[exilpost 7]

Exilpost 7

[posting 7 So 23:59]

Was ich noch mitgenommen habe: Paolo mischt Sambuca in seinen Kaffee. Das ist die leckerste Sache der Welt.

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Ich trage auf langen Bahnfahrten immer weiße Hemden. Weil lange Bahnfahrten so schlauchen. Die Kleider kleben am Körper, die Haare hängen, die Augenlider auch, oder sie schwellen an, die Menschen riechen, man klebt an den Sesseln, man muss sich lospuhlen. Wenn ich bei langen Bahnfahrten ein weißes Hemd trage, dann ändert sich mein Empfinden.

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Und sonst gibt es nur noch Fetzen Was ich aber noch unbedingt loswerden muss ist die Sache mit dem Hotel, in das wir Paolo unterbringen mussten, mich hat das fertig gemacht, die anderen schienen sich nicht daran zu stören.

Das war so: um halb drei mussten wir von Kastelbell nach Meran, da der Künstler Paolo Caneppeli abgeholt werden musste. Er kam mit dem Zug aus Wien, kennt sich in Meran daher nicht sehr aus. Wir brachten ihn in ein renommiertes Kunst-Hotel, eine ziemlich noble Addresse aus dem Ende der Habsburger-Zeit. Das Hotel war eine Notlösung, da in Meran das Weinfest stattfindet und alle weiteren Herbergen verbucht waren.
Wir betraten jedenfalls das Hotel durch einen sehr schönen und größzügig angelegten halboffenen Treppenaufgang aus Schiefersteinen, gelangten oben in die offene Lobby, flankiert von einer langen Bar aus edlem Holz, daneben erstreckte sich die Terrasse, halb als Wintergarten angelegt, halb im Freien. Die Wände sind mit Gemälden behangen, keine albackenen Leinwände, durchaus okaye Sachen. Paolo checkt ein, ist auch ein wenig überwältigt von der Großzügigkeit des Hauses, er will sich frisch machen, Haimo und ich beschließen einen Drink auf der Terrasse zu nehmen, Sonja kopiert in der Lobby ein Manuskript. Draußen sitzen andere Gäste des Hauses. Das Hotel scheint sich in Kunst zu suhlen, genüsslich, die Kunst lässt Glanz auf die Gäste ab, die Gäste fühlen sich sichtlich wohl in dem Ambiente, geben sich großzügig, bewegen sich langsam und bedächtig durch den Raum, die Luft ist vom edlen Geist der Kunst bereichert. Gut, es gibt sie sicherlich, die Menschen, für die Kunst die Auseinandersetzung ist, für die Kunst das Reiben ist, aber worum geht es letztlich? Warum malen wir die Bilder? Warum hauen wir Metall? Warum schreiben wir die Sachen auf? Warum spielen wir die Musik? Ist der Grund wirklich nur der, dass das alles, was wir Kunst nennen, dass all dieser Mist, den wir auskotzen, kann es sein, dass er einfach nur Glanz auf andere Leute abgibt?