Apropos Pizza. Letzte Woche bestellten wir für die versammelte Belegschaft Pizzas. Wir hatten zwei Tage lang Workshops, also liessen wir beide Male ein paar Dutzend Pizze ins Haus liefern. Der Officemanager bestellte einfach einmal die Karte runter. Da war natürlich auch Pizza Hawaii dabei.
Am nächsten Tag beschwerte sich einer der Italiener auf Slack und fragte, ob man am nächsten Tag vielleicht eine simple Pizza Margherita haben könnte. Ohne den ganzen komischen Sachen drauf. Ich antwortete im Thread indem ich den Officemanager sagte: siehe oben, Beschwerde aus Sizilien, kannst du morgen bitte eine Pizza Margherita dazubestellen? Also eine ganz simple mit Ananas.
Das fanden viele witzig, unter dem Post sammelten sich Likes und grinsende Emoticons. Aber offensichtlich war mein Witz nicht für alle sehr offensichtlich, denn der Officemanager bestellte tatsächlich eine Margherita mit Ananas. Weil die beiden Italiener die Nase rümpften, pries ich sie den Indern und Iranern an. Die fanden sie ganz vortrefflich.
Diese Sache mit der Küche. Mir kommt vor, dass sie manchmal Religion ersetzt.
Hierzu gab es im Tagesspiegel neulich ein Interview mit dem italienischen Historiker Alberto Grandi (leider hinter einer Paywall), der über sämtliche Mythen aus der italienischen Küche aufklärt. Dass zB die Carbonara von Amerikanern erfunden wurde oder, dass das, was wir heute als Parmigiano kennen, jünger als hundert Jahre alt ist und im 19. Jahrhundert noch ein Weichkäse war. Oder, dass das, was wir heute unter italienischer Küche verstehen, in den 1960 oder 1970er Jahren in den Touristenzentren der Emilia Romagna entstanden ist. Weil man den Touristen aus Westeuropa ziemlich standarisierte Nudeln mit Tomatensauce auftischte, die die Fremden dann als typisch Italienisch empfanden und sich dadurch ein italienisches Selbstverständnis entwickelte. Das sind nur ein paar Beispiele, er hat ein ganzes Buch darüber geschrieben und wird natürlich wüst angefeindet.
Ich finde das ungemein spannend. Die Entstehung von Mythen. Storytelling. Und ich liebe italienisches Essen. Aber diese seltsame patriotische Religiösität ist neu. Die gab es in meiner Kindheit noch nicht, auch nicht dieses elitäre Gehabe um guten Wein, aber das schrieb ich schon an einer anderen Stelle einmal.
Diese affige Haltung (sorry Affen), dass dies und das nicht auf ein Gericht gehört, oder dass man Cappuccino nur bis zu einer gewissen Uhrzeit trinken darf, ey, da will ich am liebsten eine ganze Ananasdose über die Pizza stülpen.
EDIT: Oh doch noch zwei kostenlose Artikel über Alberto Grandi gefunden. Hier und hier.
Espresso wird nur im Handstand getrunken! Sonst ist das ein Sakrileg! 😉
Ich denke, das dient letztendlich nur der Distinktion.