr sechzehn.
Vermutlich verliert diese Lektüre an Reiz, wenn man sich viel mit Texten beschäftigt. Mir fallen ständig schlecht formulierte Sätze auf, schwache Bilder, Sprachklisches etc, was eventuell an der Übersetzung liegen kann, aber ich glaube eher nicht, dieser Text lebt ja von der Kulisse, die Hochgezogen wird, die Story, wogegen nichts spricht, aber ich stolpere über so vieles, da verliere ich ein bisschen die Lust.
in dem einzigen creative-writing-seminar (bei einem, der den simplicissimus ansonsten gerne lektürekursmäßig anging) wurde king ständig als glänzendes beispiel für gut gebaute belletristik genannt. so würde man das schreibhandwerk lernen. das hat mich nicht interessiert damals.
Komisch, ich fands damals sehr spannend. Geschichten über das unbekannte Böse – das funktioniert doch fast immer. Den Film fand ich allerdings langweilig, vielleicht wegen der Übersetzung des Unvorstellbaren in Bilder, das tötet den Grusel. …Grundsätzlich – schlechte Sprache, ok, aber manchmal verbirgt sich dahinter doch trotzdem eine gute Geschichte? Da mir gerade Wolfgang Hohlbein einfällt, den ich wegen unerträglichem Stil nicht lesen konnte, bin ich etwas ratlos was eigentlich mein Argument ist.
Rambo II war der erste Film aus der Reihe, den ich damals gesehen habe. Später festgestellt, daß diese schräge Reihe ganz schön abfällt. Den ersten Teil mag ich immer noch, wie sich in den Folgenden der Klamottenstil verändert, ist schon ein Grinsen wert. Bin ein Freund von Stallone, aber in den Filmen gibt es diese überzeichneten Kernsätze, die ich nicht vergessen kann. Zum Beispiel „Rhythmus und Kraft“ aus Rocky IV (apropos: bin immer noch enttäuscht, daß es in meiner Gegend kein Tough Gym‘ wie in Rocky III gibt).