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Bzzzz Bzzzzz. Vielleicht mache ich im Juni wieder ein bisschen Tagebuchbloggen. Der Output war als stilistische Übung recht interessant, also nicht _was_ ich geschrieben habe und auch nicht _wie_ sondern, dass es ein _wie_ überhaupt gab. Auf Papier ist das Tagebuchbloggen immer zu ungehobelt. Als wäre Papier zu geduldig.

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Mutter war bis gestern zu Besuch. Sie kommt jetzt jedes Jahr. Wir machen dann spazieren und reden. Wir haben drei Tage lang spaziert und geredet. Wir haben aber auch geshoppt und geredet. Wir haben auch gegessen und geredet. Wir waren auch im Kino. Aber da haben wir nicht geredet. Erst danach.

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Am Samstag Boxhagener Platz gesehen. Er stand schon so lange auf meiner Liste. Schon vor dem Erscheinen. Warum wollte ich ihn sehen, vermutlich wegen dieser lokalen Verbundenheit, zu sehen, wie man Berlin portraitieren könnte, diese ganz besondere Ästhetik die sich wiederum so beliebig auslegen lässt. Dass der Film enttäuschen wird, hatte ich geahnt .Die paar Zeilen die ich darüber gelesen hatte, waren zum großen Teil gähn und schnarch. Dass er fast nur noch in Berlin läuft, ist vermutlich Patriodings.
Gefallen hat mir an dem Film, dass es dann doch kein Proletarierkitsch geworden ist. Das hatte ich befürchtet. Zudem auch kein Ostalgiescheiß, in keinerlei Form, höchstens die Tapeten vielleicht, aber bei diesen Tapeten werden sogar ich Ostalgisch. Was mir auch gefallen hat, waren die Bilder, ah, der Film lebt vielleicht von den Bildern. Ich habe mich von den Farben einlullen lassen. Grau in Braun, in Grau und immer ein bisschen Sepia mit reingemischt, ohne jetzt unecht oder romantisierend zu wirken. Und dann die Tapeten.

Doch trägt der Film irgendwie nicht. Wobei er durchaus dramaturgisches Potential hat: Ostberlin ’68, resolute, alte Frau wird von älteren, meist trunksüchtigen Herren umgarnt. Einer hat aufgehört zu trinken und schenkt ihr Gedichte. Sie liebt ihn zurück. Es wird was draus. Einer der Trunkebolde wird getötet, man verdächtigt die falschen, letztendlich finden man den Bösewicht, aber der ist gar nicht böse. Der Tote war eh ein Nazi aber das ist auch wieder egal. Drumherum haben ihre Auftritt: die Stasi, der Sohn der Frau als Polizist, des Sohnes Frau als DDR-müde Hausfrau die Westmusik hört, Kneipenbesitzer, der Nachbarjunge der von seinem Vater verprügelt wird, usw.
Und der dreizhenjährige Enkel, der dauernd die alte Frau begleitet. Sie ist seine Großmutter. Er ist der Sohn des Polizisten.
Genug Setting für spannenden Stoff. Alles nachvollziehbar und glaubwürdig in die Geschichte verwoben.

Und trotzdem. Ich kann nicht genau sagen warum der Film nicht trägt. Er hat zwar seine Längen, aber das fand ich gar nicht störend. Irgendwie soll der Film aus der Sicht des Jungen erzählen, wie mir scheint. Er ist der Beobachter, nimmt wenig Teil, schaut aber immer bedeutungsschwanger, während das was passiert irgendwie belanglos erzählt wird. Die große Geste zur Beiläufigkeit, wobei, ich habe nichts gegen Beiläufigkeit, ganz im Gegenteil, Beiläufigkeit ist wunderbar, gerade um die Relevanz der großen Geste hinzuschmeißen, aber der Film wirkte, als hätte er sich zu viel vorgenommen und in dieser Aufgeregtheit das alles nicht wirklich ausgearbeitet.
Zudem neigt die Hauptdarstellerin oft zum overacting, was ich ganz fürchterlich finde. Auch im Theater.

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Die Lesung am letzten Mittwoch war übrigens sehr fein. Ihr habt etwas verpasst. Zudem war es ein sehr netter Abend, mit sehr netten Neuköllner Menschen.

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KU*TURHAUS (Zinnowitz)