[gut]

Gestern im Kino des Tacheles gewesen und Tykwers »Drei« gesehen. Ungefähr zwei Monate verspätet. Das Bedürfnis auch, diese Art von Filme immer beim Erscheinen zu sehen. Vielleicht weil sie so am Zeitgeist festgenagelt sind. Auch Spalanzani hat ihn gesehen, und wohl eine der treffenderen und am wenigsten hämischen Betrachtungen darüber geschrieben. Das mit der Häme ist wichtig zu erwähnen, weil dieser gegenwärtige Tonfall der Leute so unerträglich ist, in den Blättern, in der Foren, wenn sie sich über ihresgleichen hämisch abarbeiten, um sich damit von einem Gefühl zu befreien, das einer Art Schuldgefühl ähnlich scheint. Die Angst vor dem eigenen Klischeebild von der Seele schreiben. Der Film, also die Charaktere darin, deren Leben, bieten Angriffsfläche für Ihresgleichen. Und diese stürzen sich darauf.
Jedenfalls habe ich ihn eben erst zwei Monate verspätet gesehen. Und ich verlinke dankend an Spalanzani. Es kommt merkwürdig daher, diesen Film noch zu besprechen.

Ich hatte vergessen, dass das Tacheles dermaßen trashig ist. Ich war zu lange nicht mehr wirklich da. Da war das Tacheles noch cool. Neben den vielen jungen Touristen, die staunend vor der Ruinenkulisse stehen, gehen auch ganz normale Leute ein und aus. Auch Ältere. Also Leute, die nicht Touristen sind, sondern ins Kino gehen, oder in eine Ausstellung, hiesige Leute, wie K und ich. Das hat mich dann doch positiv überrascht. Und mich mit dem Tacheles versöhnt. Möglicherweise ist unsere Interpretation der Tacheles-Ästhetik und der Verbindung mit Umsturz und Häuserkampf ein überholtes Bild. Ich versuche dem Tacheles dauernd Positives entgegenzubringen und wusste nie so recht warum, aber gestern blitzte es kurz in mir auf. Ich glaube, das hat mit der Sauberkeit zu tun. Die Sauberkeit des Hauptbahnhofes, die Sauberkeit der Foster-Architektur, die Sauberkeit der Lounges, die Sauberkeit der Weißweingläser, die sauberen Lebensläufe, die Sauberkeit in der Literatur, das Reduzierte, Zurückhaltende, vielleicht mutlose, weil unangreifbar, diese öde Zurückhaltung der Internationalen Moderne, mit der Berlin momentan vollgebaut wird, diese saubere Sagrotan-Ästhetik, hermetisch oder distanziert, je nachdem. Wäre ich Architekt, würde ich mit der Neuen Sachlichkeit abrechnen, ich würde es »Neue Unsachlichkeit« nennen. Ich würde jede Zurückhaltung nach außen biegen, jede Eleganz in Schieflage legen und jede Fassade die aussieht, als müsse jede Woche eine Reinigungsfirma ran, mit Betonpoke besprühen.
Die Architekturgeschichte hatte einfach noch nicht ihre Punkperiode. Oder 68-er Revolution. Je nach Sozialisierung.

Wir saßen also im Kino. Der Raum vollgestellt mit breiten, roten Ledersofas. Wir waren die ersten, nahmen uns das größte Sofa, ein schwules Pärchen setzte sich vor uns, ein älteres Paar hinter uns. Links brannte ein Propangas-Ofen. Er vermochte den Raum nicht zu wärmen, aber er zischte und ssschhtete den ganzen Film über von der linken Seite her ins Ohr. Rechts hinter den Brettern hörte man ab und zu die Straßenbahn von der Oranienburger her donnern. Zur Hälfte des Filmes entdeckten wir die Decken, wir deckten uns zu, meine Füße waren eisig. Ich weiß nicht ob ich das noch gut finde, aber uns war ganz gut zumute.
In weiten Teilen fanden wir den Film jedenfalls ziemlich gut.

Ein Kommentar

  1. Ich fand ihn auch gut, den Film, vielleicht auch deshalb, weil er genau so angreifbar ist, wie man selbst in diesen Dingen, wenn man ehrlich ist.

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