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Es passiert so wenig in meinem Leben, dass ich ständig die gleichen Sachen erzähle. Zum einen ist das die gebrochene Rippe meines Friseures, die es mir unmöglich machte, einen Termin bei ihm zu bekommen, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem das Haar auf meinem Haupt der Form des Helmes von Darth Vader Anleihe nimmt. Als ich neulich Frau Fragmente traf sagte sie: dein Haarschnitt war auch mal vorteilhafter. Der Kontext war harmlos, die Essenz des Satzes aber unmissverständlich. Als der erste Termin mit dem Friseur stand, musste ich am Stichtag aus beruflichen Gründen absagen, als der zweite Termin stand, sagte er mir wegen der gebrochenen Rippe ab. Inzwischen lag die Begegnung mit Frau Fragmente mehrere Wochen zurück. Aus dem Gefühl heraus, mich für meinen wenig vorteilhaften Haarschnitt und der damit verbundenen Verteilung von schlechtem Geschmack, erklären zu müssen, erzählte ich allen Menschen von der Rippe meines Friseures. Ständig. Meine Mitarbeiter begrüßten mich am Morgen mit der Frage, wie es der Rippe meines Friseures ginge.
Gestern war es dann so weit, ich hatte einen Termin und er schnitt mir eine vorteilhafte Frisur. Ab Morgen weiß ich dann vermutlich nicht mehr, wovon ich reden soll.
Wäre da nicht noch das Thema Balkone. Am Mittwoch werden nach vierjähriger Vorbereitungszeit die Balkone an das Haus gebaut und bei den Ausgrabungen für die Fundamente stieß man auf das defekte Abflussrohr der Regenrinne. Das Rohr war kaputt, vermutlich im letzten Krieg beschädigt, damit nämlich von oben keine Erde in das Rohr eindringen konnte, hatte man über das Loch einen Wehrmachtshelm gelegt und mit Erde verschüttet. Letzte Woche wurde also dieser Wehrmachtshelm ausgegraben und seitdem habe ich das allen erzählt. Vermutlich würde ich noch weiter darüber reden, wenn ich es nicht totgeredet hätte.

[s-s-s-summertime]

s-s-s-summertime sadness.
s-s-s-summertime sadness.

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Wieviele Lieblingslieder ich schon verbrannt habe, indem ich sie mir als Klingelton auf das Handy lud. Wenn ich im Taxi gedankenverloren aus dem Fenster schaue und VoyageVoyage ertönt, bekomme ich immer ein Gefühl des Schreckes. Telefonklingeln ist bei mir nie positiv belegt, ich habe es schon mit Melodien verschiedener Stimmungslagen versucht. Alle Melodien sind jetzt verbrannt.

K und ich besuchen in diesen Tagen einen Tanzkurs. Bis auf einen vier Jahre zurückliegenden Versuch, einige Tangoschritte zu lernen, ist es mein erster wirklicher Kurs – und es ist das erste Mal, dass wir gemeinsam tanzen, wir möchten auf Hochzeiten eine gute Figur abgeben, wir lernen einfache Sachen, wie Disco-Fox, Slow Wals, Cha Cha Cha. Die Kursleiterin spielt uns dauernd überraschend bekannte Musik vor, K und ich staunen stets (Abba ist Disco-Fox?). Letzte Woche im Fahrstuhl wurde I will survive gespielt. Ich machte mit den Füßen: Eins, zwei, Tap. Eins, zwei Tap. Alle Melodien sind jetzt verbrannt.

s-s-s-summertime sadness.
s-s-s-summertime sadness.

Ende Juni werden die Balkone an unsere Wohnungen gebaut. Während mich dieser Summertime-Sadness-Ohrwurm plagt, musste ich beim Gedanken an einen Sommer mit Balk sofort an Summertime Love (Boys Boys Boys) denken, das war Sabrina Salerno, die uns in den achtzigern davon sang. Ich googelte sie gleich. Als Zwölfjähriger hegte ich erstaunlicherweise wenig Interesse für Sabrinas Brüste (mich faszinierten eher Samantha Fox’ Hüften), ich war aber trotzdem in sie verliebt (ein halbes Jahr lang), was ich Jahre später dieser schwer zu ergründenden Ernsthaftigkeit in ihrem Blick zuschrieb. In Wahrheit war es wohl ein Gefühlsmix aus ihren Brüsten und Samanta Fox’ Hüften. Sie sieht heute besser aus, reifer, in sich ruhend. Aber was weiß ich schon. Es freut mich nur für sie, als hätte ich eine alte bekannte wiedergetroffen.

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Es ist das erste Mal, dass ich mich bewusst in Wolfsburg befinde, ich sitze im ICE nach Frankfurt (M), der Zug hält zehn Minuten im Bahnhof. Ich schaue rechts über das Wasser, der See formt ein T, ich sehe das VW-Werk, das Logo prangt an der Kulisse, davor auf dem Wasser hat ein Kutter angelegt, rechts am Wasser ein gewölbter, fensterloser Bau, dahinter grün, dann ein flacher Turmbau. Meine Augen ermüden, ich fühle: Frieden.

# FFM. Das erste Mal in Frankfurt: Frankfurt ist gemütlich und schön. Wenn man das sagt, klingt es wie eine Proklamation.