[Freitag 1.4.2022 – exzentrische, alte Frauen, Humboldthafen]

Die Blase der Hündin ist tatsächlich auf sechs Uhr eingestellt. Auch wenn ich um neun am Abend das letzte Mal mit ihr rausgehe. Sie muss erst um sechs Uhr früh.

Heute nahm ich mein Tier wieder mit ins Büro. Vorerst werde ich versuchen, sie jeden Freitag mitzunehmen.
Auf dem Weg zur Ubahn merkte ich, dass ich wieder keine Maske dabei hatte. Es ärgert mich, dass das in letzter Zeit immer wieder passiert. Vor allem passiert dies, wenn ich es eilig habe. Ich bleibe kurz stehen und überlege mir die Optionen. Die einzige Option ist, zurück nach Hause zu gehen, was einen Kilometer extra für die kleine Hündin bedeutet und einen großen Zeitverlust, um 1030 habe ich ein Meeting, ach, ich ärgerte mich. Dann kam mir eine Frau entgegen. Sie war um die siebzig Jahre alt und exzentrisch gekleidet. Sie trug grellrotes Haar, grellrote Ohrenreifen und einen grellroten Lippenstift. Exzentrische, alte Frauen können in meinen Augen nichts falsch machen. Ich sprach sie an, ich schilderte ihr mein Schicksal und fragte sie, ob sie eine zusätzliche Maske bei sich trüge und sie mir eine davon verkaufen könne. Sie sagte jovial, sie würde mir eine schenken. Verkaufen, tss, wir leben in einer Pandemie, da helfen wir doch einander. Sie zog einen Plastikumschlag mit einem dutzend Masken hervor. Sie gab mir die zweite Maske, weil sie die Erste schon einmal verwendet hatte. Ich bedankte mich sehr freundlich. Das Tier und ich stiegen dann in den Ubahnschacht hinunter.

Sie findet Bahnfahren immer noch ungut. Vor allem das Einsteigen in den Wagen. Da muss ich sie tragen. Sobald die Bahn losfährt, entspannt sie sich. Dies fürs Protokoll.

Später am Tag merke ich beim Aufsetzen der Maske roten Lippenstift an der Innenseite.

Nach der Arbeit traf ich mich mit meiner Frau und ihrer Freundin in einem italienischen Restaurant am Humboldthafen, diesem Wasserbassin östlich des Hauptbahnhofes. Ich finde ja, dass dieser Ort so viel stadtästhetisches Potential hat. Direkt am Hauptbahnhof, die Brücke, die das Bassin überspannt, man könnte den Hafen mit dramatischer Architektur, oder kleinteiligen Häusern, Kneipen und Leben füllen. Die beiden Klötze, die bisher da hingestellt wurden, finde ich eher so mäßig, zu grob, zu quadratisch, weiss nicht, es ist nicht hässlich, aber es kommt mir ziemlich einfallslos vor. Immerhin hat man sich für Kollonaden entschieden, das gibt den Häusern ein Gefühl der Öffentlichkeit.

Wir treffen uns in der “Osteria”. Die Hündin darf mit hinein. Ich bestelle die größte Pizza der Welt.