Morgens war ich dann beim TÜV. Ich hatte eine der Karten gefunden, die EC Karte, die ich nie verwende, von der ich ausserdem die PIN nicht mehr wusste. Ich hatte ein paar mögliche Zahlenkombinationen im Kopf, die ich zu probieren gedachte. Zur Sicherheit lieh mir meine Frau ihre Karte.
Beim Zahlen trug ich zwei Mal eine falsche PIN ein, ich ahnte es, dass ich meinem Gedächtnis bei alten PINnummern nicht vertrauen sollte. Dann zog ich die Karte meiner Frau, mit alles funktionierte.
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Am Abend war ich auf der Trauerfeier von Rémi im Friedhof Baumschulenweg. Rémi war Mitglied in meinem Fanclub und er war der Initiator der 1892-Liter Wasser Aktion letzten Sommer, bei der wir während der Hitzewelle Wasserflaschen an Obdachlose in Berlin verteilten. Ich hatte in diesem Zuge viel mit ihm zu tun, er war ein richtiger Menschenfreund, der einem immer mit einer unverstellten Herzlichkeit begegnete. Ich kannte ihn nur noch ohne Haare. Mit seiner Art wirkte er aber immer so, als wäre das bald vorbei, da müsse er jetzt eben durch. Dabei kannte er schon die Prognosen.
Etwa ein Dutzend Freunde trafen sich vor dem Friedhof. Wir hatten nur einen Pin auf Googlemaps, der uns das Grab anzeigte. Wir folgten dem Pin, suchten eine längere Zeit, verliefen uns, es wurde etwas hoffnungslos, weil wir irgendwann in Grüppchen verteilt, ziemlich planlos über den Friedhof irrten. Dass es ein anonymes Grab war, machte es nicht besser, aber am Grab sollte eine kleine Herthafahne wehen, immerhin ein auffälliger Hinweis. Jemand berichtete von einem Foto, an dem eine etwas abgebrochene Bordsteinkante abgelichtet war, aber Bordsteinkanten gab es auf so einem Friedhof viele. Wir mussten irgendwann sehr lachen. Über den Gedanken, wie er über uns lachen würde, hätte er gesehen, wie wir auf der Suche nach seinem Grab, orientierungslos über den Friedhof irrten.
Nach einer Weile schickte uns jemand das besagte Foto. Aufgrund eines Steinkreises im Hintergrund des Bildes und der Optik der Umgebung, befand sich das Grab auf einem eher offenen Feld. Schliesslich fanden wir es, ganz irgendwo anders, als da wo der Pin markiert war.
Die ganze Gruppe stand eine Weile schweigend vor dem Grab. Einige Leute richteten die Schleifchen des Kranzes und die blauweisse Fahne, die der Wind etwas in Mitleidenschaft gezogen hatte.
Nach einer Weile fing jemand an von einer Auswärtsfahrt mit Rémi zu RB Leipzig zu erzählen. Jemand anders erzählte unterhaltsame Anekdoten über seine lustige Verschrulltheit, wenn er auf Rechtschreibfehler hinwies. Wohlgemerkt als Franzose. Eine erzählte davon, wie er sich für sie und ihre Familie bei deren Wohnungsbrand eingesetzt hatte, wie er Unterstützung in Bewegung setzte. Oder seine Freude im politischen Diskurs, wie unermüdlich er war, auch mit Gegnern, über Politik zu streiten, wie er den europäischen Gedanken hochhielt, auch als Leitfaden in seinem Twitterprofil.
Bei ihm kam dann das große Drama. Irgendwo müsste es auch noch diese Banner geben, das mal im Stadion hing, als er gerade im Krankenhaus lag. KÄMPFEN FRANZMANN.
Es folgten viele Geschichten über diesen liebevollen, lebensfrohen Franzmann, während wir da so standen, im Halbkreis, und auf dieses anonyme Grab schauten.