[von wegen Religion]

Die Attentate in Paris waren kein Angriff auf die Freiheit. Sie waren auch kein religiöses Attentat. Und wenn man in Frankreich derzeit von einem kulturellen Attentat spricht — auch das war es nicht. Es war ein Attentat von unausgelasteten, gelangweilten oder ausgeschlossenen jungen Männern, die nach etwas Sinnvollem suchten und der Sexyness einer wütenden und radikalen Bewegung erlegen sind.
Es sind fast immer die gleichen Muster. Die Jungs hätten genau so gut einer rechtsradikalen Lichtgestalt folgen können, einem Guru mit einer Sexsekte oder einem Guru, der zu Massenmord anstiftet. Vor fünfundvierzig Jahren bewaffneten sich die jungen, weißen Männer gegen den amerikanischen Imperialismus. Zwanzig Jahre lang. Harmloser ist es, wenn sie Kleinkriminelle werden, oder die ganz Blöden landen als Gewalttäter bei Fußballfanclubs. Früher waren sie Söldner. Piraten auch. Oder die Männergruppen, die in den Zwanzigern für jene kleine Partei namens NSDAP durch die Straßen patrouillierten. Alles in gutem Glauben. Für junge Männer mit einem muslimischen Hintergrund drängen sich seit einigen Jahren die zahlreichen, mit relgiöser Mystik überladenen Gruppierungen auf. Sie werden gebraucht, ein Gott, der ruft, eine schlechte, vom Geld regierte Welt und diese ganze Welt, die vor ihnen zittert.
Was ist geiler für junge, unausgelastete und ausgeschlossene Männer, als ordentlich den Rocknroll abgehen zu lassen.

Da ist nichts Religiöses oder Politisches oder Kulturelles dran. Es geht um junge Männer die auf Sinnsuche sind.

Was es jetzt nicht besser macht.

12 Kommentare

  1. Ich denke, es ist beides: Für die Täter kann das so zutreffen und es ist auch ein kultureller, politischer und religiöser Aspekt, da sie der „Sexyness einer wütenden und radikalen Bewegung erlegen sind“, die in ihrer Ideologie genau damit arbeitet.

  2. So habe ich das noch nicht gesehen, finde aber die Begründung der radikalen Taten, Morde sehr einleuchtend. Und der religiöse Aspekt bleibt weg, was diese Begründung auf eine neue Stufe hebt.

  3. Das stimmt.
    Die Energie junger Männer ist unendlich groß. Wenn sie dann, wie die drei, Heimkinder sind, Zuwanderer dazu, macht ihnen die eigene Fremdheit Angst und sie suchen ein Zuhause. Und die Rattenfänger bieten es ihnen, einfache Ideologie, Freund-Feind, gut-böse. Plötzlich hat ihre Kraft ein Ziel, ein irrsinniges, aber doch konkreter als alles zuvor. Und alles entläd sich, und sie sterben auch noch für diese kruden Ziele.
    Früher hat man diese Jungs ein paar Sommer lang mit den Tieren auf die Alm geschickt.
    Heute sind es zu viele Jungs und zuwenig Almen.

  4. Sie vermuten, wenn ich Sie richtig verstanden habe, hinter den vorgebrachten politischen und religiösen Gründen Langeweile, Marginalisierung, Kompensation von Ohnmacht. Als Analogien nennen Sie u.A. linke Gewalttäter ab ca. 1970. Meinen Sie damit Gruppen wie die RAF und Brigate Rosse? Würden Sie denen wie den Kouachis jegliche weltanschauliche Motivation absprechen?Antiimperialistischer Kampf und Prophetenrache nichts als eine adoleszente Trotzreaktion und Sinnsuche? Kein System und keine Strukturen sondern rein individalpsychologische Probleme?

    Gilt das Ihrer Ansicht nach für jegliche Art politischen Engagements? Falls nein, wo ziehen Sie da die Trennlinie? Bei der Gewaltanwendung? Jemand der beispielsweise ein Haus besetzt ist durch Widerstand gegen Staat und Kapital motiviert, sobald er aber einen Stein auf Polizisten wirft ist er nur ein unausgelasteter Kerl mit Größenwahn?

  5. In der Regel schon. Die Bewegung besteht immer zum Großteil aus Mitläufern. Ich rede auch nicht von einzelnen Ideologen, sondern von denjenigen, die üblicherweise die Ausführenden sind. Mit Mitläufern meine ich nicht nur offensichtliche Mitläufer (die mal eine Fahne hochhalten), sondern vor allem auch Fanaten, die sich einer Ideologie verschrieben haben.
    Und ja ich rede tatsächlich vor allem von einer RAF, die sich wie eine Schülerbande um einen chauvinistischen und im Alltag politisch inkonsequenten Rädelsführer geschart hat. Natürlich ist die Motivation der Taten „ideologisch“, letztendlich aber lediglich ein Abbild der Peer-Group (die man sich ausgesucht hat, oder in die man hineingeraten ist).

    Anders verhält es sich mit Menschen, die unmittelbar betroffen sind. Arbeiter in Lateinamerika zB oder ethnische Unruhen, siehe USA. Da ist die Motivation aber eine andere.

  6. Vielen Dank für die Antwort. Dann gibt es also Ihrer Ansicht nach Menschen die auf Grund ihrer Persönlichkeit einfach zur jeweiligen Ideologie du jour hindriften. Wären die Kouachis deutsch dann hätten sie vielleicht beim NSU angedockt.

    Ich glaube dass da trotzdem noch Umweltfaktoren dazukommen. Unter bestimmten wirtschaftlichen und auch weltanschaulichen Umständen (meine Arbeitskraft wird nicht mehr wertgeschätzt, ich werde verdrängt, meine Ansichten sind plötzlich out) ist die Zahl der Menschen höher die für sowas empfänglich werden.

    Die jeweilige Weltanschauung spielt auch eine Rolle. Mann muss sich schon auf der richtigen Seite stehend fühlen. Avantgarde. Glut im Kraterherde. Die Retter des Abendlandes. Schwarzbrotritter vom deutschen Wesen. Paradiesanwärter. Alliierte der Unterdrückten etc.

  7. Auf die Schnelle würde ich sagen: klar gibt es Tendenzen. Bleibe ich beim Gedanken stehen, denke ich daran, wieviele Neonazis zu Punks geworden sind (OK, Punk ist nicht notwendigerweise links), oder Anfang der Neunziger auch den umgekehrten Weg eingeschlagen haben. Oder sich später esoterischen Splittergruppen angeschlossen haben. Oder ein ehemaliger Mitbewohner, der zu den Hare Krishnas ging.

    In meiner Erfahrung probieren sich die Leute aus und bleiben dann da, wo sie geliebt werden. Und wo sie so etwas wie eine Erfüllung erleben.

  8. Das ist imho ein Kategoriefehler, relativ leicht an den Beispielen sichtbar.

    Würden wir bei einem angezündeten Flüchtlingsheim sagen „hat nichts mit [der rechtsradikalen Lichtgestalt die dazu aufrief] zu tun?“

    Sagen wir bei Andreas Bader, dass das nichts mit Politik zu tun hatte?

    Sagen wir bei Daniel Nivel „das hat nun wirklich nichts mit Hooligans zu tun“?

    Oder, vielleicht etwas aktueller: PEGIDA ist eine ähnliche Demographie. Sollten wir da auch den politischen Hintergrund wegdiskutieren?

    Oder, abstrakter: wie sähe denn dann ein religiös motivierter Anschlag aus?

    Ja war es frustrierte junge Männer. Und ihre Frustration wurde von ihrer Religion gelenkt.

    Warum ist in letzter Zeit gefühlt jeder, der nicht bei Pegida mitrennt, so scharf darauf, das irgendwie wegzudiskutieren?

  9. Es geht nicht darum, den politischen Hintergrund wegdiskutieren. Wenn man nach Lösungen sucht, wird es allerdings nichts helfen die Ideologie zu bekämpfen. Die Idelogie ist Rahmenwerk. Die allerwenigsten Menschen haben einen ideologischen Antrieb.

    Ideologien zu bekämpfen ist die fight fire with fire-Methode. Und macht die Ideologie in vielen Fällen sogar sexier. Möchte nicht wissen, wieviele „potentielle Attentäter“ sich durch die Karikaturenaktionen der Medienhäuser nach den Anschlägen in ihrer Ideologie bestätigt sahen.

    Die Karikaturenaktion macht den „Opfern“ allerdings Mut. Oder gibt Trost. Was auch wieder gut ist.

    (Mir ist schon bewusst, dass ich hier in nur wenigen Absätzen ein Fass aufgemacht habe, wofür man mehr Platz braucht.)

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