Mailabonnentinnen dieses Weblogs erhielten gestern unerwartete Post, die einen uralten, schlechten Text enthielt. Da ich ja (siehe gestrigen Eintrag) gerade das Archiv aufräume und für einen Buchdruck aufhübsche, merze ich Rechtschreibfehler aus und aktualisiere die Beiträge. Was ich jetzt gelernt habe: Beiträge, die einmal auf privat gestellt waren, werden bei Aktualisierung als neu veröffentlicht, bekommen also ein aktuelles Datum, landen im RSS-Feed und verschicken eine Juhuu-Mail. Sollten demnächst tagsüber wieder solche Mails rausrutschen: Es sind nur alte Texte. Ich werde aber darauf achten.
Ich stoße beim Aufräumen auch auf nette Texte, die ich völlig vergessen hatte. „in venedig“ verlinke ich jetzt mal, da es vom Setting her zur Novelle passt. Eine kleine Geschichte über Teenagerliebe. Bisschen wild das Setting, allerdings. Zum Ende dieser Geschichte möchte ich jetzt, 20 Jahre später, jedoch anfügen, dass ich jene Alessandra doch noch einmal traf. Das war im Sommer des gleichen Jahres. Ich fuhr nach Padova in das besetzte Centro Sociale. Dort gab es ein Festival und sie lief mir über den Weg. Sie hielt einen Mann an der Hand. Auch ihre Schwester war dabei. Sie begrüßte mich, sie lächelte, wir wechselten zwei Sätze, dann ging sie weiter.
So ist das ja immer mit der Liebe. Sie ist immer absolut. Aber auch austauschbar. Jedoch immer absolut.
Das hat mich an der Liebe immer genervt. Diese religiöse Absolutheit. Ich versuche, mit meinen Exfreundinnen immer einen guten Kontakt zu behalten. Zumindest mit jenen Frauen, die mir etwas bedeuten. Mir ist das wichtig, es waren mir wichtige Menschen, wir waren schließlich Weggefährten, wir teilten dieses absolute Gefühl der Liebe, wir waren beste Freundinnen, wir teilten Erfahrungen, Träume, Enttäuschungen, Krisen, haben gemeinsame Erinnerungen. Wenn das Label „Paar“ einmal nicht mehr da ist und der Liebesbrand gelöscht ist, soll das plötzlich keine Bedeutung mehr haben.
Ich stellte mir eine Beziehung immer wie eine Freundschaft vor. Die wichtigste Freundschaft. Auf diese Freundschaft kommt dann die Liebe obendrauf. Auch der Sex, der Urlaub, die Träume. Die Träume können verschwinden, der Sex auch, die Liebe auch, aber dann ist doch immer noch die Freundschaft da. Diese wichtiggewordene Person. Der gemeinsam gegangene Weg.
Ist das Label „Beziehung“ weg, will man das dann immer abschließen, vielleicht neue Partner finden und alles von vorne beginnen, wieder absolut, wieder quasireligiös, mit all ihren Schwüren und Träumen. Bis man dann irgendwann, nach Monaten, Jahren oder Jahrzehnten, wieder kein Paar ist. Die Absolutheit der Liebe geht nur so lange, wie man ein Paar ist. Mich nervte das immer. Einen Menschen, den ich einmal liebte, war mir offenbar dermaßen wichtig, dass ich ihn liebte.
(Ja, ich weiß schon, manche Beziehungen enden auch wegen Kränkungen und Missbrauch, das ist eine andere Sache)
Alessandra und ich waren zwar kein Paar, hatten keine Geschichte. Aber die Absolutheit war schon da.
Nun.
Gestern ging ich wieder ins Fitnessstudio. Nach drei Wochen Pause wollte ich den befürchteten Muskelverlust kompensieren und übernahm mich ein bisschen. Ich verließ das Studio mit geschwächten Gliedmaßen. Das ist ein komisches Gefühl.
Auf der Hundewiese trug ich dann das farbenfrohe Sommerhemd. Es hellte wirklich meine Laune auf. Zwei Menschen sprachen mich sogar darauf an. Fanden sie gut.
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Ja, die wichtigste Freundschaft. Ich hatte jetzt ein gutes Jahr Liebeskummer nach einer Trennung, aber tatsächlich keine Minute, weil die Liebesbeziehung in die Brüche ging, sondern meine beste Freundin von jetzt auf gleich weg war. Das war hart.
Mir ist es über die Jahre, ja Jahrzehnte auch recht gut gelungen, aus vormals leidenschaftlichen Lieben reine Freundschaften zu „extrahieren“, was ich mir in allen dreieinhalb Fällen, an die ich gerade dabei denke, nach dem Bruch nicht vorstellen konnte, das waren schon schmerzhafte Trennungen mit viel Enttäuschung und Tränen, aber da es in allen Fällen auch immer eine starke kommunikative Wellenlänge gab, ähnliches Weltverständnis und gleichartigen Humor, fand man sich Jahre später wieder, versöhnlich. Auch wichtig, dass es jeweils dann wieder eine neue Liebe und neuen Fokus gegeben hatte. Was mir aber auch sehr stark auffiel/auffällt, war/ist, dass durch die fehlende rosarote Brille, durch die Ent-Erotisierung Eigenarten, über die man verliebt tolerant und milde hinwegblickte oder es versuchte, nun nüchtern zur Kenntnis genommen werden, teilweise mit innerem Kopfschütteln und teilweise sogar verbunden mit Anflügen von Abscheu. Ich denke da zum Beispiel an die Eigenart eines Verflossenen (ein Bühnenperformer, Musiker, Autor, Schauspieler auch), in Gruppen zum Volksredner zu werden. Zweifellos war und ist er überdurchschnittlich eloquent, aber dieses „sich selber gerne reden hören“ und etwas lauter als nötig zu sprechen (wohl um die letzte Publikumsreihe zu erreichen), empfinde ich heute als etwas beschämend, ja peinlich. Dazu kommt heftiges, übertriebenes Gestikulieren, das ich heute als affektiert empfinde. Früher war jedes Wort von ihm, egal in welcher Lautstärke, Musik in meinen Ohren und das Gefuchtel ein Zeichen von Lebhaftigkeit 🙂 Ich erinnere mich deutlich, dass ich in Zeiten der Verliebtheit, das war vor einem Vierteljahrhundert, ein kleines Treffen mit einer alten Freundin und noch einem alten Freund und ihm hatte. Alle kannten sich von noch früher und hatten sich Jahre nicht gesehen. Nach dem Treffen teilte mir meine (damals beste) Freundin mit, dass sie seine Art in der Runde das Wort zu ergreifen, als aufdringlich empfunden hätte, als müsste er ständig etwas proklamieren. Ich verstand sie damals überhaupt nicht und war stellvertretend für ihn etwas beleidigt. Heute verstehe ich das komplett. Aber nichtsdestotrotz sind wir uns freundschaftlich verbunden, ich sehe ihn ja nie mehr, man gratuliert sich aber herzenswarm virtuell zum Geburtstag und nimmt sich auf fb etc. gelegentlich zur Kenntnis.