Ich vertrage offenbar keinen Alkohol mehr. Zugegebenermaßen trank ich in der letzten Nacht ein ziemliches Durcheinander, von süßem Sekt, Aperol Spritz, Rotwein, Espresso Martini, Rotwein, Rotwein, Rotwein, Rotwein, Glühwein bis hin zu Bier. Aber eigentlich stecke ich so etwas gut weg. Natürlich hatte ich unter solchen Umständen immer einen Kater, mit einem Kater weiß ich aber umzugehen. Was neuerdings hinzukommt, ist eine Gelähmtheit, eine Kraftlosigkeit, als wäre der Kater nicht in mir drin, sondern als wäre ich selbst ein dicker, unbeweglicher Kater mit Muskelschwund und Arthritis. Ich kann mich zu nichts aufraffen, meine Gelenke sind verrostet, alles kostet Kraft und ich will nur schlafen, schlafen, schlafen. Früher hatte ich einfach nur einen Kater. Kopf, Gliedmaßen, Wahrnehmung: Alles ist verbrannt. Das fand ich leichter zu handhaben. Vielleicht kommt es daher, dass ich seit geraumer Zeit weniger trinke, der Gewöhnungseffekt hat nachgelassen. Wenn das so ist, dann empfinde ich das als eine gute Sache.
Glücklicherweise bekam die gesamte Belegschaft heute einen Erlass von Arbeitsstunden. Offizieller Arbeitsbeginn war erst 12 Uhr. Das finde ich sehr sympathisch. Und mir kam das heute wirklich sehr gelegen. Ich aß am Vormittag zwei Äpfel, einen Kanzi und einen Royal Gala. Ich bin bei Apfelsorten sehr mäkelig geworden, ich weiß nicht, wann das anfing, früher, als ich Apfelpflücker war, gab es ja nur Stark- und Golden-Delicious, zumindest in Südtirol war das so. Stark mochte ich schon damals nicht, obwohl die aussahen, wie klassische Äpfel, also rot, mittlerweile mag ich ja fast nur noch Kanzi und Cosmic Crisp, und in Hamburg gibt es einen überraschenden Mangel an mir genehmen Äpfeln. Zumindest in jenem Hamburg, in dem ich einkaufe, das ist hauptsächlich Lidl, aber auch ein kleiner Rewe. Es gibt Gala, Gala, Gala, Royal Gala und die immer etwas vergoren schmeckenden Pink Ladys. Neben den braunen Äpfeln, die als Bratäpfel angeboten werden, aber an die traue ich mich wirklich nicht ran. Deswegen brachte ich mir Kanzi aus Berlin mit, die verwechselte ich heute früh allerdings mit den noch übrig gebliebenen, mehligen Galas. Direkt beim Reinbeißen in diese Masse aus süßem, hartem Mehl verging mir sofort die Lust, auch noch darauf herumkauen zu müssen. Ich weiß, es gibt viele Menschen, die mit den neuen Sorten fremdeln, Gala ist strenggenommen auch eine neue Sorte, aber eine wenig gelungene, wie ich finde, und vielleicht kenne ich die richtigen alten Sorten gar nicht, auch wenn ich mich wegen meiner Apfelpflücker-Vergangenheit oft als Apfelkenner ausgebe, so habe ich in Wirklichkeit doch keine Ahnung davon, manchmal spiele ich mich nur ein bisschen auf, ohne es zu merken, es ist mir dann erst später peinlich, jetzt zum Beispiel. Was ich aber sagen will: Für mich war die Geschichte mit der Schlange im Garten Eden immer wenig überzeugend, wie sie da Eva diesen roten Apfel gab. Ich meine: Damals gab es ja nur alte Sorten, no way, dass Eva sich so einen mehligen Apfel aufschwatzen ließ. Immerhin hat der Vatikan das Buch Genesis mittlerweile als historisch inkorrekt eingeordnet, und eine symbolische Lesart der Apfelgeschichte empfohlen.
Mehlige Äpfel. Symbolik. Weiß jetzt auch nicht.
