[Di, 14.5.2024 – Bauchfummeln, Jungvogel, Asia Fusion]

In unserem Fanclub ist eine Freundin zu einer Frau transitioniert. Es war ein langer Prozess, der jetzt im letzten Jahr eine erstaunliche Geschwindigkeit aufgenommen hat. Wir haben uns sicherlich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Am Samstag begrüsste ich sie wie immer. Ich begrüsste sie früher meist ein bisschen “touchy”, wie nennt man das auf deutsch, “fummelig” vielleicht, ich bin bei manchen Männern hin und wieder “fummelig”, vor allem bei verklemmten Männern, da in meinem Charakterkeller ein provozierender Zwerg sitzt, der sich schnell langweilt und immer auf seine Gelegenheit wartet. Am liebsten fasse ich Bäuche an. Ich weiss nicht, warum. So tat ich es auch oft bei ihr, bevor sie zur Frau wurde. Nun war sie sicherlich nie verklemmt, aber der kleine Zwerg in mir handelt irrational, ich kenne seine Muster nicht.
Das war bisher immer okay. Als ich am Samstag aber ihren Bauch anfasste, fühlte es sich plötzlich falsch an. Da wurde mir klar, dass ich eine Frau nie an ihrem Bauch anfassen würde.

Ich schrieb ihr später eine Message. Es täte mir leid, es sei nicht mehr angebracht, sie so zu begrüssen wie früher, ich würde das ab sofort unterbinden. Sie antwortete, dass es ihr auch aufgefallen sei und entsprechend überrascht gewesen. Aber es sei alles gut.

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Vorhin im Park schlug meine Hündin plötzlich eine verdächtige Richtung ein. Meine Sensoren fahren mittlerweile verlässlich hoch, wenn sich ungewohnte Situationen anbahnen. Die Hündin drehte abrupt ab und bewegte sich auf eine Brandmauer zu. Ich folgte ihr unauffällig, aber zügig. Sie witterte an jener Mauer etwas im hohen Gras. Auf einmal flatterte ein Vogel aus einem der Grasbüschel hervor, er flog auf einem Meter Höhe über den Fussgängerweg in den Park hinein, direkt auf mich zu. Er schien nicht richtig fliegen zu können, er gewann nicht an Höhe und auch die Steuerung beherrschte er nicht. So landete der Vogel direkt auf meiner Brust. Das fliegende Tier war ein junger Spatz, er setzte seine Krallen in meinem Tshirt fest und flatterte einfach weiter. Er wirkte nicht besonders glücklich damit, auf mir gelandet zu sein. Genau so wenig war ich glücklich darüber und ich reagierte deshalb panisch und schüttelte das Federtier von mir ab, woraufhin es ins Gras fiel.

Ich war gerade mit einer Bekannten aus dem Park unterwegs. Eine junge Russin mit einem ungestümen Australian Shepherd. Beide unsere Hündinnen kamen angerannt und interessierten sich für das Tier im Gras. Ich hob es sofort auf, hielt es schützend in meiner Hand und versuchte es zu beruhigen.

Ich schaute meine Begleiterin an: what now?
Sie wusste es auch nicht. Meine rechte Hand war belegt, daher bat ich sie zu googlen, wie man mit einem verletzten Vogel am besten umgeht. Sie googelte, aber sie war keine gute Googlerin, ausserdem spricht sie kaum deutsch, sie würde die Hilfsanleitungen von deutschen Tierschutzseiten ohnehin nicht verstehen und ich konnte ohne meine Lesebrille nichts auf ihrem Display erkennen. Also beschloss ich, den Vogel zu einem Grünstreifen zu bringen, wo keine Hunde vorbeikämen und legte ihn in hohes Gras.

Dann ging ich zurück zu meiner Begleitung und googelte. Es kam auch die Friseurin mit ihrem Dackel dazu. Sie wusste ebensowenig, was zu tun sei, sie rief aber eine Freundin an, die immer Antworten auf solche Probleme hätte. In der Zwischenzeit fand ich heraus, dass man am besten gar nichts tut. Entweder man bringt den Vogel zum Tierarzt und pflegt ihn dann selber gesund, oder man überlässt alles der Natur. In beiden Fällen würde es allerdings bedeuten, dass das Tier wahrscheinlich nicht überlebensfähig sein wird. Ich hatte wenig Lust, mit einem verletzten Spatzenkind beim Tierarzt im Wartezimmer zu sitzen und ihn danach wochenlang zu Hause zu pflegen, ausserdem fahre ich Ende der Woche nach Schweden, die Reise würde er wohl kaum überleben. Ich weiss aber auch, dass ich mich in so etwas reinversetzen kann, aber ich versuchte, keine Gefühle für das Tier aufkommen zu lassen. Die Natur ist hart, so ist der Vogel zum Vogel geworden und der Mensch zum Mensch.

Ohne eine Entscheidung getroffen zu haben ging zurück zu dem Ort, an dem ich den Vogel ins Gras gelegt hatte. In unmittelbarer Nähe befand sich ein erwachsener Spatz, vielleicht das Muttertier. Er flog weg, als ich kam. Den jungen Vogel fand ich aber nicht wieder. Vielleicht ging ja doch alles gut. Bilde ich mir ein.

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Am späten Nachmittag kam mein Schwager. Er wird bis Freitag in Berlin bleiben. Am Abend gingen wir in den Kiez, tranken ein paar Biere und assen Asia Fusion. Zum Aussprechen ist das ein furchtbares Wort. Asia Fusion.

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