[Tagebuchbloggen. Freitag, 2.4.2021]

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Am Vormittag bei Kaffee und Muesli unterhalte ich mich mit ein paar Freundinnen in unserer Telegramgruppe über das richtige Gendern. Wir sind weitgehend der selben Meinung, diskutieren eher über Details. Dass das generische Maskulinum überholt ist, steht außer Frage. Nun ist die öffentliche Diskussion darüber, wie richtig gegendert werden soll, noch längst nicht abgeschlossen und sie wird sicherlich noch eine Weile andauern. Ich will mich aus der feingranularen Diskussion auch raushalten, als weißer Mann bin ich nicht von der Inklusion betroffen und will daher nicht über die korrekte Form mitreden. Ich kann alle Argumente pro Sternchen und contra Doppelpunkt bzw contra Binnen-I und pro Unterstrich nachvollziehen. Ich finde die Diskussion allerdings auch oft etwas zu verkopft und übervorsichtig. Natürlich ist Inklusion wichtig, aber dennoch will man am Ende die Sprache dahingehend ändern, dass sie praktikabel wird und eine allgemeine Akzeptanz findet.

Ich halte mich an den gefühlten Standard. Zur Zeit ist das der Doppelpunkt. Sollte ich das Gefühl haben, dass eine andere Form besser akzeptiert wird, werde ich meine Gewohnheit entsprechend ändern. Ich glaube, es geht bei Sprache immer um Akzeptanz oder auch um Authentizität. So entsteht Sprache.

Wobei ich bei der Anwendung des Doppelpunktes nicht sehr konsequent bin. Ich bevorzuge in der Regel das weibliche Generikum. Ich weiss, das ist nicht inklusiv genug, aber das weibliche Generikum kommt mit einer Wucht daher, der ich meist nicht widerstehen kann. Das weibliche Generikum sieht man im Textbild nicht kommen, weil es sich versteckt, anders als Sternchen oder Doppelpunkte, und es haut uns raus, es zwingt uns über Geschlechterrollen nachzudenken und sie zu hinterfragen. Das mag ich.

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Auf einem langen Spaziergang kaufen wir uns ein Eis. Sie nimmt Straciatella und Pistazie. Ich bestelle etwas Experimentelles, das mir nicht schmeckt.
Eigentlich ist das immer so bei uns. Sie nimmt immer das Gleiche und ist glücklich damit und ich kaufe immer etwas Unbekanntes und bin 95% der Zeit enttäuscht. Andererseits: wenn ich mal einen Treffer lande. Dann rede ich noch Wochen später darüber.

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Es ist Karfreitag. Ich habe das Bedürfnis Fleisch zu essen und Blasphemie zu sprechen. Vermutlich ist mir das Thema „Letztes Abendmahl“ zu Kopf gestiegen und das ganze Thema Christentum breitet sich in mir aus. Wir haben aber so gut wie nie Fleisch im Haus, wir essen eher selten Fleisch. Manchmal hat meine Frau ein bisschen Schinken, aber ich mag Schinken nicht besonders. Warum sollte es am Karfreitag also anders sein, ich hätte mich besser vorbereiten sollen. Eine fette Salami würde heute passen.

Ich habe auch versucht, die Zeitfolge des letzten Abendmahles nachzurechnen. Das kann zeitlich nicht stimmen. Wenn Jesus am Donnerstag das letzte Abendmahl zu sich nahm und am nächsten Morgen verhaftet wurde, dann den Prozess bekam, verurteilt wurde und dann das Kreuz die ganze via Dolorosa zum Kalvariusberg hinaufschleppen musste um dort ans Kreuz gehangen zu werden. Das sind mir ein paar zu viele Ereignisse an einem einzigen Tag. Ja, es kann natürlich auch ein richtiger Kacktag gewesen sein, wir kennen alle diese Kacktage, an denen wirklich alles zusammenkommt, aber Kreuzigungen sind ja bekannt dafür, dass sie dem Tod ein langes Leiden voransetzen und mit langem Leiden sind üblicherweise Tage gemeint und nicht wenige Stunden, auch wenn die Dornenkrone und die Essigwunde den Prozess sicherlich beschleunigt habe könnten. Aber alles an einem Tag? Das finde ich eher unwahrscheinlich.

Ja, ich könnte das alles googlen, ich bin sicherlich nicht der erste, der diese Kacktag-Theorie etwas seltsam findet.

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Am Abend wollen wir einen Film schauen. Es ist Karfreitag, ich schlage vor, einen Jesusfilm zu schauen. Meine Frau verdreht die Augen. Ich google „die 10 besten Jesusfilme“. Es kommen zahlreiche Listen mit den besten Jesusfilmen. Peinlicherweise auch „Osterauswahl – die besten Filme über Jesus“. Ich bin offenbar nicht der erste, der sich zu Ostern Gedanken über Jesus macht. Ich fühle mich sehr durch Vorhersehbarkeit enttarnt.

Deswegen schauen wir den Film über Harriet Tubman, die Frau, die 1849 aus der Sklaverei entfloh und danach über elf Jahre hinweg 70 Menschen aus der Sklaverei befreite. Eine beeindruckende Geschichte.