Wie geplant, liefen das Tier und ich die Strecke zur Werkstatt heute in die umgekehrte Richtung. Und wieder habe ich eine Abkürzung gefunden, die mich ungemein begeistert hat, allerdings ist das hier zu umständlich und uninteressant zu erklären.
Weil ich schon mit dem Auto unterwegs war, fuhr ich mit dem Auto in die Firma. Üblicherweise stresst es mich sehr, das Auto durch den Berufsvekehr zu führen, deswegen ziehe ich andere Verkehrsmittel vor. So war es auch heute wieder. Es entsteht immer ein unterschwelliger Stress. Dieses Anfahren, Bremsen, wieder anfahren, rote Ampel, Spurwechsel ohnein, da ist jemand, dann die Drängler undsoweiter. Und das alles passiert im Sitzen, während ich mich nicht abreagieren kann. Auf dem Fahrrad passieren immer ähnliche Dinge, aber dort reagiere ich ab. Das ist vermutlich der Unterschied, abgesehen davon, dass man mit dem Rad nie im Stau steht.
Auf der Arbeit hatten wir wieder technische Probleme. Ich fürchtete schon, dass wir bis in die Abendstunden hinein an dem Problem arbeiten würden, am Abend war ich nämlich mit einer alten Freundin aus Litauen verabredet, ich sehe sie nur noch alle paar Jahre, ich hätte es sehr schade gefunden, die Verabredung absagen zu müssen. Das Problem liess sich dann aber relativ schnell lösen.
So traf meine Frau und ich um sieben Uhr Gintare. Wir lernten uns Ende der Neunzigerjahre in Utrecht kennen. Sie studierte dort während eines Erasmusjahres und sie kam oft ins PUSCII um ihrem Freund aus Russland Mails zu schreiben. Das PUSCII war eine Internetwerkstatt in einem besetzten Haus, die ich zusammen mit einem Freund gegründet hatte. Das war vergleichbar mit dem, was man damals Internetcafé nannte, mit dem Unterschied, dass wir ausserdem Workshops anboten und den Laden kostenfrei betrieben.
Für sie war einer der wenigen Orte, an denen sie Mails schreiben konnte. Internet gab es sonst gab es nur an der Uni oder in Intercafes, aber im PUSCII waren die Leute entspannter.
Schnell befreundeten wir uns und bald arbeitete sie dann auch im PUSCII und als sie die Niederlande wieder verliess, blieben wir über die ganze Zeit in Kontakt.
2005 fuhr ich mit meiner damaligen Freundin nach Vilnius um sie zu besuchen. Sie hatte gerade einen Sohn geboren und wohnte mit ihrem Freund in einem heruntergekommenen Plattenbau in einer tristen Wohnsiedlung am Stadtrand. Das ist sicherlich keine gute Zeit für sie gewesen. Wir hatten auch noch ein lustig gemeintes aber eher unpassendes Geschenk dabei. Ein Babystrampler mit der Aufschrift „Anstatt Karriere“, das ich extra für sie auf litauisch übersetzen hatte lassen. Kam nur so mässig gut an.
Die Phase dauerte glücklicherweise nur kurz. Es geht ihr sehr gut. Alle paar Jahre treffen wir uns, hauptsächlich, wenn sie beruflich in Berlin ist. Wie heute. Wir redeten den ganzen Abend über die Situation in Osteuropa. Die baltischen Staaten haben ein sehr waches Auge auf die Geschehnisse in Belarus, Russland und der Ukraine. Ich kann das lange Gespräch gar nicht zusammenfassen. Auch nicht eine Essenz daraus ziehen. Es wird schon alles gut gehen, wird es doch, oder? Jedenfalls fühlen wir uns unter dem Schutzschirm der NATO ganz okay.