[Sonntag, 19.9.2021 – Tappeinerpromenade, Richard III]

Heute schlief ich lange. Bis zehn Uhr. Oh, das habe ich gestern auch schon geschrieben.
Mein Frühstück fällt hier ganz anders aus als zuhause. Ich esse hier Weissbrot, Marmelade, Nutella und Pistaziencreme. Mir zuliebe tischt man auch Käse und Salami auf. Aber in Wirklichkeit frühstücke ich selten mit Brot. Eigentlich nur wenn ich in Hotels frühstücke oder wenn ich im Urlaub bin. Mein Frühstück besteht aus Joghurt und Haferflocken. Manchmal mit ein wenig Obst darin. Heidelbeeren zB oder Bananenstücke. Meistens aber einfach nur Joghurt mit Haferflocken. Vor einem halben Jahr habe ich Joghurt durch Sojaghurt ersetzt. Man muss ja nicht immer tierische Eiweisse zu sich nehmen.

Meine Tagesplanung sieht simpel aus: um 14Uhr wollte ich zu meiner Frau, die bei meinen Schwiegereltern wohnt. Dort würden wir Brot backen um dies um vier Uhr zu meiner Schwester zu bringen. Um vier Uhr würden wir also mit schwedischen Salz und dem frischgebackenem Brot die neue Wohnung meiner Schwester besichtigen. Weil das ein deutscher Brauch ist, den wir beide mögen. Wir wissen aber nicht, was der Brauch mit dem Salz und dem Brot bedeutet und wo das herkommt, müsste ich mal googlen, aber wir haben den Brauch sofort übernommen.
Und um 18Uhr bin ich mit der kleineren Schwester verabredet. Sie hat Theatherkarten im KIMM. Eine Aufführung von Richard III.

Gegen elf kommt meine Schwester zu meiner Mutter (ich wohne ja bei meiner Mutter) und hat einen der beiden Sohne und die Tochter dabei. Wir beschliessen spontan, zusammen spazieren zu gehen. Sie schlägt eine etwa halbstündige Route vor. Sobald wir losgehen beginnt es zu regnen. Aber wir haben Schirme dabei. Wir laufen die Tappeinerpromenade oberhalb der Stadt hinauf. Wir haben uns lange nicht mehr zu zweit, alleine und ohne Kinder unterhalten. Ich vermisse meine Schwester, wir hatten als Jugendliche eine innige Bindung. Die Bindung ist über die vielen Jahre geblieben, aber natürlich ist sie nur noch innig und nicht mehr eng, was aber vor allem mit den Lebensbedingungen und der Entfernung unserer Wohnorte zu tun hat.
Oben an der Promenade kehren wir in ein Cafe ein und schauen auf die Meraner Altstadt hinunter.

Es ist halb zwei. Ich telefoniere mit meiner Frau. Sie backen gerade Kuchen. Morgen ist runder Geburtstag meines Schwiegervaters. Der Kuchen nimmt den Backofen ein, wir können also noch kein Brot backen. Weil sie eigentlich gerade keine Zeit hat, ändern wir kurzfristig unsere Pläne. Also begleite ich meine Schwester zurück zu meiner Mutter, dort schauen wir mit den Kindern diese Sendung mit dem Hundeflüsterer, Caesar Milan. In dieser Folge nimmt er sich zwei problematischer Hunde auf einer Ranch an. Hunde sind geil. Wir sitzen alle gebannt vor dem Fernseher.

Danach gehe ich zu meiner Frau. Wir setzen uns auf den Balkon und reden lange. Dann ist es auch schon bald halb sechs und ich muss ins Theater.

Ich treffe zum ersten Mal den neuen Freund meine kleinen Schwester. Er ist sehr nett, er verbringt seine Urlaube in Norwegen und am Nordkapp, wir haben sofort Gesprächsstoff.

Aufgrund der Coronaauflagen sind die Stühle sehr weit voneinander entfernt. Und dann passiert etwas lustiges. Das Stück hat bereits begonnen, der Saal ist also schon dunkel, dann kommen vier Personen in den Saal und setzen sich eine Reihe vor uns. Eine ältere Dame will sich genau vor mich setzen. Was ich weiss, sie aber noch nicht zu wissen scheint, ist der Umstand, dass sich genau an jener Stelle kein Stuhl befindet. Sondern nur links und rechts davon. Weil es so dunkel ist, sieht sie das nicht uns beginnt, sich hinzusetzen. Es geht alles sehr langsam und ich sehe zu, wie es vor mir passiert. Ich will es zuerst nicht glauben, deswegen schreite ich gar nicht ein, aber als sie unbeirrt ihren Hintern und ihr Gleichgewicht nach hinten bewegt und es diesen Point of no return gibt, merkt sie, dass etwas nicht richtig ist. Ich greife vielleicht etwas spät ein, ich bin vielleicht einfach etwas zurückhaltend und will nicht einfach fremden Damen unter die Schultern greifen, ich weiss aber auch, dass sie es mir nicht verübeln wird, also springe ich nach vorne, und fange sie auf. Sie trägt ein tolles, schweres Parüm, nicht zu süß, ich mag das.
Aber die Blamage ist natürlich längst passiert. Alle Umstehenden prusten und das Rot in ihrem Gesicht lässt den Saal erleuchten.

Das Stück ist gut. Leider fällt es mir schwer, dem Stück zu folgen. Es fehlt mir etwas der Hintergrund zur Geschichte, ich weiss von Richard III eigentlich nur, dass er einen auffälligen Buckel hatte und viele Menschen umbrachte um auf den Thron zu kommen. Ich ahne, dass das Bühnenbild vor Referenzen nur so strotzt. Zumindest finde ich das von modernen Interpretationen eines Shakespeare Stückes einigermassen erwartbar. Auf der Bühne leeren die Schauspielerinnen ständig Müllsäcke mit Papierstücken, ohne dies zu kommentieren. Die Bühne quillt im Verlauf der Geschichte total mit Papierfetzen über. Ich mag das. Auch wenn es referenzlos ist.

Nach dem Theaterstück lädt mich die Schwester noch zu sich ein. Sie hat einen Wirsingauflauf, den sie uns wärmen würde und ein paar belgische Biere. Ich liebe aufgewärmten Wirsingauflauf und belgisches Bier.
Wir sitzen dann eine ganze Weile bei ihr zusammen und reden über Berufe, über Norwegen und über Longyearbyen. So ist das.