Samstag fahren wir nach Kungsälv, einem kleinen Vorort von Göteborg. Verwandtenbesuch. Verwandtenbesuch sorgt ja immer für rollende Augen, ich werde daher gefragt ob ich da hinfahren möchte. Mein Problem ist ja, dass ich Menschen liebe. Die Frage ob ich wildfremde Menschen in einer wildfremden Stadt besuchen möchte löst bei mir ja nur ein begeistertes „Ja!“ aus. Menschen kennenlernen, Biografien hören, sehen wie sie wohnen, was sie essen, das ist alles sehr aufregend, zumal ich in Schweden bisher nur die Lebensumstände von Landbewohnern kennengelernt habe, das urbane Leben in Schweden kannte ich bisher nur aus der Touristenperspektive. Der Cousin und seine Freundin leben in einem weißen, zweistöckigen Holzhaus. Es ist nicht ganz so urban wie ich es mir gewünscht hatte, sondern ein freistehendes Haus mit Garten in der Vorstadt, aber das vergesse ich schnell, es sind sehr nette Menschen, die uns zuerst einen eiskalten, selbstgemachten Sangria servieren und als uns der Kopf schon dreht, einen köstlichen Lachs mit verschiedenem Gemüse auftischt. Das Haus ist von Innen genau so wie man sich skandinavische Häuser von innen vorstellt. Hell, helle Möbel, viel weiß, gemütlich reduziert, nicht zu stylisch, eher schlicht. Wir reden über die Lebensumstände. Mich interessiert es wirklich wie Leute leben, auch wenn das Leben eines endvierziger Paares (beide Lehrer) ein eher sorgenfreies Leben darstellt, aber es interessiert mich wirklich wie das geht, wie man nach Göteborg pendelt, wie man sich das Einkaufen organisiert, warum sie den größeren Wagen fährt als er, warum sie vom Süden nach Göteborg gezogen ist, dass Lehrer in Schweden nicht verbeamtet werden, etc.
Das geht mir im Urlaub meist so. Landschaften finde ich eher so mittelmäßig. meine beiden besten Momente in Island waren zum einen der Busfahrer, mit dem ich mich eine Stunde lang während der Fahrt auf einer sehr persönlichen Ebene unterhalten konnte und der Deutsche in der Kneipe, der vor 35 Jahren nach Island ausgewandert ist. Die Zivilisation zu verstehen, verstehen wie dort das tägliche Leben vonstatten geht. Irre das.
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Auf dem Rückweg landen acht Regentropfen auf der Frontscheibe des Autos. Eine dunkle, schwere Wolke zieht über den schwedischen Wald. Nach den acht Tropfen zieht sie aber wieder in Richtung Finnland ab.
Der Pegel im Trinkwasserbrunnen ist mittlerweile sehr niedrig, wir sparen beim Verbrauch, waschen vorerst also keine Wäsche und kochen Speisen die wenig Geschirr und Dreck produzieren. Dusche gibt es keine, Es gibt nur ein kleines Waschbecken an dem man sich waschen kann. Katzenwäsche nennt man das hier. Die meisten springen aber in den Fluss unterm Haus. Auch Klo gibt es keines, nur ein Plumpsklo, den Wasserverbauch haben wir also auf das Minimum reduziert.
Montag.
Der erste richtige Tag der Ruhe. Wir schlafen bis halb elf. Ich hatte mehrere wilde Träume. Ich wache mit einer schmerzenden Schulter auf. Im Traum hatte ich mich verletzt, ich weiß den Inhalt des Traumes nicht mehr, aber ich meine, knapp einem Unglück entkommen zu sein, beim Aufwachen war ich jedenfalls froh, nur die schmerzende Schulter mit hinüber in den Tag gebracht zu haben.
Nach dem Frühstück gehen wir hinunter zum Fluss um uns zu waschen. Ich wasche mich als einziger nicht im Fluss, da ich nicht gut schwimmen kann und mir das Wasser schlichtweg zu kalt ist. Auch wenn 23 Grad offenbar warm ist, wie man mir versichert, aber mir ist das egal, ich mag kaltes Wasser nicht und die Süßwasserfische mag ich auch nicht und die seltsamen Algen und das lehmbraune Wasser sowieso nicht. Ich kann auch Katzenwäsche am Waschbecken. Ich lasse mich allerdings ständig mitquatschen, wenigstens auf dem Steg sitzen und die Beine ins Wasser stecken. K zieht sich aus und taupcht ins Wasser, dann kommt sie raus und schäumt sich mit Duschgel ein und springt wieder zurück in den Fluss. Ich sitze nur da und stecke einen Fuss ins Wasser. Irgendwann den zweiten. K sagt ich solle doch die Treppe so weit runtergehen, dass ich bis zu den Oberschenkeln im Wasser bin. Das sei so erfrischend und nachher ginge es mir gut, ich sage nein, interessiert mich nicht, aber ich mache es dann trotzdem, während sie im Fluss von Ufer zu Ufer schwimmt. Dann beschließe ich mich einzuseifen, warum nicht, dann spare ich mir die Katzendusche. Ich ziehe die Unterhose aus, seife mich ein und setze mich auf der untersten Stufe ins Wasser, dann auch die Achseln, aber ich weiß nicht wie ich die Achseln danach vom Schaum befreien soll, also halte ich mich an der untersten Stufe fest und lasse den Oberkörper ins Wasser gleiten. Es ist kühl, es ist angenehm, ich will gar nicht mehr raus.
K hat mich die ganze Zeit vom Wasser aus beobachtet. Ich weiß, dass es sie freut wenn ich ins Wasser gehe.
Am frühen Nachmittag spielen wir Badminton, aber es ist zu warm, also ziehen wir den Tisch und das Gartensofa in den Schatten des Hauses und lesen.