[Mi/Do, 25./26.1.2023 – Glurns, vegan koreanisch]

Ich brauchte mal einen Tag Pause. Zum einen hatte heute meine Frau Geburtstag und es ist nie eine schlechte Sache, wenn man Geburtstage mit etwas mehr Hingabe zelebriert. Zum anderen kam am Mittwoch auch meine kleine Schwester mit ihrem Freund nach Berlin. Als Grund hatten sie die „Grüne Woche“ ausgewählt. Die Eltern ihres Freundes haben einen Bauernhof, auf diesem ist er selber auch in Teilen tätig, auch wenn er sonst einen anderen Beruf ausübt, aber daher kommt eine Affinität zu landwirtschaftlichen Produkten und die Grüne Woche ist offenbar ein bekannter Termin für Menschen, die im Agrarsektor wirtschaften. Ich kenne die Grüne Woche ja nur von Politikerinnen, die stolz Obst- und Gemüsekörbe in die Kamera halten und von der starken lokalen Wirtschaft sprechen.

Der Freund meiner Schwester kommt aus einer kleinen Südtiroler Stadt mit etwa 800 Einwohnern. Genau. 800. Acht null null, Glurns heisst die Stadt, und bei dieser Grösse fühlt sie sich die Stadt natürlich mehr wie ein Dorf an, aber sie bekam irgendwann in 1400 Stadtrechte zugesprochen, weil sie geographisch ziemlich günstig im oberen Vinschgau zwischen Schweiz und dem Reschenpass lag. Zweihundert Jahre später baute man den Weg über den Brenner aus und so verlor das Städtchen an Bedeutung. Biste aber einmal Stadt, bleibste immer Stadt, so fand ich das als Grundschulkind schon faszinierend, dass dort im fernen Obervinschgau so ein Ministädtchen steht. Was die Stadt immer noch besonders macht, ist die vollständig intakte Stadtmauer, und dass sie sich seit mehr als vierhundert Jahren praktisch nicht mehr verändert hat. Deswegen erlangte sie in den letzten Jahrzehnten wieder eine gewisse Bedeutung auf dem touristischen Radar. Ich war ja schon als Kind der Geographie und der Geschichte verfallen und hatte Glurns immer auf meinem Schirm, aber meine Familie wohnte damals im entlegenen Südost-Südtirol und Glurns liegt ziemlich genau im entlegenen Nordwest-Südtirol, so ergab es sich nie, den Ort zu besichtigen. Erst viele Jahre später, mit 16 oder 17, als ich die Punks aus Meran und dem Vinschgau kennenlernte, hielt ich mich öfter im unteren Vinschgau auf, vor allem in Schlanders, aber einmal gab es diese wüste Drogenparty im Wald unter dem Kloster Marienberg bei Burgeis, ich kann mich erinnern, wie wir am nächsten Tag über Mals und Schluderns zurück nach Schlanders fuhren, da konnte ich mit etwas vernebelten Sinnen dieses Glurns am anderen Ende des Talbodens sehen. Man kann Glurns sehr gut an den Umrissen erkennen, es liegt rechteckig, mit klaren Umrissen, von der Stadtmauer eingepackt, mit vielen Türmen und Toren, es sieht aus wie ein überdimensioniertes Kloster.

Besucht habe ich Glurns allerdings immer noch nicht. Es liegt weit weg von den üblichen Orten in Südtirol, an denen ich mich sonst immer aufhalte. Aber während ich das so aufschreibe, woah, ich sollte bei der nächsten Gelegenheit schon hin, immerhin habe ich jetzt auch einen familiären Bezug, jemand, der mir auch alles über Glurns erzählen kann. Ich wäre doof, wenn ich das nicht umarmen würde. Umarmen, das schrieb ich jetzt wegen „embrace“. Ich mag dieses embracen von Dingen auf englisch. Aber sieht in einem deutschen Text halt schlecht aus. Umarmen, wie auch Embracen.

Meine Schwester und ihr Freund schlafen im Hotel. Das ist logistisch einfacher. Wir trafen uns um 19Uhr bei einem veganen Koreaner am Kollwitzplatz. Meine Schwester wollte etwas koreanisches essen, in Südtirol ist die Auwahl der internationalen Küchen tatsächlich nicht sehr gross. Das trifft allerdings auf ganz Italien zu. Wenn man in Südtirol oder Italien aus essen gehen will, geht man üblicherweise in die Pizzeria. Mittlerweile gibt es auch verschiedene Suhisläden und in Südtirol gibt es natürlich noch die südtiroler Küche, aber alles andere ist eher exotisch. Da die berliner Küche traditionell ja eher schlecht ist, gibt es in Berlin dafür alles Exotische.

5 Kommentare

  1. die berliner küche ist nicht schlEcht, sondern schlIcht 😉

  2. Amüsant ist auch diese Passage:

    „Die […] Berliner Küche integrierte diese Einflüsse [von u.a. Hugenotten] häufig durch Vereinfachung. Aufwendige Zubereitungsformen und raffiniertes Würzen sind ihr fremd.“

    Aber das ist nichts berlinspezifisches. Die gesamte Mittel- bis Nordeuropäische Küche würde ich jetzt eher als schlecht bzw schlicht einstufen, angefangen in Irland, England, Niederlande, über Skandinavien, Polen bis Russland. Ist ja alles nicht so dolle.
    Heisst nicht, dass ich nicht gerne Bratkartoffel mit Sauerkraut esse.

  3. Kann dem nicht wirklich folgen, ich finde die gesamte slawische Küche toll, und bei italienischer küche bin ich eher so, ja ist gut gemacht aber dann doch immer sehr ähnlich, also wenn ich es einmal die woche esse oder vielleicht zweimal ist es supertoll aber wenn ich es dann also öfter esse dann ist es nicht mehr ganz so toll, und irgendwie liebe ich die tomaten, und die sizilianischen tomaten sind wirklich das nonplusultra der tomatenwelt und ich habe schon oft hier in Berlin nach brauchbaren tomaten gesucht, aber wenn man jetzt wählen müsste, dann könnte ich ohne Mehlspeisen sowieso nicht überleben, die Wiener Küche ist mir dann also die liebste, weil der Kaffee auch schon gut ist, wenn er auch nicht an den italienischen herankommt, aber es gibt alles in ausgezeichneter Qualität.

    Habe ja bei der Oma kochen gelernt, als ich quasi noch in den Kindergarten gegangen bin, und habe dann als Schulkind immer bei den „Meine Schulfreunde“ Büchern unter Lieblingsspeise „Schweinebraten mit Knödeln“ angegeben. Die Kartoffelbeilagen sind sowieso oft die heimlichen Stars der bayerisch-österreichischen Küche.

    Heute habe ich Rouladen gekocht, tatsächlich in einem Schnellkochtopf, den mir meine Mutter mal aufgenötigt hat und den ich mit der Taschenlampe im Schrank suchen musste, den er ein ganzes Jahr nicht verlassen hat, aber meine Mutter mit ihren guten Absichten liegt da doch nicht falsch, dass es schon sehr praktisch ist, wenn man sich so göttlich weiches fleisch in einer halben stunde zubereiten kann. Mit einer wunderbaren zwiebel-senfsauce, möchte ich sagen.

    Im übrigen besitze ich auch historische kulinarische dokumente, unter anderem einen Jahresspeiseplan aus den 50ern/60ern, wo so saisonal mit billigen zutaten gekocht wird, und oft gibt es ja gar kein Fleisch, eigentlich nur richtig am Sonntag.
    Dann habe ich noch eine Art küchenbibel aus dem frühen 20. Jhdt, wohl hier in Berlin editiert und verlegt, wo behauptet wird, dass man quasi die Krone der deutschen Hausfrauenrezepte zusammengetragen hat, allerdings ist Bayern unglaublich unterbesetzt und ich konnte keinen Apfelstrudel finden und habe also verächtlich geschnaubt, aber wenn sie jetzt behaupten, die Berliner Küche wäre um die Zeit so schlecht gewesen, dann werde ich mal ein paar mehr Sachen ausprobieren, weil ich das gar nicht glauben mag, weil Berlin Anfang des 20.Jhdts ja dann schon so mindestens dreissig Jahre lang ziemlich reich gewesen war.
    Ja so.

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