Fleischklumpen

Da nach den Kaminwurzen, der Speck nun auch fertig ist, und damit beinahe der ganze Fleischberg abgetragen, ist nur noch die eine leckere unbekannte Wurst übriggeblieben, die ich mir als besonderen Leckerbissen aufbewahren wollte.

Ich kenne diese Wurst nicht. Weder aus meiner Kindheit, noch von sonstigen Informationskanälen die mir momentan nicht einfallen. Aber da die Wurst im Überlebenspaket meiner Mutter enthalten war, muss es sich einfach um irgendwas traditionelles Südtirolerisches handeln. Bestimmt sone Bergbauerwurst vom Vinschgau, oder pustertaler Delikatesse mit wenig Fett für die neue Generation körperbewusster Knödlfresser wie mich.
Vorhin packte mich der Nachmittagshunger, bei uns auch Merende genannt, da schnitt ich die Wurst aus der Packung heraus und sah erstmal, dass es keine Wurst war, sondern ein geräuchertes Stück Fleisch. Ich war überrascht, konnte es der Form wegen aber nirgendwo einordnen. Rund, zwanzig Zentimeter lang, aus einem einzigen Stück Fleisch. Ein knochenloses Schweinebein, haha. Es roch vortrefflich, wie Speck, aber irgendwie frischer, mit einer leisen Andeutung von Pfefferminze. So schnitt ich mir ein Stueck ab und kaute ein Stück Apfel dazu. Ein wirklich wunderbares Stück Fleisch, dachte ich mir die ganze Zeit dabei, und nam noch ein Stück, während ich versuchte mir ein Bild zu machen was für Fleisch das wohl sein könne. So kaute ich, versunken in tiefster kulinarischen Erotik mit Blick auf die geräucherte Essensware, bis das Stück Fleisch vor mir Form anzunehmen schien. Und prompt spuckte ich es aus meinem Mund! Ein Ochsenpimmel war das! Der Penis einer männlichen Kuh. Ich spülte meinen Mund mehrmals um, drückte die halbe Zahnpastentupe in meinen Rachen und massierte mit der Zunge meinen Gaumen, bis ich das Gefühl losgeworden war, den Schwanz eines Huftieres gekaut zu haben.

Der Schock löste sich aber bald, und ging gleich in Interesse über. Ich war mir der Sache mit dem Pimmel ja nicht ganz sicher. Vielleicht war es auch bloss ein äusserst raffiniert aus einem Kalb herausgeschnittener Muskelstrang. Das würde die konische Form erklären.
Doch die endgültige Antwort konnte nur Frau Mutter wissen. Also nahm ich das Telefon. Ging keiner ran. Natürlich.
Daher setzte ich mich an den Laptop und rief google zu Hilfe. Google, sag mir was zu „Wust Pimmel Südtirol„. Google fand tatsächlich was. Nichts hilfreiches, aber an erster Stelle meine eigene Seite. Huch, schreibe ich wirklich über solche Sachen? Ich schäme mich ja zutiefst.

Dann kam die Dame des Hauses, erblickte die Wurst und rief: „Ah, da habe ich gerade Bock drauf!“, schnappte sich das Messer und schnitt hinein. Ich gesellte mich zu ihr, und sagte ganz geheimnisvoll und unverbindlich, dass es eine äusserst leckere Wurst sei, aber sie solle erstmal reinbeissen. Nein, ich wollte sie nicht warnen, sie sollte ihr Urteil selbst fällen. Ich war mit meinem Peniswahn bestimmt bloss paranoide. Doch sie ist ein gewieftes Mädl und guckte mich mit einem argwöhnischen Blick an: „Sag mir bitte bevor ich reinbeisse, das was du zu sagen hast“.
„Och nee, ich hab mir bloss so meine Gedanken gemacht. Ist aber wirklich leckeres Fleisch.“
Ihr argwöhnischer, mittlerweile böse gewordener Blick klebte an mir wie die klebrige Zunge eines Chamäleons. Ich musste mit der Sprache rausrücken.
„Nunja die Form“ sagte ich und machte eine wellenartige Bewegung über den Fleischklumpen. „Erinnert mich halt irgendwie an einen Penis eines grosse Tieres.“
Sie schmiss das Messer hin und nahm einen Meter Abstand von der Anrichte. Dann näherte sie sich behutsam dem Fleisch, begutachtete es kurz, und verliess dann die Küche.
Und nun liegt das Ding da verwaisd herum, niemand will es essen, und meine Mutter nimmt das Telefon immer noch nicht ab.

12 Kommentare

  1. DAS ist definitiv KEIN Stierpenis. Auch kein Ochsenpenis. Das ist irgendein Schinken – sieht fast Lendig aus. Was ich sehr nett finde ist, dass tiroler Mütter ihren Söhnen immer diese Fresspakete schicken. Ich hatte mal einen Jungen aus Osttirol, der bekam auch immer diese Packerln – mit Hauswürscht und sonstigem Zeug. Aber es war nie ein Pimmel dabei. Nie.

  2. In einem Land, wo Hirnsuppe oder Hirnnudeln zur Delikatesse erhoben wurden, fände ich Ochsenpimmel gar nicht unwahrscheinlich. Aber dass der Osttiroler Freund nie (NIE) einen Pimmel in seinem Packerl hatte, beruhigt mich schon.
    In der Zwischenzeit habe ich ja wieder ein Stück abgeschnitten und muss wirklich sagen, also auch wenn es ein Pimmel ist, dann ist es ein verdammt leckerer Pimmel.

  3. ein ochsenpimmel so gross er auch sein mag würde trotzdem zu arg schrumpfen um dieses ergebnis zu geben, oder etwa nicht?! den es ist, wenn nicht gerade erigiert zuwenig material dabei für den schwund beim räuchern. ausserdem denke ich dass sich der nur für frischen verzehr eignet, wenn man den von verzehr und nicht ekel sprechen will. ich kann sowas auch nicht ab, mein vater ist ein fan von solchen spezialitäten. hirn, nieren, hoden, gockelkämmen und was es alles für schweinereien gibt. ich kanns nur mit leber dann hat es sich mit innereien.

  4. im übrigen muss ich, obwohl ich sie nicht kenne, immer an sie denken wenn ich tiroler schinken sehe oder kaufe….

  5. mek, das ist nicht der, von dem wir letzten monat nachts alle knurrend eine scheibe abgebissen haben, ja ?
    und selbst wenn … auch ein ochsenpimmel besteht in der regel aus schwellkörpern und sehnen ( hallo google ) und ich glaube nicht, dass diese dann so ausehen würden, nach räuchern und trocknen und packen und schicken und so.
    guten appetit also 🙂

  6. Oha, wenn man bei Speck schon gleich an mich denkt, dann muss ich wirklich an meinem Image arbeiten. Das ist ein sehr schlechtes Zeichen.

    Lu, nein sei beruhigt, das war richtiger Speck, kein Pimmel.

    OK, das mit dem erigierten Zustand (Schwellkörper und Sehnen, du hast das doch nicht wirklich gegoogled, oder doch?) macht irgendwie Sinn, in Form von Speck müsste der also kleiner werden. Aber wie gross ist der Penis eines Stieres? Sind das nicht so riesige Dinger? Ich falle hier als Bergbuab durch, ich muss wirklich zugeben, dass ich noch nie einen Stier aufn Schwanz geguckt habe (ich glaube die ziehen den auch ein, wenn sie nicht gerade bockig [horny, haha] sind), weil Stiere eben bloss immer die finsteren, grossen Kuehe an der dicken Kette waren, die niemals Auslauf bekommen und keine Milch geben. Denen kam ich auch nie besonders nahe.

    Aber Gockelkämme sind wirklich Schweinereien. Pfui taifl.

  7. Das ist doch eindeutig Muskelfleisch, und soweit meine mangelhaften anatomischen Kenntnisse hergeben, ist dies bezüglich des von Ihnen verdächtigten Organs nicht der Fall – aber ich kann mich irren. Wohl bekommŽs.

  8. Das ganze weibliche Fachwissen zu diesem Thema erstaunt mich sehr.
    Bleibt die Frage warum keine Männer sich zur phallischen Fleischkonsistenz äussern.
    Aber ich werde jetzt einfach mal euch mitdenkenden PenisFleischkennerinnen Vertrauen schenken und ins Fleisch beissen. Mutter nimmt schliesslich immer noch nicht ab und wer weiss wie lange es noch dauert bis das Ding erschlafft… äh vergammelt.

    Der Gedanke an Porchetta gefällt mir übrigens sehr. Nicht weil „porchetta“ auf italienisch soviel heisst wie „kleines Schlämpchen“, sondern weil das eindeutig auf Schweinefleisch deutet, und das stimmt mich ruhig.
    So, und jetzt genug dreckiges Zeug geredet.

  9. Mek – es handelte sich um die Mutter des Jungen, die das sogenannte „NIE“ vollbrachte.
    Ansonsten: Hirnschnitten?
    Ich sag bloß: Lungenstrudel.
    Meine Mutter hielt es mehr mit „Hirnpovesen“.

    Aaah, Anekdote – oder besser „Filmnacherzählung“. Da gabs mal so einen Doku-Film mit einem Japaner, der durch Wiener Restaurants geschleift wurde. Es ging um Wiener Spezialitäten: Unter anderem: der Lungenstrudel, die Blunzn (Blutwurst), die Hirnpovesen, etc. Am Ende war der Japaner bleich. Die Wiener auch – war aber vor der „Sushi-roher-Fisch-Zeit“

    Und, auch ne alte Geschiche, ich hab mal französische Freunde eingeladen. Die warn auch nicht so angetan.

  10. Ich wollte auch schon fragen, ob das der Schinken von neulich ist.

    Vielleicht hat das ja eine aphrodisierende Wirkung? Oder hilft gegen erektile Dysfunktion? Weitergehende Forschung könnte man sicherlich im Penis-Museum betreiben.

  11. Du bist wirklich gemein Lisa. Aber diesen kulinarischen Snobs, da drüben in Frankreich, kann man es ruhig auch mal zeigen. Witzige Geschichte 🙂

    Herr Kid, Sie treffen wohl den Punkt. Stierpenis verspricht bestimmt ewige Potenz oder unendliche männliche Libido, gleich wie der Spargel oder Tigermilch, oder wenn man Elfenbein um den Nacken trägt. Das hab ich mir gesternabend bei der verspäteten Merende jedenfalls gedacht. Jetzt mal alt werden und gucken ob es auch hält was es verspricht.

Kommentare sind geschlossen.