[woran ich mich erinnern will. September 2020]

Neulich gab es bei Spiegel Online diesen Artikel über Herrendüfte und Kulturgeschichte. Ich kann mit Gerüchen tatsächlich viel angfangen und wenn jemand sagt, dass im Mainstream die Gerüche alle ihre Kanten verloren haben, dann will ich wissen wie diese Kanten riechen. Das hat mich auch beim Bier beschäftigt. Und auch bei der Musik. Und erst recht bei den Menschen. Ich will immer die Kanten kennen.

Weiter im Text wird ein Parfum namens „Carnicure, von Marlou“ erwähnt, der Geruch wird folgendermaßen beschrieben: „Das ist zart-süß und animalisch-geil. Tropfen für Tropfen pure Lüsternheit, mit Schweiß-, Urin- und Darkroom-Assoziationen. Ein Parfüm, das polarisiert.“

Ich schlug sofort die Marlou Seite auf und bestellte ein Probefläschchen.

Eine Woche später kam das kleine Paket an. Und jetzt traue ich mich nicht dran zu riechen. Ich habe immer das Bedürfnis, mich angemessen zu fühlen und angemessen gekleidet zu sein um daran zu riechen.

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Weil Herthas Online Shop Schwierigkeiten hatte, meine Mitgliedsnummer zu verarbeiten, musste ich die Herthahotline anrufen.
Am anderen Ende nahm ein Mann das Telefon ab und redete in einem starken Nordttioler Akzent zu mir.

Um den Nordtiroler Akzent zu erkennen muss man eigentlich nur eine Sache wissen: er enthält ein „K“ mit dem man im Rachen Schleim akkumulieren kann. Er klingt ungefähr wie „Kchr“.
Wenn Nordtiroler beispielsweise Kakadu aussprechen, können sie zwei Einheiten Rachenschleim produzieren. Bei Kuckuck sind es drei, usw. Auch habe ich keine Ahnung wer auf die Idee gekommen ist, die nordtiroler Hauptstadt Innsbruck zu nennen. Bei Kufstein ist das K auch noch am Anfang. Wobei ich glaube, dass man im Kufsteiner Alltag schon ein weicheres K verwendet.

Es gibt ja diesen Witz:

  • Wie nennt man in Nordtirol eine Banane?
  • Banane-kchr.

Ich fand es jedenfalls schön, einen Nordtiroler an der Hertha Hotline zu haben. Ich outete mich sofort als Südtiroler und driftete in einen, für Norddeutsche Ohren, abgedunkelten Sprachabgrund hinab.
Wir plauderten ein bisschen, unterhielten uns über Berlin und über die letzte Hertha-Saison. Ich äußerte mich über die Zuversicht die ich für die kommende Saison hatte. Auch er war zuversichtlich, und währenddessen löst er mein Problem mit dem Shop.
Das war ein schönes Erlebnis.

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Neulich fuhr ich am Märkischen Ufer mit dem Fahrrad. Rechts auf dem Bürgersteig lief ein junger Mann mit zwei schweren Tüten an mir vorbei. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Kein Fussball den Faschisten“.
Ich hatte einen Podcast im Ohr und außerdem schwitzte ich und ich wollte nach Hause, weil es Gutes zu Essen gab. Ich fuhr ein ganzes Stück weiter an der chinesischen Botschaft vorbei. Das Tshirt ließ mir keine Ruhe. Ich hatte schon die Hauptstraße überquert, auf der Zwischeninsel der Hauptstraße beschloss ich aber umzudrehen. Also fuhr ich wieder zurück. Ein paar hundert Meter weiter hatte ich ihn eingeholt. Er lief immer noch mit den schweren Tüten. Ich sagte, sorrysorry, kannst du mir verraten wo du das Tshirt her hast? Er erklärte mir, dass das von Fans des SV Babelsberg gemacht worden sei.
Ich sagte: cool, Danke. Bist du Babelsbergfan?
Er sagte: nein, ich bin bin Fan von Schalke.
Aha, sagte ich. Ist ja gerade nicht so schön.
Er schaute etwas leer.
Ich fühle aus der Nähe ja immer mit. Wenn die Leute so wehrlos sind. In ihrer Ergebenheit vor einer als unabänderlich hingenommener Macht.
Die seltsamen Formen von Liebe.

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Ich aus Friedrichshain, traf mich nach der Arbeit in Mitte mit einem Freund aus Schöneberg vor einer Bar in Neukölln.
Vier Risikogebiete auf einen Streich.

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Er trug seine Maske akkurat und bedeckte auch vorbildlich seine Nase. Dabei stand auf der Straße, hatte seine Hose offen, pinkelte auf den Mittelstreifen und rief Schlachtrufe während er eine Faust in die Luft streckte.

Ich überlegte, ob ich ihn darauf hinweisen soll, dass man im Freien keine Masken tragen braucht. Das hat Drosten ja so gesagt. Nach kurzer Überlegung beschloss ich nichts zu sagen. Man muss ja nicht gleich kleinlich sein, wenn jemand schon so vorbildlich ist.

2 Kommentare

  1. Tröpfcheninfektionsgefahr auf dem Mittelstreifen!
    (für untenrum gibts auch eine Maske!)

    Dass der Südtiroler angeblich keinen gutturalen Laut beim K macht, überrascht mich und ich glaub es auch nicht so ganz! Ich meine das schon gehört zu haben.

    Allgemein höre ich es sehr gerne, weil es ein bißchen exotisch und krachledern aber doch nicht grob klingt.

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