[Urlaubstagebuch 1]

Eigentlich wollte ich schon am Dienstagabend vom Büro direkt nach Rostock fahren um dort am nächsten Morgen zu unchristlichen Zeiten die Fähre nach Gedser zu nehmen. Allerdings schaffte ich es nicht, den Bürotag zeitig zu beenden. Als es gegen 18Uhr absehbar wurde, dass ich bald alles erledigt haben würde, begann ich schon einmal mich nach einer Unterkunft für den Abend umzusehen. Alle Hotelprotale meldeten aber das gleiche: nix mehr frei in Rostock. Auch nicht in Bad Doberan, auch nicht in Güstrow, das Gewusel an Hotels an der Küste war auch ausverkauft. Auch Telefonate in einzelne Hotels brachte nichts. Hätte man ja wissen können, sagte man mir. Es scheint die Sonne und es ist Urlaubszeit. Hätte man ja wissen können, sagte man mir auch im Büro.

Nein, sowas weiß ich nicht. Eigentlich will ich sowas gar nicht wissen. Eigentlich will ich losfahren und ein Hotel finden. Das ist ganz wesentlicher Bestandteil von Abenteuertum.

Am nächsten Morgen um 5 Uhr früh stieg ich in mein Auto und fuhr nach Rostock. Ich hatte mir den Strohhut aufgesetzt weil ich mich im Urlaub nur ernst nehmen kann, wenn ich auch einen Strohhut trage. Ich nahm mir vor, Tagebuch zu bloggen, aus dem Urlaub heraus, also davon zu erzählen wie ich im schwedischen Wald sitze und nichts mache als im schwedischen Wald zu sitzen. Das ist eine schöne Herausforderung, wie ich finde.

Fähren. Ich liebe ja Fähren. In den Bauch des Schiffes einfahren, durch die metallenen Gänge auf das Deck hinaufzusteigen, den Möwen zusehen. Und der sommerliche Wind. Auf Fähren schieße ich immer Selfies. Ich weiß nicht warum, das ist ein Reflex. Wie Menschen das Essen fotografieren, so schieße ich Selfies auf Fähren. Müsste ich jetzt psychologisch untersuchen lassen.

Mittlerweile habe ich eine Lieblingsroute wenn ich zu meiner Frau nach Schweden fahre. Zumindest weiß ich theoretisch wie sie verläuft. In der Nähe von Halmstad landeinwärts abbiegen und die Route über Torup nehmen und dann immer weiter nordostwärts. Aus meiner Sicht fährt man da durch ein Bilderbuchschweden. Je kleiner die Straßen desto bilderbüchern wird die Landschaft und knuffeliger die kleinen Orte oder Häusergrüppchen aus rot-weiß gestrichenem Holz. Ich verfahre mich jedes Jahr wieder, das Navi drängt mich immer auf die schnelleren Routen, dem versuche ich ständig entgegenzusteuern, dadurch gerate ich immer wieder auf unbekannten Wegen. Manchmal komme ich ganz vom Weg ab. Diesmal überraschte mich ein leerer Tank. Das ist mir noch nie passiert. Dass ich eine ganze Fahrt nicht ans Tanken gedacht hatte. Die Tanknadel stand schon auf Null. So weit unten hatte ich sie noch nie gesehen und überhaupt wunderte es mich, dass ich offenbar die Tankleuchte für eine lange Zeit nicht bemerkt haben musste. In Berlin würde mir ein leerer Tank nicht so viel Angst machen, im schwedischen Wald bekommt ein leerer Tank aber eine ganz andere Dynamik. Wenn die Sonne scheint denke ich an freundliche Schwedinnen mit verträumten Augen beim Pilzesammeln. Wenn der Tank leer ist, denke ich an riesige, bärtige Männer mit Motorsägen und zu Folterkellern umgebaute Bunkern im Wald.

Nun wusste ich nicht wie lange ich mit der Tanknadel auf Null noch fahren konnte. Ich hatte einmal gelesen, dass man noch mindestens zwanzig Kilometer fahren kann wenn die Warnleuchte aufleuchtet. Manche sagten auch dreißig oder vierzig Kilometer. Je nach Wagen und Geschwindigkeit. Aber mit der Nadel auf Null war ich gut beraten einfach schnellstmöglich Benzin zu finden. Der Motor stotterte noch nicht, ich schaltete die Klimaanlage aus und gab mit der rechten Hand in mein Telefon ein: Tankstelle. Im schwedischen Wald kommen einem nicht so viele Autos entgegen, da muss man nicht immer auf die Straße schauen. Googlemaps zeigte mir eine einsame Tankstelle in 11,3 Kilometern Entfernung an. Jetzt konnten nur zwei Sachen passieren: entweder diese Tankstelle zu erreichen oder auf dem Weg dorthin liegenzubleiben. Um Sprit zu fahren schlich ich mit 20km/h dahin. Die Elfkommadrei schrumpften quälend langsam auf elfkommazwei und elfkommaeins. Undsoweiter. Ich erreichte tatsächlich nullkommanull, war aber mittlerweile dermaßen durchgeschwitzt, dass ich ich mir eine Wasserschicht von den Unterarmen abziehen konnte.

Übrigens: diese gruseligen Selfservice Tanksäulen in den schwedischen Wäldern. Zweitausend Quadratmeter Betonplatte, eine Säule, Zwei Zapfhähne, eine Säule. Drumherum: Wald. Im Wald: bärtige Männer mit Motorsägen. Und Zombies.

Aber: nix passiert diesmal.

Eine Stunde später hielt ich meine Frau in den Armen und bekam ein Bier, und ein Zweites und ein Drittes. Und es gab mein Lieblingsgericht. Pasta mit Thunfisch. Und viel Parmesankäse.

[Donnerstag]

Neben Fährefahren liebe ich es auch, in Schweden zur frühstücken. Ich esse immer salzige Butter mit Marmelade und Schmelzkäse mit Krabben. Das ist nicht sonderlich schwedisch, aber ich esse das immer in Schweden zum Frühstück, insofern ist das my own private Sweden.

Es ist heiß hier und trocken. Um zum Sommerhäuschen zu kommen muss ich über vier Kilometer Schotterstraße fahren. Es ist so trocken, dass ich eine Staubschweif hinter mit her schleppe. Wie ein Komet. Im ganzen Land ist ein Grillverbot ausgerufen worden, weil von jedem kleinen Funken gleich ganze Waldgebiete in Flammen aufgehen. Im Norden sind die Brände immer noch nicht im Griff, im Süden sieht es bereits besser aus. Vor zwei Tagen hat es 40 Kilometer von unserem Haus gebrannt. Aber es konnte schnell gelöscht werden, Sommerurlaub ohne grillen ist natürlich nur so 99% aber wenn man es vorher weiß, dann baut man auch keine Vorfreude auf und da Vorfreude bekanntlich das halbe Vergnügen ist… wie auch immer man so einen Satz zu Ende bringt.

Wir fahren Einkaufen. Zu ICA. Das ist so etwas wie Edeka, nur anders. Größer. Der ICA im Ort muss mehrere zehntausend Menschen in einem Radius von sicherlich 20 Kilometern versorgen. Es ist nur ein kleiner Ort, aber der Ort hat alles. Das heißt einen ICA und den Verkaufspunkt für Alkohol, das Systembolaget. Neben Fährefahren und my own private Frühstück liebe ich auch das Systembolaget. Dass das Systembolaget schon um 17 Uhr schließt mag ich weniger, aber die haben eine riesige und auch überaus exquisite Auswahl an alkoholischen Getränken. Alles fein säuberlich sortiert nach Stilrichtungen und Regionen und Ländern. Vom billigen Booze bis zum fassgereiften und luftgetrockeneten Traubenmost.

Später am Tag sitzen wir vor dem Haus und unterhalten uns. Irgendwann gegen Mitternach kommt die Dämmerung. Und die Mücken. Dann gehen wir ins Haus und legen uns ins Bett.

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