Freitag
Wir fahren wir nach Göteborg. Meine Frau muss ein paar Behördengänge hinter sich bringen. Wir stellen das Auto im Parkhaus am Hauptbahnhof ab, weil wir nachher noch in die Innenstadt wollen, so laufen wir in der prallen Sonne an einer baumlosen, verkehrsreichen Straße einen Kilometer in östliche Richtung. Die Temperaturanzeige übersteigt die 30 Grad, die steinernen Hausfassaden strahlen die Hitze wider wie Öfen. Man kann sich kaum in der Sonne aufhalten. Die Kleidung klebt. Auf dem Bürgeramt dann: die kälteste Klimaanlage der Welt.
Zurück in der Innenstadt schlendern wir das Einkaufszentrum auf und ab. Für dieses Einkaufsparadies haben sie in den siebzigern das alte Bahnhofsviertel abgerissen. Eine Sünde natürlich. Außer bei über 30 Grad. Da shoppt es sich vortrefflich. Wir beschließen alle Aktivitäten außerhalb des Einkaufzentrums abzublasen. Gegen fünf Uhr fahren wir wieder zurück ins Landesinnere, zu unserem Holzhaus im Wald.
Als wir eine Stunde später ankommen gibt es Essen und Bier. Die Schwiegereltern und der Bruder haben vorgesorgt. Wir sitzen draußen und erzählen uns Dinge.
Samstag.
Es ist sehr trocken. Das Gras vor dem Haus ist braun. Für 10Uhr wurde etwas Regen versprochen. K und ich fahren in das nächste Dorf, Alkohol für das Wochenende zu kaufen. Das Systembolaget schließt am Samstag um 14Uhr und öffnet am Sonntag nicht.
Auf dem Dorfplatz findet ein Rockerfest statt. Gut fünfzig Harleys sind auf dem Platz geparkt. Männer in Lederjacken. Lange, graue Haare. Schwedische Flaggen, dänische Flaggen, norwegische Flaggen. Es fällt mir schwer, den Auflauf einzuordnen. Zu viele Nationalflaggen bedeuten für mich ja immer: zu viele Nationalflaggen. Schwierige Sache. Es scheint aber alles friedlich zu sein, verhüllte Muslimas laufen unbekümmert herum. Das ist ein beruhigendes Zeichen, wenn ich bärtig und dunkelhaarig herumlaufe.
Statt ins Haus und zur Familie zurückzukehren fahren wir nach Torpa Stenhus. Ich war da vor zehn Jahren schon einmal, als ich das erste mal Schweden besuchte. Ich wollte es einfach noch einmal sehen. Ohne konkretem Grund, einfach um einen Abgleich mit meiner Erinnerung zu haben, außerdem sind wir bei meinem damaligen Besuch so viel herumgefahren, dass mir die Orientierung fehlte und ich die verschiedenen Gegenden nicht wirklich unterscheiden konnte.
Torpa Stenhus ist eine mittelalterliche Burg. Eine der besterhaltendsten des Landes. Aber ganz anders als die Burgen in Südtirol oder anderswo. Torpa Stenhus ist wie der Name sagt, ein Steinhaus. Ein überdimensioniertes Steinhaus. Ohne Turm oder Festungsvormauern und Zugbrücken. Einfach ein riesiges, etwas unförmiges Steinhaus., mit viel Mauer und kleinen Fenstern. Wie fremd sich die Steinmauern in die Gegend einfügen. Ganz Schweden scheint mir immer aus Holz gebaut. Auch gibt es keine Steinmauern zum Abgrenzen von Wiesen oder Äcker, oder auch nicht diese steinernen Dörfer wie es sie sonstwo in Europa gibt, in Schweden sind Dörfer immer eine Häufung von roten Holzhäusern, lose gruppiert, ohne wirklichem Zentrum, ohne Dorfplatz, auch die Kirchen stehen meist abseits der Häuser, schwedischen Dörfern fehlt es fast durchgehend an zivilisatorischem Drama. Ich habe noch nicht ganz verstanden warum das so ist und niemand konnte es mir bisher sagen.
Die Gegend um die Burg ist sehr schön, sie befindet sich auf einer hügeligen Landzunge zwischen zwei Seeen. Ich muss nicht noch einmal rein, ich war vor zehn Jahren in dem Museum. Auch wollen wir nicht halten, der Parkplatz ist voll, das Restaurant davor ist von zahlreichen Samstagstouristen überfüllt. Also fahren wir weiter in nördliche Richtung auf einer einspurigen Straße durch eine Landschaft aus kleineren Seeen. Die Straße führt durch ein etwas verträumtes Eichenhain. Mit vetrräumt meine ich, dass die Landschaft so unwirklich lieblich weichgezeichnet ist, wie man sie sich sonst nur in Kinderträumen erdenkt.
Der Regen war ausgeblieben. Die Wetterapp vertröstet auf den nächsten Tag. Schon seit Tagen.