[rumgeweltmeistere]

Länderspiele sind mir ja ohnehin ein Graus. Ich mag dieses Leistungsmessen der Nationen nicht. Erst recht nicht innerhalb Europa, aber auch sonst nicht. Dieses sich Zurückziehen auf Reisepässe und Staatsgrenzen und gegen andere Reisepässe antreten um so etwas wie Kulturhoheiten zu vertreten. Ich fand Weltmeisterschaften und Europameisterschaften immer eher Trennend. Dass Fußball laut Fifa-Marketing die Nationen verbinden soll, halte ich für eine falsche Annahme.

Mal nachgefragt: wie vielen Fans der deutschen Mannschaft ist Mexiko seit der Niederlage von letzter Woche ein interessanteres oder begehrenswerteres Land geworden? Oder wie viele Schweden denken seit der Niederlage gegen die deutsche Mannschaft: boah, tolles Land, wie die uns da in der letzten Minute abgeschossen haben, ich will jetzt einen deutschen Reisepass beantragen und Goethe lesen.

Was alles noch schlimmer macht: wo gerade alle Länder unabhängig werden wollen und sich zurückziehen wollen in ihre heile Welt der Traditionen und Pflege von irgendwelchem erdachten und religiös angebetenem Kulturgutscheiß, tanzen Spieler in der Kabine dann zu Rechtsrock oder stellen sich in militärischen Posen vor die gegnerische Tribüne.

Nichts gegen Kulturgutscheiß. Sollen alle ihren Kulturgutscheiß pflegen.

Was ich in diesem Sommer allerdings noch verstärkt beobachte ist, wie die deutsche Nationalmannschaft als Identifikation nicht mehr so funktioniert wie früher. Mein privates Umfeld ist sehr international geprägt. Neben Deutschen habe ich einen intensiven Umgang mit Kroaten, Italienern, Türken, Polen, Engländern, Bosniern, Schweden und Niederländern. Oh Australier und Russen sind auch dabei.
Vor vier Jahren und auch in den Jahren davor gab es irgendwie immer eine grundsätzliche Zustimmung. Unter allen Leuten die ich kannte. Die meisten waren sogar Fans und fieberten richtig mit.
Deutschland hat nun nicht das liebenswürdige Image draußen in der Welt. Ja, man achtet deutsche Autos und achtet die Wirtschaft, aber Liebe ist das deswegen nicht. Es ist immer etwas schwierig mit Deutschland. Deswegen hatte mich das schon gefreut, dass die vielen Internationalen Deutschen plötzlich mit der deutschen Nationalmannschaft mitfieberten. Meine Interpretation dessen war, dass Deutschland zunehmend ein Land wurde, das versuchte Gutes zu tun. Also ein Land das freundschaftlich wurde, das nach vorne schaut, das sich mental öffnet.
Das hat sich seit wenigen Jahren geändert. Es wird wieder infrage gestellt was deutsch ist, man redet wieder mehr von Deutsch-Türken, es ist wieder ein ihr und ein wir.
Mit der deutschen Mannschaft mitfiebern tun nur noch Deutsche, die mindestens seit sechs Generationen deutsches Blut weitervererbt haben. Zumindest vom Gefühl her. Und selbst da nur jene Deutsche die vermutlich sechs weitere Generationen… ihr wisst schon.

Ich frage mich ob die Leute der AfD, oder Menschen mit starken nationalen Gefühlen eigentlich mitbekommen, wie sehr sich Menschen von dieser nationalen Idee abwenden, je stärker sie proklamiert wird.
Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es fast schon wieder lustig.

Ein Kommentar

  1. Stehe der WM in den genannten Punkten nicht ganz so kritisch gegenüber, weil meine Genuss-Prämisse niemals eine patriotische war. Es ist schlicht die Tatsache, dass ich mich sportsmanshippig für das deutsche Team entschieden habe, um mein Herz dran zu hängen. Dass es das deutsche ist, zeigt nur, dass ich wohl nicht so kreativ bin, wie andere.

    Ich beobachte bei den „Internationalen Deutschen“ in meinem Umfeld im Wesentlichen Verwunderung darüber, dass wir stets und ständig im Diskurs darüber sind, was wir eigentlich meinen, wenn wir von „Deutsch“ reden. Manche Ergebnisse verstören uns hier, andere geben Grund zur Hoffnung. Grundsätzlich versteht aber kaum einer meiner Freunde, weshalb wir eigentlich immer nach einer zeitstabilen Selbsterklärung suchen. Für die *scheint* nicht nur klar zu sein, was sie qua Geburt sind, sondern es *ist* es auch.

    Das finde ich spannend, weil uns IMHO eben gerade diese Unentschlossenheit mit gleichzeitigem Vorantreibens der Diskussion ausmacht – ganz gleich, welche Ergebnisse dieses „Zaudern“ mit sich bringt.

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