Das Spiel gegen Augburg hat richtiges Potential meine Laune für das Wochenende zu vermiesen. Dass es zudem ein langes Wochenende ist, verschlimmert die Umstände. Ein Niederlage gegen Augsburg wäre im Endspurt der Liga, ein Signal, das den Abstieg mit tonnenschweren Bronzeglocken einläuten würde.
Ich umschreibe diese Situation etwas subtil gegenüber meiner Frau. Sie weiß um meine Gefühle und nimmt es zur Kenntnis.
Ich beschließe zum Spiel keine Fanklamotten zu tragen. Es hat in den letzten Spielen kein Glück gebracht. Seit ich nur ein schwarzes Tshirt und eine Jogginghose trage, hat sich meine Mannschaft immerhin viele Chancen herausgearbeitet. Vor allem gegen Wolfsburg, wo wir eigentlich sogar das bessere Team waren, aber dann mit 2:0 unterlagen. Die Spiele, die ich mit meiner neuen Hertha Freizeitjacke geschaut habe, waren allesamt sehr schlecht. Und mit schlecht meine ich nicht ausschließlich die Ergebnisse, sondern das gesamte Auftreten meiner Mannschaft. Die Spieler waren immer eine Sekunde zu spät am Ball, verloren immer die entscheidenden Zweikämpfe, und die Gegentore kamen immer aus dem Nichts. In den Spielen, in denen ich nur ein schwarzes Tshirt trug, fielen die Gegentore zwar auch aus dem Nichts, aber meine Bauchgefühlstatistik belegt empirisch, dass wir die Zweikämpfe seitdem wieder gewinnen.
Dann fängt das Spiel an und nach 90 Sekunden schießt Augsburg ein Tor gegen uns. Alle meine Spieltags-Chatgruppen sind nervös. Ich mag da gar nicht mehr reinschauen.
Eine Stunde lang laufen wir dem Rückstand hinterher. Es würde zur Saison passen. Wir spielen gut und bekommen so ein blödes Ding in der zweiten Minute.
Es vergeht eine ganze Stunde in der die Mannschaft viele Angriffsbemühungen unternimmt, aber nur selten gefährliche Abschlüsse tätigt. In der sechszigsten Minute ist eigentlich die Zeit, in der neue Spieler eingewechselt werden. Ich überlege die Hertha-Jacke anzuziehen. Vielleicht bringt es ja Glück, wenn ich sie erst im laufenden Spiel anziehe. Zwanzig Sekunden später köpft Piatek den Ball ins Tor. Ich stehe plötzlich aufrecht und klebe am Fernseher. Es ist ein Ausgleich. Der erste Schritt um ein Führungstor zu schießen. Wir brauchen nur noch ein weiteres Tor. Dabei sollten wir natürlich kein Eigenes einfangen. Nur ein einziges Tor. Ich sitze auf Zehenspitzen. Meine Mannschaft drängt und drängt. Ich überlege die ganze Zeit, mir die Jacke zu holen, sie scheint ja doch zu helfen, zumindest der Gedanke daran, aber ich kann jetzt unmöglich die Augen vom Bildschirm lassen. Die letzten zehn Minuten verbringe ich stehend einen Meter vor dem Bildschirm. Bis dann eine Minute vor Schluss Dodi Lukebakio den Elfmeter ins Augsburger Tor versenkt. Wenige Minuten später ist Abpfiff und wir haben drei Punkte auf unserem Kontostand. Es dauert mehrere Minuten bis meine Körperspannung nachlässt.