Ständig irgendwelche Leute, die in Quarantäne müssen oder die sich testen lassen. Erstkontakte, Zweitkontakte, mittlerweile hat es auch Bekannte erwischt. Ein Freund und eine Freundin sind an Covid erkrankt. Eine liebe Freundin hat schwerere Symptome.
Ich bin weit davon entfernt hypochondrisch zu sein, aber wenn ich an die letzten beiden Monate zurückdenke, dann ist das vorherrschende Gefühl: seltsames Kratzen im Rachen. Hm, ist das schon Corona? Rieche ich noch richtig?
Ständig die Nase in den Achseln.
Daher habe ich vermutlich diesen Blogeintrag so lange vor mir her geschoben. Es gibt nicht wirklich Vieles, woran ich mich erinnern muss.
Seltsamer Monat. Dabei komme ich mit dem Lockdown wirklich gut zurecht. Ich stelle mich halt darauf ein, dass das alles nur temporär ist. Außerdem kann ich jeden Tag ins Büro, da dort ohnehin kaum jemand ist. Die meisten Leute arbeiten ja lieber von zuhause aus, das finde ich ganz furchtbar. Aber ich kann natürlich nur ins Büro weil fast niemand da ist, so sitze ich fast alleine in meinem aerosolfreien Grossraumbüro.
Und immer noch: Es ist temporär. Es ist temporär. Es ist temporär.
Ich würde die Zeit ja gerne nutzen einen richtig guten, langen Text zu schreiben oder an den anderen Texten weiterzuschreiben, aber ich sitze halt nur da, eine Hand in der Hosentasche, die andere Hand an der Maus. Bis meine Frau kommt und fragt ob wir Zähne putzen.
Immerhin nehme ich gerade ab. Ich habe seit 4 Wochen das Abendessen gestrichen. Wenn ich schon nicht rausgehen kann und meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen (mit Menschen reden und währenddessen essen und trinken), dann kann ich genau so gut mit Essen und Trinken aufhören. Ich weiss, dass das bei mir immer gut funktioniert. Diäten kann ich nicht. Ich kann nicht einfach weniger essen, ich kann nicht einfach kleinere Portionen nehmen oder nach dem Essen aufhören herumzunaschen. Aber was ich gut kann: komplett aufhören zu essen. Über viele Monate hinweg.
Der abendliche Hunger dauert nur drei Tage lang. Nach den ersten drei Tagen ist es einfach. Mein Körper weiss: ah, jetzt spinnt der Kerl wieder und isst nix. Dann hört mein Körper auf, Nahrungsaufnahme zu erwarten. In meinem Beruf nennt man das Expectationmanagement.
Das mache ich jetzt bis Weihnachten so. Zu Weihnachten haue ich dann wieder voll rein. Und wenn danach immer noch Corona ist, dann faste ich danach wieder.
So ist das nämlich.
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Aaah. Und dann Cecilia aus Longyearbyen. Die habe ich auch im November entdeckt. Es war Sonntagnachmittag, wir wollten während des Frühstücks etwas schauen, etwas kurzes nur, etwas, das zum Frühstück passt und danach noch ein bisschen weiter geht. Ein Film, oder eine Doku. Aber stimmungsmäßig wollte nichts zum Frühstück passen an dem Tag, also ging ich auf die Youtube-App des Fernsehers und tippte wieder mal ein: Longyearbyen. Meine Frau verdrehte die Augen. Youtube spuckte ein paar neue Treffer aus, sie trugen den Titel „My life in the Arctic„. Diese Clips kannte ich noch gar nicht. Es waren ein Dutzend zehn bis fünfzehnminütige Clips einer jungen Schwedin die etwas außerhalb von Longyearbyen lebt und einfach filmt wie sie mit dem Hund spazieren geht, oder wie sie an den Wochenenden mit ihrem Freund eine Hütte im arktischen Niemandsland besucht, oder wie sie Motorschlitten fährt undsoweiter. Währenddessen erzählt sie von den Dingen. Wie das mit dem Sonnenstand in der Arktis ist, wie sie in der Polarnacht lebt, und sie zeigt, wie sie ihre Wohnung eingerichtet hat, ihren gruseligen Weihnachtsschmuck, oder auch ihre gemachten Fingernägel und welche Lagen Kleider sie sich bei Minus 30 Grad anzieht, oder wie sie shoppen geht undsoweiter, immer mit einem seltsam verstrahlten Optimismus, und einer kurz an der Schmerzgrenze befindlichen Tussigkeit.
An dem Tag schauten wir etwa 2 oder 3 Stunden lang ihre Clips. Wir saßen auf dem Sofa, hatten eine dicke Decke über uns gelegt, die Heizung an und schauten in dieses Leben in der Arktis hinein.
Mittlerweile habe ich sie auf Insta abonniert und schaue zum Einschlafen immer ihre Stories. Wenn es neue Youtubeclips gibt, sparen wir sie für das Wochenende auf. Dann machen wir Frühstück, holen eine dicke Decke und schauen uns das Alltagsleben in der Arktis an.
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Am 22. November sind wir mit der Webseite des besten Fanclubs der Welt live gegangen. Das Blog und der Shop. Ein Herzensprojekt. Es hat viel Zeit gekostet, das alles aufzusetzen, umso happier bin ich jetzt. Wir werden da unsere Zeit mit Hertha begleiten.